Das Drama um die MediBank AG, über das wir an dieser Stelle schon wiederholt berichtet haben, geht in die nächste Runde. Es ist ein Untergang auf Raten. Ob es diesmal tatsächlich die letzte Runde wird, bleibt abzuwarten. Aufgrund der jüngeren Historie der MediBank mit vielen überraschenden Wendungen, die nicht immer zum Vorteil der Aktionäre waren, sind zum aktuellen Stand abschliessende Prognosen schwierig. Die Zeichen stehen jedoch diesmal auf einen Verkauf des Bankgeschäfts, den Bewilligungsentzug durch die FINMA und eine Liquidation der Bank unter FINMA-Aufsicht „im Sinne von Art. 37 FINMAG i.V.m. Art. 23 quinquies BankG„.
Dies ergibt sich einerseits aus der Veröffentlichung der GV-Einladung am 18. Februar 2015 im Schweizerischen Handelsamtsblatt. Danach soll an der Generalversammlung am 18. März laut Traktandum 5 eine Veräusserung des Geschäfts beschlossen werden. Traktandiert ist der Antrag des Verwaltungsrats, das Geschäft oder einen Geschäftsteil an die Bank Alpinum AG, FL-Vaduz, sowie weiteres Vermögen (inklusive Kundenbeziehungen) zu veräussern. Offen bleibt vorläufig, ob hier jeweils mit einem positiven Verkaufsertrag gerechnet werden kann. Möglicherweise fällt – die Zustimmung der Generalversammlung vorausgesetzt – aus der Veräusserung des Geschäfts oder einzelner Geschäftsteile und weiterer Vermögenswerte im laufenden Jahr 2015 ein Zusatzertrag an, der wertsteigernd sein könnte.
Bewilligungsentzug und drohende Liquidation
Andererseits ergibt sich die neue Situation der Bank nach der Generalversammlung vom 31. Oktober 2014 aus dem Bericht des Verwaltungsrates zum Geschäftsjahr 2014 (vgl. Geschäftsbericht Medibank AG 2014, S. 2). Nach den Ausführungen des Verwaltungsrates eröffnete die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA am 4. Dezember 2014 ein sogenanntes Enforcementverfahren gemäss Art. 30 FINMAG gegen die Bank. Weiter heisst es, dass „aufgrund der Stellungnahmen der FINMA (…) mit einem Bewilligungsentzug durch die FINMA mit anschliessender Liquidation im Sinne von Art. 37 FINMAG i.V.m. Art. 23 quinquies BankG gerechnet werden“ muss.
Vor dem Hintergrund dieser schwierigen regulatorischen Situation bei einem anhaltenden Rückgang des Kundenvermögens auch im Jahr 2014 hat der Verwaltungsrat entschieden, die Bilanz zum 31. Dezember 2014 unter Liquidationsaspekten als „Liquidationsbilanz“ aufzustellen. Demnach wurden „sämtliche zu erwartenden Kosten zur Einstellung des Bankbetriebes“ in den Rückstellungen erfasst. Etwaige Erträge werden in der Liquidationsbilanz nicht mehr kalkuliert.
Liquidationsbilanz mit hohem Verlust
In der Konsequenz führte die Aufstellung als „Liquidationsbilanz“ zu einem ausgewiesenen Jahresverlust von ausserordentlich hohen ca. 10 Mio. CHF – bei einem Eigenkapital der Bank von vormals 31.5 Mio. CHF zum Beginn des Geschäftsjahres 2014. Massgeblich verantwortlich für diesen Jahresverlust war eine vom Verwaltungsrat vorgenommene „Liquidationsrückstellung“ über etwas mehr als 8 Mio. CHF, die sich zum „regulären“ Bruttoverlust der geschrumpften Bank aus operativer Geschäftstätigkeit (-1.1 Mio. CHF), Abschreibungen auf das Anlagevermögen (-0.2 Mio. CHF) und „normalen“ Wertberichtigungen und Rückstellungen (-0.5 Mio. CHF) addierte (Vgl. Abbildung 1). Die Sachanlagen – bei einem ursprünglichen Anschaffungswert von knapp 3.2 Mio. CHF per Ende 2013 noch mit 223’049 CHF in der Bilanz erfasst – wurden per Ende 2014 vollständig abgeschrieben.
Abbildung 1: Quelle Medibank AG. Entnommen aus Geschäftsbericht 2014, S. 5.
