Immer wieder starten kleinere Banken den Versuch zu wachsen, indem sie aus ihrem Stammgebiet ausbrechen und neue Kunden in angrenzenden Regionen oder gar der ganzen Schweiz gewinnen wollen. Auch der Verwaltungsrat der kleinen Spar+Leihkasse Riggisberg (SLR) hatte sich vor drei Jahren zum Ziel gesetzt, aus der vorwiegend lokal verankerten Bank mit einer Bilanzsumme von 470 Mio. CHF die viertgrösste Regionalbank im Kanton Bern zu formen. Für diese Aufgabe wurde Andreas Petrikis engagiert, der als Nachfolger des langjährigen Bankleiters Ernst Hirsig ab 2011 für die Mitgestaltung des Wachstumskurses als neuer Vorsitzender der Geschäftsleitung verantwortlich war. Ein neuer Internetauftritt, Werbespots mit Musiklegenden wie Polo Hofer und andere Marketingmassnahmen sollten dazu beitragen, den Bekanntheitsgrad der SLR zu steigern. Auf das Ausleihungswachstum hatte dies positive Auswirkungen: Die Ausleihungen wuchsen 2012 um mehr als 14% auf 389 Mio. CHF (siehe untenstehende Grafik). Trotz der mit einem aggressiven Wachstumskurs verbundenen Risiken, deren sich die Gremien der SLR laut Aussagen im Geschäftsbericht 2012 „bewusst seien“, bestätigte die Bank in diesem Bericht ihren Kurs. „Die SLR verfolgt auf Unternehmensebene weiterhin eine Wachstumsstrategie, hat sich in Bezug auf den Wettbewerb für eine Differenzierungsstrategie entschieden und wird sich in der Marktbearbeitung auf die Bereiche Markt- und Produktentwicklung sowie Diversifikation konzentrieren“, heisst es dort im Februar 2013. Knapp acht Monate später ist die vermeintliche Erfolgsstory am Ende: Andreas Petrikis verlässt die SLR Ende Oktober 2013 wegen „unterschiedlicher Auffassungen über die Unternehmensführung“, so eine Medienmitteilung. Mit der Publikation des Jahresabschlusses 2013 zeigt sich aber, dass die kleine Bank mit dem aggressiven Expansionskurs offenbar überfordert war. Das Resultat ist ein um 20% tieferer Bruttogewinn von 2.5 Mio. CHF, ein Zwischenergebnis von Minus 7.3 Mio. CHF und Wertberichtigungsbedarf von 9.4 Mio. CHF, der nur mittels Auflösung von stillen Reserven in Höhe von 8.7 Mio. CHF gedeckt werden konnte. Unter dem Strich verblieb ein Gewinn von 1.15 Mio. CHF (siehe Geschäftsbericht 2013). Der Generalversammlung am 8. März 2014 soll die Ausschüttung einer gleichbleibenden Dividende von 125 CHF je Aktie vorgeschlagen werden.
