Fazit des Branchentalks „Casinos“, der am 22. Oktober 2013 in den neuen Konferenzräumen der Kongress- und Kursaal Bern AG, stattfand, war, dass sich die Situation für die Branche in den letzten zehn Jahren massiv verschlechtert hat. An der Podiumsdiskussion (siehe Bild) nahmen Detlef Brose, CEO der Spielbank Baden AG, Daniel Frei, VR-Präsident der Kongress- und Kursaal Bern AG, Jean-Marie Jordan, Direktor der Eidgenössischen Spielbankenkommission (ESBK) und Christian Wildhaber, Sektorleiter Research bei dem Vermögensverwalter Albin Kistler AG , teil.
Die Betreiber von Casinos wünschen sich faire Rahmenbedingungen, die es ihnen erlauben, sich gegen die Konkurrenz zu behaupten. Detlef Brose brachte die Sorgen der Casinobetreiber auf den Punkt: Wegen der strikten Regulierung des Spielbetriebs in der Schweiz können zahlreiche für die Spieler sehr attraktive Automaten in der Schweiz nicht betrieben werden. Im grenznahen Ausland – insbesondere in Deutschland – wurden hingegen vor kurzem neue Spielhallen erlaubt, die deutlich geringeren Restriktionen ausgesetzt seien. Aber nicht nur die Restriktionen bei der Aufstellung von Automaten machen Brose Sorgen. Auch das Sozialkonzept, welches schweizerische Spielbankenbetreiber verpflichtet, Personen bei grossen Spieleinsätzen nach ihren Vermögensverhältnissen zu befragen, werde von den Spielern nicht goutiert. Viele Spieler zögen es daher vor, ausserhalb der Schweizer Casinos zu spielen. Dies passiere auf der einen Seite durch die Abwanderung ins grenznahe Ausland und auf der anderen Seite durch die Teilnahme an illegalen Spielrunden ausserhalb von konzessionierten Casinos. Jordan berichtete denn auch von rund 100 jährlich von der ESBK entdeckten illegalen Glücksspielen mit steigender Tendenz. Die Dunkelziffer ist unbekannt.
Eine weitere Herausforderungen für die Branche stellen auch die Internetcasinos dar. Diese sind bislang in der Schweiz noch nicht zugelassen. Schweizer Spielern ist es aber dennoch problemlos möglich, auf Spielplattformen ausländischer Betreiber ihr Spielglück zu versuchen. Detlef Brose und Daniel Frei waren sich einig, dass die ESBK wenig kompromiss- und gesprächsbereit sei. Indessen könnten die Spielbankenbetreiber mit ihren Erfahrungen aus dem laufenden Geschäft durchaus interessante Impulse für die ESBK liefern, betont Frei. Brose ergänzte, dass die ESBK ein vom Casinoverband vor drei Jahren vorgebrachtes Gesprächsangebot abgelehnt habe. Jordan signalisierte seinerseits zumindest eine Bereitschaft zu Gesprächen. Für ihn befinden sich allerdings die Schweizer Spielcasinobetreiber in einer sehr komfortablen Lage. Die Betreiber müssen sich bewusst machen, dass eine Marktsättigung erreicht sei. Zudem werden durch Casinos im nahe gelegenen Ausland sehr viele Spielerlöse generiert. Als Beispiel nannte er das neu erstellte Spielcasino in Campione d’Italia. (Anmerkung des Autors: Dieser auffällige Prunkbau zieht sehr viele Spieler aus dem Tessin an, die in der Zollfreizone von sehr geringen Restriktionen profitieren. Campione d’Italia ist von Lugano problemlos in einer halben Stunde erreichbar. Sehr viele italienische Spieler, die früher in Mendrisio oder Lugano spielten, wandern nach Campione ab, was massgeblich zum Einbruch der Spielerträge der beiden Betriebe führte.) Jordan betont, dass die von den Casinos bezahlten Steuern die bei der Vergabe der Konzessionen gemachten Prognosen um den Faktor 2,5 übertreffen. Es gebe in der Schweiz mehr als zehn Casinos, die trotz der rückläufigen Erträge eine Eigenkapitalrendite von über 25% erzielten. Dieser Wert liege deutlich über den im Ausland erzielten Margen. Zu den Spitzenreitern gehören die Betriebe in Baden, Bern und Montreux. Es gebe indessen auch Betriebe, die rote Zahlen schreiben. Die schwachen Ergebnisse dieser Betriebe führt er jedoch auf eine mangelhafte Geschäftsführung und weniger auf die Regulation zurück. In den Bergregionen sei es schwierig, Spielcasinos rentabel zu betreiben, ergänzte Brose. Dies habe er nach der Übernahme der Mehrheit am Spielbetrieb in Davos durch die Stadtcasino Baden AG festgestellt.
