Rund um den Vierwaldstättersee, der Heimat der SGV AG, liegen zahlreiche geschichtsträchtige Orte, um die sich seit Jahrhunderten viele Legenden ranken. Die Geschichte des tapferen Freiheitskämpfers Wilhelm Tell, die in der Zentralschweiz und am Vierwaldstättersee spielt, ist dabei ein weit über die Schweizer Landesgrenzen hinaus bekannter Mythos und Pflichtlektüre vieler Schülergenerationen auch im benachbarten Ausland. Friedrich Schiller brachte das Drama „Wilhelm Tell“ und auch den Rütlischwur 1804 mit der Uraufführung am Weimarer Hoftheater erstmals auf die grosse Bühne und ins Bewusstsein einer breiteren europäischen Öffentlichkeit. So erstaunt es nicht, dass die Zentralschweiz mit dem in vielerlei Hinsicht bei jedem Wetter spektakulären Vierwaldstättersee bis heute oft als „Wiege der Eidgenossenschaft“ bezeichnet wird. Die Flotte der SGV ist dabei ein wichtiger Schlüssel, um die Dramaturgie dieser „Tell’schen Landschaften“ auf dem Seewege zu erschliessen und auch hautnah – etwa bei einer Fahrt durch den fjordartig eingeschnittenen Urnersee entlang der schroffen Feldwände – auf eindrückliche Weise zu erfahren.
Hätte es die fünf Dampfschiffe und 14 Motorschiffe unterschiedlicher Grössenklassen – einschliesslich eines eleganten Katamarans und einer Panorama-Yacht – schon bei den alten Eidgenossen gegeben, so wären diese schmucken Boote auch das bevorzugte Fortbewegungsmittel von Wilhelm Tell und seinen Weggefährten gewesen. Doch die Erben Wilhelm Tells mussten mehr als 500 Jahre warten, ehe der Kaufmann Casimir Friedrich Knörr 1835 die Luzerner mit den Gründungsabsichten einer Dampfschiffgesellschaft überraschte. Nur zwei Jahre später, am 24. September 1837, machte der Dampfer „Stadt Luzern“ seine Jungfernfahrt. In den folgenden Jahrzehnten wurden weitere Dampfschiffgesellschaften gegründet und es tobte ein unerbittlicher Konkurrenzkampf auf dem See. Auch gab es viele politische Auseinandersetzungen rund um die Schifffahrt auf dem Vierwaldstättersee, da der See damals – anders als heute – noch ein bedeutender Handelsweg auf dem Weg nach Süden gewesen ist. 1870 schlossen sich die beiden ältesten Unternehmen zur „Vereinigten Dampfschiffgesellschaft des Vierwaldstättersees“ zusammen. 1885 wurde der Name in „Dampfschiffgesellschaft des Vierwaldstättersees“ (DGV) abgeändert. 1960 erfolgte eine weitere Umbenennung in den bis heute gültigen Namen „Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees“ (SGV). Das heute älteste Schiff der SGV-Flotte ist das bereits 1901 gebaute DS Uri, gefolgt von DS Schiller (1902). Heute hat sich die Traditionsgesellschaft zu einem der bedeutendsten touristischen Leistungserbringer der Zentralschweiz entwickelt.
Mit dem Aktionärsbrief vom November 2013 informierte die SGV über den aktuellen Geschäftsgang und ihre „ertragsorientierte Expansionsstrategie in den drei Geschäftsbereichen touristische Schifffahrt, Gastronomie und Schiffstechnik„. Dazu wurde per 1. Januar 2013 ein neues Unternehmensmodell mit den drei Unternehmen SGV AG (Schifffahrt), Tavolago AG (Gastronomie) und Shiptec AG (Schiffstechnik) in Kraft gesetzt. Ziel der SGV-Gruppe ist es, alle Investitionen aus selbst erarbeiteten Mitteln zu finanzieren. Im Herbst 2013 wurde vom Verwaltungsrat unter dem Präsidium des Luzerner Unternehmers Hans-Rudolf Schurter der Bauentscheid für ein neues, grosses Passagierschiff mit einem Investitionsvolumen von 13.5 Mio. CHF getroffen, das 1’000 Passagieren Platz bietet. Die Inbetriebnahme ist nach fast dreijähriger Bauzeit für Frühling 2017 geplant. Geplant und gebaut wird das Schiff von der hauseigenen Shiptec AG, die Gestaltung übernimmt ein renommiertes Designbüro aus Bremerhaven (D). Das obige Projektphoto vermittelt einen Eindruck vom neuen Passagierschiff.
