Jahrzehntelang war die Uhren- und Schmuckmesse Baselworld das Mekka für Hersteller und Händler aus aller Welt. Doch der strukturelle Wandel im Handel hat die Messebranche erfasst. Nach dem Uhrenkonzern Swatch sagten auch die Firmen Corum und Raymund Weil der Basler Messe ade. Die Nachricht, dass eine der Vorzeigemessen der börsenkotierten Messegesellschaft MCH Group unter Druck ist, schockierte die Fachwelt und die Investoren. Auch die beliebte Publikumsmesse Muba Basel wird 2019 zum letzten Mal stattfinden. Wie die Umsatzausfälle kompensiert werden sollen, ist noch nicht ganz klar. Der Aktienkurs der MCH Group-Aktie ist jedenfalls seit Wochen unter Druck und verlor seit Jahresbeginn um mehr als 60%.
Neue Ideen und Formate sollen in Bern für Stabilität sorgen
In einen ähnlichen Sog ist auch der Aktienkurs des Berner Messebetreibers Bernexpo Holding AG geraten, dessen Aktien ausserbörslich auf OTC-X gehandelt werden. Seit Jahresbeginn sank der Preis für die Valoren um fast 20%. Für den Kurszerfall sind gleich mehrere Gründe verantwortlich. Einerseits besteht die Sorge, dass auch in Bern die grosse Publikumsmesse BEA an Bedeutung verliert. Denn auch in St. Gallen besuchten in diesem Jahr rund 15’000 Personen weniger die traditionsreiche Ausstellung OLMA. In Bern war die Besucherzahl der Flaggschiff-Messe «BEA» in 2018 mit rund 300’000 Besuchern allerdings stabil. Andere Messeformate, wie die Suisse Toy, verloren in den letzten Jahren hingegen Besucher. Allerdings hat die Messeleitung auf das veränderte Umfeld reagiert und arbeitet daran, das Messeportfolio zu erneuern bzw. mit neuen Angeboten aufzuwerten. An der BEA wurde beispielsweise für junge Besucher der Urban Playground lanciert, ein Action-Parcours, wie er aus den TV-Format Ninja Warrior bekannt ist.
«Hero-Fest ein voller Erfolg»
Und statt der Suisse Toy fand in diesem Jahr erstmals das Herofest, ein Anlass für die Online-Gamebranche, statt. «Das Herofest war aus konzeptioneller, qualitativer und medienwirksamer Sicht ein voller Erfolg», erklärt die Messeleitung. Bei der Anzahl Besucher bestehe noch Potenzial. Mit über 2’000 Gamern an der LAN Party wurde ein neuer Rekord im deutschsprachigen Raum (DACH) erzielt. All dies stimmt die Bernexpo Groupe sehr zuversichtlich. «Dieses Jahr konnte das neue Format die Umsatzausfälle der Suisse Toy Messe noch nicht kompensieren. Wir rechnen jedoch mit einer stark steigenden Umsatztendenz in den nächsten Jahren», erläutert Finanzchef Bruno Battaglia gegenüber schweizeraktien.net. Auch prüft das Unternehmen, ob der bisherige klassische Teil der ehemaligen Suisse Toy im 2019 in einem neuen Format oder allenfalls in eine bestehende Messe integriert werden soll.
Herausforderungen auch in Bern
Einen direkten Vergleich mit den Schwierigkeiten der MCH-Gruppe will die Bernexpo-Geschäftsleitung jedoch nicht gelten lassen. Die Herausforderungen in der Branche seien zwar gross, so Battaglia. Dies gelte für alle Messeveranstalter – nicht nur in der Schweiz. «Auch bei der Bernexpo Groupe haben sich diese akzentuiert», räumt der Finanzchef ein. Er weist allerdings auch darauf hin, dass der Verwaltungsrat die notwendigen Weichen in der Unternehmensstrategie bereits 2016 gestellt und die Positionierung gemäss den künftigen Markt- und Kundenbedürfnissen geschärft hat. «Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und schauen zuversichtlich in die Zukunft», so der Finanzchef.
Dies gilt offenbar auch für das laufende Geschäftsjahr 2018. Nach Aussagen von Battaglia läuft das Geschäft gut. «Wir werden voraussichtlich das letztjährige Ergebnis leicht steigern können, obschon im laufenden Jahr weiter in innovative und neue Veranstaltungsformate investiert wird», erklärt er. In Bezug auf die bisherige Ausschüttungspolitik meint er, dass das Unternehmen eine stabile Dividendenpolitik verfolge.
