Nachdem die Zur Rose AG für das erste Semester 2013 noch einen Verlust von 2.7 Mio. CHF publizieren musste, scheint das Unternehmen im 2. Halbjahr auf Kurs. Im Rahmen von vier Informationsveranstaltungen für Aktionäre berichtete die Geschäftsleitung, dass sowohl die in 2012 gekaufte deutsche Versandapotheke DocMorris mit Gewinn arbeite und auch im anfangs defizitären Geschäft mit der Drogeriemarktkette „dm“ in Deutschland der Turnaround gelungen sei. Insgesamt wird für 2013 ein Umsatz von 930 Mio. CHF erwartet (siehe Blog-Beitrag vom 14.11.). Im Gespräch äusserte sich CEO Walter Oberhänsli (Bild) zu den aktuellen Projekten und Wachstumsinitiativen.
Herr Oberhänsli, haben Sie das Verlustloch „dm“ in Deutschland endgültig geschlossen?
Zur Rose Deutschland hat im 2. Semester im Rahmen der Kooperation mit der Drogeriemarktkette „dm“ die Profitabilität erreicht. Unsere Investitionen zu Beginn des Jahres haben sich jetzt ausgezahlt. Durch die Aktionen bei „dm“ ist unsere Marke „Zur Rose“ deutschlandweit bekannt geworden. Wir zählen mittlerweile über 200’000 Kunden und konnten in diesem Jahr mehr als 140’000 Neukunden gewinnen. Dies ist ein grosser Erfolg, der auch die Basis für das künftige Wachstum von Zur Rose in Deutschland sein wird.
Sie sind im deutschen Markt mit den Marken „Zur Rose“ und gleichzeitig „DocMorris“ unterwegs und betreiben Logistikzentren im niederländischen Heerlen, im deutschen Halle und in Tschechien. Ist das nicht etwas zu viel?
Wir haben im Sommer bereits angekündigt, dass wir unsere Kräfte im Deutschlandgeschäft bündeln werden. Dies führt auch dazu, dass wir unsere Standorte evaluieren. Im ersten Quartal 2014 wollen wir Klarheit haben und darüber entscheiden, wie wir uns definitiv aufstellen.
Sie planen derzeit den Neubau eines Logistikgebäudes im niederländischen Heerlen. Wie weit sind Sie hier, und welche Kosten sind damit verbunden?
Im März 2014 wollen wir mit dem Bau beginnen. Allerdings werden wir den Bau nicht selber finanzieren, sondern sind hier im Gespräch mit Drittinvestoren. Ob wir das Gebäude mieten oder leasen, steht derzeit noch nicht fest. Der Neubau wird uns daher, mit Ausnahme der Mietzinsen oder der Leasingraten, nicht belasten. Im Gegenteil: Wir erwarten Kosteneinsparungen von netto etwa 2 Mio. CHF durch die Automatisierung der Logistik ab dem Jahr 2015.
DocMorris ist seit der Gründung jährlich um rund 12% gewachsen. Nach einem Dämpfer in 2012 durch die Einführung der Software SAP konnte der Umsatz in den ersten neun Monaten schon wieder um 2.9% zulegen. Mit welchen jährlichen Wachstumsraten rechnen Sie für DocMorris in den kommenden Jahren?
Wir wären sehr froh, wenn wir hier im Schnitt 3% erreichen könnten. Wichtiger als der Fokus auf das reine Umsatzwachstum ist uns allerdings ein profitables Wachstum. Wir rechnen damit, dass die Profitabilität durch die Synergien in Einkauf und Logistik nicht nur für DocMorris, sondern auch für die gesamte Gruppe zulegen wird. Allerdings sehen wir auch in anderen Geschäftsbereichen deutliches Potenzial für Umsatzsteigerungen.
Um welche Bereiche handelt es sich dabei?
Neben der „dm“-Kooperation wollen wir mit Zur Rose in Deutschland mit dem elektronischen Rezept wachsen. Dazu haben wir mit 300 Patienten des Schmerz-Zentrums Berlin einen Pilot-Betrieb für das von uns entwickelte elektronische Rezept abgeschlossen. Wenn wir mit dem elektronischen Rezept Anfang nächsten Jahres in den Roll-out gehen, könnten wir in drei Jahren zusätzliche Umsätze von 60 bis 75 Mio. EUR erreichen. Im Deutschland-Geschäft verfügen wir mit dem elektronischen Rezept über eine Pionierstellung.
Wo sehen Sie Wachstumsmöglichkeiten für das eher stagnierende Schweizer Geschäft?
Unser Schweizer Ärztegeschäft entwickelt sich stabil und ist eine wichtige Stütze. Potenzial sehen wir im Versand und insbesondere im Bereich Specialty Care. Darunter wird die Behandlung chronisch kranker Patienten verstanden. Unser Dienstleistungsangebot reicht hier von der automatischen Rezepterneuerung bis zum Homecare, wo professionelle Pflegekräfte beim Kunden vor Ort die Medikation übernehmen. Heute setzen wir im Specialty Care-Bereich nur etwa 5 Mio. CHF um. Das Potenzial liegt für zur Rose bei rund 100 Mio. CHF. Allerdings werden wir dies nicht so schnell erreichen können. Wir rechnen aber im nächsten Jahr bereits mit 10 Mio. CHF Umsatz aus dem Bereich Specialty Care. Weiteres Potenzial sehen wir allgemein im Einsatz neuer Technologien, wo wir unter Hochdruck an innovativen Lösungen arbeiten oder diese bereits lanciert haben.