Jordan ergänzte auch, dass sich die ESBK der veränderten Situation sehr wohl bewusst sei. Die künftige Herausforderung für die ESBK und die Spielcasinos sei jedoch die geplante Totalrevision des Spielbanken- und Lotteriegesetzes. Diese beiden Gesetze sollen in einem neuen Geldspielgesetz zusammengefasst werden. Hierin sollen die Anforderungen für Lotterien ebenso geregelt werden wie die Bedingungen für Spielcasinos. Ebenfalls erlaubt werden sollen Internetcasinos. Die sehr gute schweizerische Demokratie bedinge aber einen langwierigen Gesetzgebungsprozess. Dies verunmögliche es der ESBK, weitgehende Anpassungen der Spielbedingungen möglich zu machen. Eine entsprechende Motion, die beim Bundesrat eingereicht wurde, sei derzeit blockiert.
Die unsicheren Aussichten und die fehlende Planbarkeit zukünftiger Erträge hat denn auch Christian Wildhaber dazu bewogen, das Engagement in Aktien der Casinobranche abzubauen. Es sei nicht mehr möglich, eine nachhaltige Gewinnentwicklung zu prognostizieren. Gerade dies sei jedoch für ihn das entscheidende Kriterium bei Investmententscheiden. Neben den zahlreichen externen Faktoren, welche die Branche belasten – hierbei nannte er explizit das Rauchverbot und die Erhöhung der Spielbankenabgabe -, spielten auch interne Faktoren eine grosse Rolle. Exemplarisch nannte er die Kongress + Kursaal Bern AG, die in den letzten Jahren 70 Mio. CHF investiert habe. Vor den in 2012 beendeten Umbaumassnahmen sei die Gesellschaft nahezu schuldenfrei gewesen, während sie nun Nettoschulden von 50 Mio. CHF aufweise. Bei einer aktuellen Marktkapitalisierung der Gesellschaft von 35 Mio. CHF stelle sich für ihn die Frage, wie die Investitionen rentabilisiert werden könnten. Ein Dorn im Auge sind für Wildhaber denn auch die Quersubventionierungen der anderen Geschäftssparten von Casinobetreibern, die oftmals defizitär seien. Besonders kritisch betrachtet Wildhaber die fehlende Transparenz in der Berichterstattung der Casinobetriebe. Lobende Worte fand er für die Kongress + Kursaal Bern AG, welche alle Spartenergebnisse offen im Geschäftsbericht ausweise. Kritik übte Wildhaber indessen an der Kursaal-Casino AG Luzern, welche das Cateringgeschäft mittels Erlösen aus dem Spielgeschäft subventioniert habe. Deren kürzlich erfolgter Ausstieg aus dem Cateringgeschäft begrüsste er hingegen sehr. Er hielt denn auch fest, dass die Aktien der Casinobetreiber von Bern und Baden aktuell sehr günstig bewertet seien. Sofern die Kostendisziplin fortgeführt werde, die regulatorischen Anforderungen zukünftig zugunsten der Casinos gelockert würden und die sich abzeichnende Konjunkturerholung Rückenwind für die Casinos bringe, sollten die Anleger wieder mehr Freude mit diesen Papieren haben.