Sowohl die Höhe als auch die Zusammensetzung der veranschlagten Liquidationskosten sind mit den vorliegenden Informationen nicht nachvollziehbar. Im Interesse aller Aktionäre sollte der Verwaltungsrat die Zusammensetzung dieser erwarteten Kosten – immerhin etwa 400 CHF je Inhaberaktie im Nennwert von 400 CHF – anlässlich der kommenden Generalversammlung am 18. März 2015 weiter aufschlüsseln und gegebenenfalls auch plausibilisieren.
Im Vorjahr 2013 hatte die MediBank AG im Zusammenhang mit dem US-Steuerstreit eine Rückstellung über 2.25 Mio. CHF gebildet (Vgl. Geschäftsbericht 2013, S. 10), die im Wertberichtigungsstand von gut 10.3 Mio. CHF zum 31. Dezember 2014 (siehe Geschäftsbericht 2014, S. 10) zumindest teilweise bis auf die „zweckkonformen Verwendungen“ noch enthalten ist. Ob sich hieraus etwaige stille Reserven ableiten lassen, lässt sich von aussen schwer beurteilen. In der „Liquidationsbilanz“ 2014 fehlt in den Bilanzierungs- und Bewertungsgrundsätzen (Geschäftsbericht 2014, S. 7) – anders als noch 2013 (Geschäftsbericht 2013, S. 7) – der Hinweis, dass die Position der Wertberichtigungen und Rückstellungen stille Reserven enthalten kann.
Hohe Wertberichtigungen und Rückstellungen
In der Summe liegen die gebildeten Wertberichtigungen und Rückstellungen zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2014 bei hohen 10’298’713 CHF oder 515 CHF je Inhaberaktie bzw. 128 CHF je Namenaktie. Sollte sich im Verlauf der Liquidation herausstellen, dass die Wertberichtigungen und Rückstellungen „überdotiert“ sind, könnten hier noch Reserven für Aktionäre vorhanden sein.
Ansonsten ist der Geschäftsabschluss 2014 der MediBank AG geprägt von Licht und Schatten. Operativ scheint es – trotz weiter deutlich rückläufiger Kundenvermögen – einen Fortschritt im Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft gegeben zu haben. Der Erfolg aus dem Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft als wichtigster operativer Säule der Bank erhöhte sich gegenüber 2013 um knapp 6% oder knapp 200’000 CHF auf gut 3.2 Mio. CHF. Dieser Erfolg ist umso bemerkenswerter, da das Gesamtkundenvermögen der Bank gegenüber 2013 um etwa 40 Mio. CHF auf 235.2 Mio. CHF oder fast 15% abgenommen hat (vgl. Geschäftsbericht 2014, S. 13). Da der Netto-Geldabfluss mit -50.4 Mio. CHF sogar noch höher war, konnte die Bank auf das vorhandene Kundenvermögen immerhin eine solide Rendite erwirtschaften.
Geschäftsaufwand deutlich gestiegen
Der Geschäftsaufwand reduzierte sich im Vergleich zum Vorjahr moderat um 1.3 % auf 5.0 Mio. CHF. Während sich der Sachaufwand um etwa 7.5% auf 2.65 Mio. CHF ermässigte, stieg der Personalaufwand – bei einem niedrigeren Personalbestand von 12 (Vorjahr: 15) – um 6.5% auf 2.39 Mio. CHF an. Die Vergütung des Verwaltungsrats, die neben den „ordentlichen Verwaltungsratshonoraren“ auch nicht näher spezifizierte „weitere Dienstleistungen“ (Geschäftsbericht 2014, S. 12) enthielt, erhöhte sich um etwa 108’000 CHF oder 37.7% auf 395’096 CHF. Trotz der moderaten Zugewinne bei den Kommissions- und Dienstleistungserträgen und stabilen Zins- und Handelserträgen: Der weiterhin signifikant höhere Geschäftsaufwand verhinderte auch 2014 ein positives Bruttoergebnis und führte zum vorgängig bereits erwähnten Bruttoverlust von 1.1 Mio. CHF.