Messehallen-Projekt BeMotion Base sistiert
Für Fragen unter den Aktionären sorgte in den letzten Jahren immer wieder der Ersatz der alten Festhalle. Unter dem Namen BeMotion Base sollte ursprünglich bis 2019 eine moderne Eventhalle entstehen, die Platz für bis zu 9’000 Besucher bietet. Rockkonzerte wären dann ebenso möglich gewesen wie grosse Konferenzen. Für die Finanzierung hatten Stadt und Kanton Bern jeweils 15 Mio. CHF an öffentlichen Mittel zugesichert. Allerdings stand dazu eine Zustimmung des Stadtberner Stimmvolks noch aus. Die übrigen Kosten für die Halle von insgesamt 80 Mio. CHF sollten durch BERNEXPO und über Fremdmittel finanziert werden. Doch Anfang Oktober gab die Bernexpo Groupe nun bekannt, dass das Projekt erst einmal sistiert werde. «Die vielen negativen Medienberichte während der letzten Monate bezüglich der Entwicklung der Schweizer Messebranche, vor allem in Bezug auf hohe Investitionen in Infrastrukturen, haben auch bei unseren Finanzierungspartnern berechtigte Fragen ausgelöst», erläutert Battaglia die Hintergründe für diesen Entscheid. Deshalb habe sich der Verwaltungsrat entschieden, das Projekt bezüglich der Finanzierung, der Rentabilisierung sowie der heutigen Trägerstruktur zu überprüfen. Durch die Sistierung könne der Betrieb der alten Festhalle für 2020 nun weiterhin vollumfänglich gewährleistet werden.
Mehrere Szenarien für neue Messehalle
Der Finanzchef spricht auch Alternativszenarien an, die geprüft würden. Neben einer möglichen Anpassung des Träger- und Finanzierungsmodells und dem Einstieg in die Detailplanung des Projektes sind dies ein abgeändertes Projekt, der Abbruch des Projektes insgesamt und allenfalls die Sanierung der alten Festhalle. Battaglia betont, dass die öffentliche Hand weiterhin hinter dem Projekt steht. Eine Aktienkapitalerhöhung bei der Bernexpo Holding AG sei nicht vorgesehen.
Fazit
Bei hohen Handelsvolumen haben die Aktien der Bernexpo Holding AG seit Jahresbeginn um fast 20% an Wert verloren und notieren noch bei 430 CHF. Die negativen Nachrichten aus der Messebranche sind sicherlich einer der Gründe für diesen Kursverlust. Denn auch in Bern bleibt man vom Strukturwandel in der Branche nicht verschont. Allerdings haben Verwaltungsrat und Unternehmensleitung bereits an den letzten Generalversammlungen über diese Entwicklung informiert und die Weichen gestellt. Erfolgreiche Formate wie die BEA werden verjüngt, einige Messen ganz gestrichen und durch neue ersetzt. Ob diese Massnahmen alle erfolgreich sein werden, muss sich erst noch zeigen. Angesichts dieser starken Veränderungen war es folgerichtig, das recht kostenintensive Projekt BeMotion-Base erst einmal zu sistieren. Insbesondere die Aktionäre sollten über diesen Schritt erfreut sein, auch wenn der Kursverlauf hier eine andere Sprache spricht.
Erfreulich ist es, von der Unternehmensleitung zu hören, dass trotz der Veränderungen in der Branche im 2018 das Ergebnis vom Vorjahr erreicht und sogar leicht übertroffen werden soll. 2017 lag der Umsatz bei rund 58 Mio. CHF und das operative Ergebnis (EBITDA) erreicht 11.7 Mio. CHF. Sofern in 2018 wieder ein Reingewinn von 2.8 Mio. CHF (oder 36.95 CHF je Aktie) erreicht wird, liegt das KGV bei moderaten 11. Auch die Dividendenrendite ist mit 3.6%, eine gleichbleibende Zahlung von 15 CHF vorausgesetzt, nicht unattraktiv. Zudem notieren die Titel mit einem Discount von rund 30% auf den Buchwert. Dieser Abschlag eskomptiert bereits eine negative Ertragsentwicklung in den kommenden Jahren. Insgesamt erscheint der Titel auf dem aktuellen Kursniveau nicht zu hoch bewertet. Investoren sollten sich allerdings auch bewusst sein, dass die Messebranche einen ähnlichen Wandel wie die Medienbranche durchläuft und das «klassische Ausstellungsgeschäft» im Zuge der Digitalisierung an Bedeutung verliert. Der Bernexpo muss es daher gelingen, mit frischen Ideen und neuen Formaten auf das Umfeld zu reagieren, um auch in Zukunft ertragskräftig zu sein. Denn die Live-Kommunikation – also der direkte Austausch zwischen Kunden und Herstellern – wird auch im digitalen Zeitalter wichtig bleiben.