Doch was ist genau schief gelaufen, bei der Umsetzung der Wachstumspläne im Gantrischgebiet? Felix Graber, der im Oktober 2013 die Geschäftsleitung interimistisch übernommen hat, versucht angesichts des hohen Wertberichtigungsbedarfs etwas zu relativieren. Bei den 9.7 Mio. CHF handle es sich nicht nur um Geschäfte, bei denen mit Ausfällen gerechnet werde. Die SLR habe vielmehr aus Vorsichtsgründen Rückstellungen in dieser Höhe gebildet. Graber gibt sich überzeugt, dass die Bank die gebildeten Rückstellungen nicht in vollem Umfang benötige, da der Anteil der gefährdeten Forderungen wesentlich kleiner ist. Dass die Wachstumspläne nicht so aufgegangen seien, wie es sich die damaligen Geschäftsleitung und der VR erhofft hätten, hänge aber nicht nur mit den getätigten Geschäften zusammen. „Die ganze Organisation war nicht für derartige Schritte ausgelegt und daher teilweise auch überfordert“, erklärt Graber. Interne Kontrollsysteme hätten versagt. Dies erklärt auch, warum Mitarbeiter wie der langjährige Kommerzchef Jürg Stettler das Unternehmen verlassen hätten. Felix Graber ist jedoch zuversichtlich, dass die SLR nach der Bereinigung der schwierigen Situation mit einer neuen Führung und dank der soliden Bilanz (Eigenmitteldeckungsgrad: 227%) auch künftig erfolgreich sein wird. Allerdings werde 2014 nochmals ein Übergangsjahr, so das Interimschef. Klar sei aber auch, dass die Bank nun einen Gang zurückschalten müsse und sich auf das Kerngebiet konzentrieren werde. „Das Geschäft im Radius von 30 Kilometern haben wir im Griff“, sagt Graber. In diesem Gebiet wolle die Bank auch in Zukunft wachsen, aber nicht um jeden Preis. Die jährliche Wachstumsrate liegt bei 4 bis 5%. Felix Graber weiss, wovon er spricht, hat er in den letzten 10 Jahren nicht weniger als drei Regionalbanken interimistisch geleitet und dabei die jeweiligen Banken stabilisiert und auf den Erfolgspfad zurückgeführt.
Wenn Banken im Teich der anderen fischen gehen, kann dies ganz schnell schief gehen. Zu gross ist die Gefahr, dass eine neue Bank in einer ihr weniger vertrauten Region nur die schlechten Geschäfte erhält, die von vor Ort vertretenen Banken verschmäht wurden. Das musste die Glarner Kantonalbank (GLKB) im Jahr 2008 schmerzhaft erfahren, als der umtriebige GLKB-Chef Bernt Arpagaus durch eine grosszügige Kreditvergabe in Nachbarkantonen faule Kredite in Höhe von 64 Mio. CHF anhäufte. Verwaltungsrat und Geschäftsleitung wurden seinerzeit ausgewechselt und der Kantonalbank ein Neustart verpasst. Ganz so schlimm sieht es in Riggisberg und dem Gantrischgebiet nicht aus. Dennoch bleiben nach dem Weggang von Petrikis auch Veränderungen im VR nicht aus. So werden VR-Präsident Urs Stoller an der GV zurücktreten und auch Walter Steiner nicht mehr zur Wahl antreten. Stattdessen sollen die Aktionäre Erika Ingold-Schmutz und Thomas Hirsig neu in den VR wählen. Mit diesem Wechsel auf Stufe Verwaltungsrats initiiert die Bank den Generationenwechsel und stärkt ihre Corporate Governance. Der Aktienkurs hat binnen Jahresfrist um knapp 20% verloren. Die Namenaktien der Gesellschaft werden derzeit zu Kursen um die 6’100 CHF auf OTC-X gehandelt. Bei einem Buchwert von 11’289 CHF je Aktie beträgt der Kurs knapp die Hälfte des Buchwertes. Auch die Dividendenrendite von 2.1% ist mit anderen Regionalbank-Aktien vergleichbar. Nachdem die kritischen Positionen durchleuchtet wurden und nun auf dem Tisch liegen, dürfte der Aktienkurs auf dem aktuellen Niveau seinen Boden gefunden haben. Sofern sich das Geschäft wieder stabil entwickelt und keine neuen Ungereimtheiten auftauchen, könnte die Aktie ihren vergleichsweise hohen Discount zum Buchwert wieder etwas abbauen.
Quelle: Geschäftsberichte SLR 2003-2013
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Sehr geehrter Herr Zern
Die Dividende beträgt CHF 125.– und nicht nur 25.–. ansonsten finde ich die Analyse sehr zutreffend.
Vielen Dank für den Hinweis. Wir haben dies korrigiert. Es sind 25% vom Nominalwert, also 125 CHF je Aktie.