Interessant ist, dass sich der Anteil der Beteiligungstitel im Eigenbestand zum Jahresende 2014 moderat von 182’100 CHF nominal auf 188’900 CHF nominal erhöht hat. Bezogen auf die „grossen“ Aktien im Nennwert von je 400 CHF entspricht dies einem Zuwachs von 17 Aktien im eigenen Buch. Bezogen auf den 400-CHF-Nennwert liegt der Gesamtbestand an eigenen Beteiligungstiteln nunmehr bei etwa 472 Inhaberaktien. Die Verhältnisse im „komplexen“ Aktionariat blieben gegenüber dem Vorjahr unverändert: Dr. Hans Rudolf Rahm war mit 49% der Stimmen und 43% des Kapitals beteiligt. Bruno de Nicolo kontrolliert 33% der Stimmrechte und 27% des Kapitals.
Das bilanzielle Eigenkapital der MediBank AG hat sich, primär bedingt durch den exorbitanten Jahresverlust 2014 mit der „Liquidationsrückstellung“, von 31.5 Mio. CHF auf nur noch 21.1 Mio. CHF ermässigt (Abbildung 2, unten). Dies entspricht einem anteiligen Wert von 1’056 CHF je Inhaberaktie im Nennwert von 400 CHF bzw. 264 CHF je Namenaktie im Nennwert von 100 CHF – jeweils vor Steuern bei etwaigen Ausschüttungen. In der Theorie sollte dies – vor Steuern – auch die Wertuntergrenze für die MediBank-Aktien sein.
Die GV-Einladung zur kommenden Versammlung am 18. März 2015 sieht in Traktandum 4 – unter Vorbehalt der Zustimmung von FINMA und Generalversammlung – eine Dividendenausschüttung von 8 Mio. CHF aus den freien Reserven an die Aktionäre vor. Dies entspricht einer steuerbaren „Vorab-Ausschüttung“ auf den zu erwartenden Liquidationsertrag von 400 CHF je Inhaberaktie und 100 CHF je Namenaktie. Um diesen Betrag würde sich ein späterer Liquidationsertrag entsprechend reduzieren. Der Vorteil für die Aktionäre wäre ein schnellerer Kapitalrückfluss.
Zuletzt wurden die MediBank-Aktien auf dem OTC-X-Portal der Berner Kantonalbank (BEKB) zu 501 CHF (Inhaberaktien, Kurs vom 18.02.2015) und 55 CHF (Namenaktie, Kurs vom 16.02.2015) gehandelt. Insbesondere die Namenaktien mit ihrem faktischen „Mehrfachstimmrecht“ sind extrem illiquide. Seit 2011 wurden gerade einmal Aktien im Gegenwert von knapp 23’300 CHF auf OTC-X gehandelt. Angesichts der anhaltenden zeitlichen wie rechtlichen Unsicherheiten rund um die MediBank AG drängt sich ein Kauf der Valoren zu den letzten Briefkursen nicht auf. Allerdings erscheint auch ein Verkauf zum aktuellen Geldkurs (Inhaber: 501 CHF; Namen: 30 CHF), der deutlich unter dem bilanziellen Eigenkapital zum Jahresende liegt, wenig sinnvoll, zumal die Chance auf die oben genannte „Vorab-Ausschüttung“ besteht. Grundsätzlich sind bei allen Dispositionen auch etwaige Steuerfolgen der Liquidation ins Kalkül miteinzubeziehen. Die Höhe der bereits gebildeten Wertberichtigungen und Rückstellungen sowie auch etwaige Erträge aus dem vollständigen oder teilweisen Verkauf des Geschäfts könnten, in Abhängigkeit des weiteren Liquidationsverlaufs, längerfristig noch Überraschungen für Aktionäre bereit halten – im Negativen genauso wie im Positiven.
Für die Aktionäre bleibt nur zu hoffen, dass nach allen Ereignissen der Vergangenheit nicht noch weiterer Schaden entsteht und das zuletzt alles andere als glanzvolle „Kapitel MediBank“ nun auf der Zielgeraden (?) zu einem vernünftigen Ende geführt wird. Die Generalversammlung am 18. März 2015 in Zug dürfte hier im Idealfall für mehr Klarheit sorgen. schweizeraktien.net wird den Fall der MediBank AG weiter eng beobachten.
Transparenzhinweis: Der Autor ist Aktionär der Gesellschaft.
Abbildung 2: Quelle Medibank AG. Entnommen aus Geschäftsbericht 2014, S. 11.
[…] bei der die Kosten für die Liquidation bis zum Jahre 2017 berücksichtigt worden sind (siehe Blog-Beitrag vom 2. März 2015). Diese hätten nach Ansicht des Verwaltungsrates ausgereicht, um die Bank abwickeln zu können. […]