Sie haben 170’000 Aktien aus dem Eigenbestand bei Investoren platziert. Welche Veränderungen hat es im Aktionariat gegeben?
Sie werden verstehen, dass wir die Namen der neuen Aktionäre nicht veröffentlichen. Aufgrund unserer Statuten werden jedoch nur Aktionäre bis zu einem Anteil von 3% an der Zur Rose AG eingetragen, da uns eine breite Streuung wichtig ist. Sie könnend daher davon ausgehen, dass wir die Aktien bei mehreren und langfristig orientierten Investoren platziert haben.
… die vielleicht auf einen Börsengang warten.
Für uns ist es wichtig, dass wir nun unsere Hausaufgaben machen und das Unternehmen auf eine solide Basis stellen. Wenn wir dies erreicht haben, können wir auch über weitere Dinge wie einen Börsengang nachdenken. Allerdings ist es auch wichtig, auf unsere Unternehmens-DNA zu schauen. Denn wir sind auch heute noch unseren Aktionären, die zu einem beachtlichen Teil auch unsere Kunden sind, verbunden.
Der Schreck für die Aktionäre war gross, als die Zur Rose-Gruppe Ende August eine Gewinnwarnung für das laufende Geschäftsjahr publizierte. Nach den jüngsten Informationen scheinen die Anlaufschwierigkeiten im Rahmen der „dm“-Kooperation behoben zu sein, und auch das Geschäft bei der neuen Tochter DocMorris entwickelt sich plangemäss. Ob dies reicht, um noch in 2013 einen Gewinn ausweisen zu können, ist derzeit noch offen. Hinzu kommt, dass die Neuorganisation des Deutschlandgeschäftes und hier insbesondere die Standortentscheidungen nochmals Restrukturierungskosten nach sich ziehen könnten, welche die laufende oder auch die kommende Jahresrechnung belasten dürften. Anleger, welche in eine Zur Rose-Aktie investieren, sollten daher vor allen Dingen die mittelfristige Entwicklung des Unternehmens im Auge behalten. Sollte es dem Unternehmen gelingen, ab 2015 einen Umsatz von 1 Mrd. CHF und EBITDA-Margen von 2.5 bis 3% (siehe Blog-Beitrag vom 14.11.) erreichen zu können, sind auch Gewinnausweise deutlich über dem Niveau der früheren Jahre von 8.7 Mio. CHF nicht unrealistisch. Ein grosses Risiko bleibt weiterhin die sich laufend ändernde Regulation im Gesundheitsbereich. Bei Kursen um die 25.50 CHF, die unter dem Buchwert von 26 CHF pro Aktie liegen, ist die Aktie angesichts des sich abzeichnenden Wachstumspotenzials für risikofreudige Anleger mit einem mittelfristigen Fokus jedoch weiterhin interessant.
Auszug aus dem CEO-Interview mit Herrn Oberhänsli vom 27.11.2013:
„(…) Sie sind im deutschen Markt mit den Marken “Zur Rose” und gleichzeitig “DocMorris” unterwegs und betreiben Logistikzentren im niederländischen Heerlen, im deutschen Halle und in Tschechien. Ist das nicht etwas zu viel?
Wir haben im Sommer bereits angekündigt, dass wir unsere Kräfte im Deutschlandgeschäft bündeln werden. Dies führt auch dazu, dass wir unsere Standorte evaluieren. Im ersten Quartal 2014 wollen wir Klarheit haben und darüber entscheiden, wie wir uns definitiv aufstellen. (…)“
Diese Ende November im Gespräch mit schweizeraktien.net skizzierte Evaluation der Standorte führt bereits zum Ende des laufenden Geschäftsjahres 2013 zu konkreten Ergebnissen. Im Rahmen einer neuen Standortstrategie wird der Logistikbetrieb im tschechischen Česká Lípa zum 31. März 2014 eingestellt, wie die Zur Rose-Gruppe heute am 27.12.2013 meldete:
http://zurrose.com/index.php?id=1427
Mit der Umsetzung reduziert die Zur Rose-Gruppe die Anzahl Logistikstandorte von vier auf drei. Das Versandgeschäft der Marken DocMorris, Zur Rose und VfG für die Märkte Deutschland und Österreich wird ab Anfang April 2014 von den Standorten Heerlen (NL) und Halle an der Saale (DE) aus betrieben.
Die Restrukturierung der Standorte und die nunmehr beschlossene Schliessung von Česká Lípa – so erhalten etwa 46 betroffene Mitarbeiter eine Abfindung – dürften auch die Jahresrechnung 2014 nochmals belasten, auch wenn der Entscheid aus einer längerfristigen strategischen und finanziellen Perspektive angesichts der Aufstellung der Gruppe im Markt gut nachvollziehbar ist. Längerfristig sollte die Schliessung des vierten Logistikzentrums und die Konzentration auf die verbliebenen drei Standorte – einer in der Schweiz für die Schweiz, zwei in der EU (NL / D) für Deutschland und Österreich – gerade auch für die Aktionäre vorteilhaft sein.
Thorsten Grimm, 27.12.2013, Grisonia Consult GmbH