2013 dürfte der Umsatz nach zuletzt wachstumsstarken Jahren im Bereich der Vorjahresumsätze (2012: 62 Mio. CHF) stagnieren. Der Vorjahres-EBITDA von etwa 8 Mio. CHF dürfte nach den aktuellen Prognosen der Geschäftsleitung dabei wieder erreicht werden.
Die SGV AG zeigt sich mit dem voraussichtlichen 2013-Ergebnis angesichts der „meteorologisch äusserst unbefriedigenden ersten Saisonhälfte und dem weiterhin anspruchsvollen wirtschaftlichen Umfeld“ sehr zufrieden. Die Sanierung der Pensionskasse dauert immer noch an und könnte sowohl das aktuelle wie auch künftige Jahresergebnisse belasten, doch kann die Höhe künftiger Belastungen zum jetzigen Zeitpunkt seitens der SGV AG noch nicht abgeschätzt werden. Daneben orientiert die Gesellschaft mit dem Aktionärsbrief auch über aktuelle Änderungen bei der Aktionärs-Wertkarte, einer weiteren Variante der im OTC-Sektor nicht seltenen Naturaldividenden. Insgesamt blickt die SGV AG zum Jahresausklang zuversichtlich in die Zukunft.
Aus der Historie der Gesellschaft gibt es zwei Aktiengattungen: Prioritätsaktien (Valoren-Nr. 227.567, letzter Kurs 4.12.2013: 200 CHF, kein Brief-Kurs) sowie Stammaktien (Valoren-Nr. 227.565, letzter Kurs 4.12.2013: 200 CHF, kein Brief-Kurs), alle auf den Namen lautend. Ausstehend sind 31’100 Prioritätsaktien zu CHF 250 nominal sowie 10’296 Stammaktien zu CHF 1.00 nominal, so dass sich eine OTC-Kapitalisierung von aktuell 8.3 Mio. CHF ergibt. Damit gehört die Gesellschaft zu den kleinkapitalisierten Gesellschaften im OTC-Markt. Entsprechend wenig liquide ist der Handel, insbesondere bei den Stammaktien. Oft gehen nur sehr wenige Einzelaktien um und für einen etwaigen „Positionsaufbau“ bedarf es Geduld. Die Prioritätsaktien haben aktuell gegenüber den Stammaktien – solange die Gesellschaft keine Dividenden bezahlt – den theoretischen Vorteil eines doppelten Stimmrechts, was in der Praxis ohne Relevanz ist. Die Gesellschaft zahlt keine Bardividenden und es dürften auch in den nächsten Jahren angesichts grosser Investitionen in die Flotte realistischerweise keine Bardividenden entrichtet werden. Dafür erhalten die Aktionäre – wie branchenüblich – attraktive Naturaldividenden, die im konkreten Fall der SGV AG nach der Höhe des Anteilsbesitzes gestaffelt sind. Sollte die Generalversammlung in der Zukunft doch – was heute nicht erkennbar ist – wieder einer Dividendenausschüttung an die Aktionäre zustimmen, würden nur die Prioritätsaktien bedient. Die „Liebhaber-Titel“ sind sehr breit gestreut im überwiegend regionalen Publikum und eignen sich in der Praxis nur für Aktionäre mit einem ausgeprägten Faible für Lokalwerte und Bezug zur Zentralschweiz, die auch die Naturaldividenden nutzen und so die Heimat Tells vom Wasser aus entdecken können. Im (sehr) übertragenen Sinne sind auch die Aktien der SGV ein klassisches „Wilhelm Tell-Investment“: Die langfristige (Reise-)Freiheit, auch jene der kommenden Generationen, siegt hier über die kurzfristige Macht der Rendite… Würde Wilhelm Tell heute noch unter uns weilen, so wäre auch er Aktionär der Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees AG – und regelmässiger Fahrgast auf den Schiffen.
Thorsten Grimm, Grisonia Consult GmbH, 9. Dezember 2013, info@grisonia.ch
Transparenzhinweis: Der Grisonia Consult GmbH nahestehende Personen sind Aktionäre der SGV AG.