Noch herrscht in der Branche grosse Unsicherheit vor. Internetcasinos, ausländische Betriebe und das illegale Glücksspiel belasten die Branche. Zudem warten die Betriebe auf die Entwürfe für das neue Geldspielgesetz, das 2018 eingeführt werden soll. Dies dürfte wieder mehr Planungssicherheit bringen. Bisher verlieren die Schweizer Casinos jedoch kontinuierlich Marktanteile an weniger oder gar nicht regulierte Spielangebote wie die Lotterien, das illegale Glücksspiel und ausländische Casinos. Ein nur wenig reguliertes Geschäft in der Glücksspielbranche stellen die Lotterien dar, die derzeit nur kantonal geregelt sind. Deren Aufsicht ist nur sehr rudimentär. Daniel Frei brachte es im Branchentalk auf den Punkt: Wenn die Aufsichtsstelle der Lotteriegesellschaften nur annähernd so gut arbeiten würde wie die ESBK, dann wäre er glücklich. Es zeichnet sich seinen Worten zufolge ab, dass der Kiosk von morgen eine Art kleines Casino werde. Sehr zu begrüssen ist, dass alle Branchenvertreter an einer einvernehmlichen Lösung interessiert sind. Selbst aus dem Kreis der oftmals gescholtenen Politiker, denen das Ziel, die Regulierungsdichte stetig auszubauen, nachgesagt wird, ist eine Bereitschaft zu Zugeständnissen zu erkennen. So fordert der am Branchentalk unter den Gästen anwesende Luzerner SVP-Nationalrat Felix Müri eine Lockerung der Bedingungen für Casinos. Die schweizerischen Betriebe müssten sich angesichts der Konkurrenz bewegen können.
Impressionen vom Branchentalk finden Sie unter http://nebenwerte.schweizeraktien.net/branchentalk/branchentalk-casinos/.
ist ja eigentlich schade, dass dieser talk einer so schwachen – und ethisch nicht einwandfreien – branche gewidmet wurde. anleger wären sicher mehr an den künftigen hoffnungsträgern interessiert, weniger an den problemkindern?
Danke für Ihren Kommentar. Als „Problemkind“ würde ich die Casinobranche nicht bezeichnen. Natürlich hat die Casinobranche strukturelle Herausforderungen, denen sie sich stellen muss. Aber vor ähnlichen Herausforderungen, sowohl regulatorisch als auch durch die Veränderung der Geschäftsmodelle (Internet-Einfluss), stehen derzeit auch andere Branchen. Namentlich die gesamte Finanzindustrie in der Schweiz ist ein solches „Problemkind“. Wir werden uns in den nächsten Branchentalks auch anderen Branchen widmen. Interessant sind für uns jedoch Branchen, die in einem Transformationsprozess stecken. Dazu gehört neben der Finanzindustrie auch die Medienindustrie und die Energiebranche.
Noch eine Nebenbemerkung zu der Frage, ob das Spielen „ethisch einwandfrei“ ist: diese Frage haben wir uns auch gestellt. Allerdings war für uns klar, dass der Schweizer Stimmbürger sich einmal für die Zulassung von Spielbanken entschieden hat. Durch hohe Auflagen und ein vorbildliches Sozialkonzept sollen die Folgen der Spielsucht gemindert werden. Daher stimmen u.E. nach hier die Rahmenbedingungen. Zudem profitiert der Steuerzahler von der Spielbankenabgabe. Immerhin kamen hier in den letzten zehn Jahren 4.4 Mrd. CHF zusammen, die grösstenteils direkt in die AHV geflossen sind und so jedem Stimmbürger zugute kommen.