Regionale Versorgungsunternehmen erwirtschaften seit Jahren stabile Erträge. Grosse Wachstumsschübe verzeichnen allerdings die wenigsten Unternehmen. Sie wachsen in der Regel mit dem Markt und der Bevölkerungsentwicklung im Versorgungsgebiet. Es sei denn, es werden neue Geschäftsfelder erschlossen oder das Geschäftsgebiet ausgeweitet. Die Industriellen Betriebe Aarau (IBAarau) stehen vor einem solchen Expansionsschritt und damit auch vor einem Investitionsschub. Das Gasnetz wird erweitert, das Geschäft mit der Fernwärme aufgebaut und das eigene Wasserkraftwerk bis 2018 erneuert. Zudem sind Investitionen in Projekte im Bereiche erneuerbare Energie geplant, wie Finanzchef Rolf Meyer im Gespräch mitteilte.
Herr Meyer, das erste Semester ist für die IBAarau AG hervorragend gelaufen: der Umsatz stieg um 4.8% auf 77.3 Mio. CHF. Der Gewinn auf Stufe EBIT lag sogar um 18% über dem Vorjahresergebnis. Werden Sie diesen positiven Trend im 2. Halbjahr halten können?
Wir sind sehr gut in die 2. Jahreshälfte gestartet und daher auch für das Gesamtjahr zuversichtlich. Helfen würde uns insbesondere eine weiter anziehende Konjunktur. Hingegen wird es schwierig, wenn die Witterung nicht mitspielt und wir einen warmen Herbst oder gar einen späten Wintereinbruch erleben.
… und wenn die Börse nicht mehr so gut läuft wie seit Jahresbeginn. Dann dürfte auch das Finanzergebnis weniger üppig ausfallen.
Das ist richtig. Im 1. Semester verzeichneten wir einen Gewinn aus Wertschriftenerträgen von rund 1.6 Mio. CHF. Diesen können wir nur bedingt beeinflussen. Viel wichtiger ist daher das operative Ergebnis.
Laut Bilanz weisen Sie ein Wertschriftenportfolio von 75.8 Mio. CHF aus. Wie sieht Ihre Anlagestrategie aus?
Wir sind mit einem Anteil von 49% in Aktien investiert und halten 30% Obligationen. 11% sind in Immobilienfonds angelegt. Mit dieser Strategie sind wir in den letzten Jahren gut gefahren, da Aktien im Vergleich zu den übrigen Anlageklassen am besten rentiert haben.
Obwohl Sie einen so hohen Wertschriftenbestand ausweisen, haben Sie Ende 2012 Darlehen in der Höhe von 60 Mio. CHF aufgenommen. Was wollen Sie mit dem Geld anfangen?
Wir möchten auch als regionales Versorgungsunternehmen weiter wachsen. Ein Wachstumsbereich ist das Erdgas. Hier haben wir eine Leitung ins Wynental gebaut, die nun bis nach Menziken verlängert wird. Wir beliefern in dieser Region industrielle Kunden und Mehrfamilienhäuser. Hinzu kommen Investitionen in Höhe von 60 bis 70 Mio. CHF in neue Fernwärmenetze in Aarau. Ausserdem müssen wir bis 2018 unser eigenes Wasserkraftwerk, mit dem wir rund 20% unseres Strombedarfs decken können, erneuern. Insgesamt rechnen wir mit einem Investitionsbedarf bis 2018 von 170 bis 180 Mio. CHF. Angesichts der historisch niedrigen Zinsen haben wir uns die 60 Mio. CHF mit einem langfristigen durchschnittlichen Zinssatz von 1.48% gesichert. So günstig bekommen wir das Geld wohl nicht mehr.
Dennoch bleiben die Herausforderungen angesichts der Diskussion um die Energiewende gross. Wie wollen Sie sich mittelfristig positionieren?
Unser Ziel ist es, die IBAarau zu einem möglichst breit aufgestellten Energiedienstleister zu entwickeln. Dabei sehen wir durchaus Wachstumschancen auch ausserhalb des heutigen Versorgungsgebietes. Mit der Elektro AG, die mit 120 Mitarbeitern im Installations- und Servicegeschäft tätig ist, sind wir schon seit jeher ausserhalb unseres Versorgungsgebietes unterwegs. Im Bereich Strom konnten wir in diesem Jahr auch Kunden ausserhalb unseres Versorgungsgebietes gewinnen. Auch im Bereich der erneuerbaren Energien sind wir sehr aktiv. Es gibt für Aarau eine in einer Volksabstimmung angenommene Energiestrategie, die auf den Ausstieg aus der Kernenergie und auf eine Deckung des Energiebedarfs zu 90% aus erneuerbaren Energien abzielt. Auf solche Entwicklungen müssen wir schon jetzt reagieren.
Mit welchen Massnahmen?
Die Erneuerung unseres Wasserkraftwerkes gehört ebenso dazu wie der Bau des Fernwärmenetzes. Ausserdem sind wir über Swisspower und REpartner an Projekten im Bereich erneuerbare Energien beteiligt, unter anderem auch an verschiedenen Windkraftwerken in Deutschland. Unsere Verträge sind so gestaltet, dass wir – sofern dies eines Tages technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist – den Strom aus diesen Beteiligungen auch selbst beziehen können.
Sie halten auch noch eine 2%ige Beteiligung an der Alpiq Holding. Wäre es nicht sinnvoll, sich von dieser Beteiligung zu trennen? Sie könnten so stille Reserven in Millionenhöhe realisieren und dieses Kapital in andere Projekte investieren.
Wir führen mit der Alpiq ein sehr partnerschaftliches Verhältnis und haben zudem einen Vertrag, der uns ein Bezugsrecht, aber keine Bezugspflicht einräumt. Dies gibt uns beim Strombezug eine hohe Flexibilität – jetzt und auch in der Zukunft. Daher sehen wir zurzeit keinen Grund, an dieser Konstellation etwas zu ändern.
Das Geschäftsergebnis der IBAarau im 1. Semester 2013 kann sich sehen lassen. Ohne Berücksichtigung der Wertschriftengewinne zeigt es, dass auch konservative Energie- und Versorgungsunternehmen Wachstum erzeugen können. Hält das Wachstum in der 2. Jahreshälfte an, so wäre ein Anstieg des Betriebsgewinns auf 20 bis 22 Mio. CHF möglich. Mit einem geschätzten Reingewinn pro Aktie von 72 CHF würde das Kurs/Gewinn-Verhältnis knapp 16 betragen. Der Buchwert dürfte, aufgrund stiller Reserven auf die Alpiq-Beteiligung, die zum Anschaffungswert von 29.5 Mio. CHF in den Büchern steht und heute einen Marktwert von rund 63 Mio. CHF hat, sowie auf nicht betriebsnotwendigen Grundstücken über den ausgewiesenen 1’021 CHF liegen. Damit ist die Aktie bei Kursen um die 1’150 CHF auch im Branchenvergleich nicht zu hoch bewertet. Einzig die Dividende – die Rendite liegt bei mageren 1.9% – erscheint wenig attraktiv. Hier müsste das Unternehmen trotz der geplanten hohen Investitionen etwas nachbessern, um ein Investment in die Aktie attraktiver zu machen.