Der Geschäftsabschluss 2013 der Spar + Leihkasse Riggisberg darf und kann nicht unkommentiert beiseite gelegt werden. Vor gut drei Jahren hat der Verwaltungsrat eine Strategie des Wachstums abgesegnet. Daraus resultiert nun ein Wertberichtigungsbedarf mit einem happigen Betrag von CHF 9.5 Mio., der aus akquirierten Kredit- und Hypothekarpositionen resultiert, die seit Jahren nicht mit der nötigen Sorgfalt bearbeitet und überwacht wurden.
Es gehört zum Allgemeinwissen eines jeden Verwaltungsrats einer Regionalbank, dass Wachstum über die angestammte Region hinaus ohne Bezugspersonen oder Filialen vor Ort immer zum Scheitern verurteilt ist. Ich kenne keine Bank, die mit solch unkontrolliertem Wachstum jemals Erfolge erzielen konnte. Im Gegenteil – die Beispiele des Scheiterns aus den letzten 200 Jahre Regionalbankengeschichte sind enorm lang, die SLR „schmückt“ nun das Ende dieser Liste.
Dabei gibt es genügend aktuelle, positive Beispiele, u. a. mit der Spar + Leihkasse Frutigen oder der Bank Küttigen-Erlinsbach. Letztere hat sogar zusätzlich noch eine Diversifikationsstrategie erfolgreich umgesetzt.
Dass der Verwaltungsrat der SLR im Wissen um die Gefahr des Scheiterns eine solch fatale Strategie unterstützte und alle Vorsicht über Bord warf, lässt nur den Schluss eines grob fahrlässigen und verantwortungslosen Handelns zu. Die Verantwortlichen haben der Regionalbankengruppe grossen Schaden zugefügt, und es wird einige Zeit benötigen, bis wieder Vertrauen in die Aussagen der Präsidenten, dass sie überaus vorsichtig in der Kreditfrage handeln, zurückgewonnen werden kann.
Wenn über die Hälfte der Mitarbeiter im Jahr 2013 die Bank verlassen hat, zeugt dies von einem unguten Gefühl des Personals, das schon wesentlich früher eingesetzt haben muss und bestärkt den Eindruck, dass der Verwaltungsrat wohl keinen Draht zu den Mitarbeitern besass, um die negative Entwicklung rechtzeitig zu stoppen.
Der gesamte Verwaltungsrat der SLR hat auf der ganzen Linie versagt und seine Aufsichtspflichten sträflich vernachlässigt. Die interne Kontrollstelle war inexistent und die Testate der Revisionsstelle waren das Papier nicht wert auf dem sie gedruckt wurden.
Wie ich der Einladung zur Generalversammlung entnehme, treten nur zwei Mitglieder, nämlich Präsident Urs Stoller und Dr. Walter Steiner, aus diesem Gremium zurück. Eigentlich sollte der gesamte Verwaltungsrat demissionieren, wobei dies, auch um die Kontinuität zu wahren, gestaffelt in den Jahren 2014 und 2015 erfolgen kann, um danach mit neuen Verwaltungsräten die Aufräumarbeiten fortsetzen zu können.
Dass sich ein Verwaltungsrat, der dieses Debakel mitverursacht hat, zur Wiederwahl stellt, ist in meinen Augen ein Affront gegen die Aktionäre.
Es wäre ein ebenso verantwortungsloses Verhalten, wenn die Aktionäre diesem Verwaltungsrat an der kommenden Generalversammlung Entlastung erteilen würden.
Auch an der Generalversammlung der SLR vom 8. März wurden die Fehler der Vergangenheit nochmals diskutiert. Anwesend waren 332 Aktionäre mit insgesamt 1’394 Stimmen. Mehrere Voten, darunter auch die von Fritz Ruprecht, fielen für den VR niederschmetternd aus. Der Unmut der Aktionäre zeigte sich auch im anschliessenden Abstimmungsergebnis: Die Décharge für den VR wurde nur mit 773 Ja-Stimmen gegen 406 Nein-Stimmen und 122 Enthaltungen angenommen.