Der Jahresabschluss 2013 der NZZ Mediengruppe hinterlässt beim Aktionär wie beim unabhängigen Beobachter gemischte Gefühle. Im Rahmen unserer „Favoriten-Serie“ zum Jahresanfang hatten wir die NZZ-Aktie bei Kursen um 5’350 CHF als einen der Favoriten 2014 auserwählt und unter Hinweis auf die grosse Substanz des Unternehmens und die vergleichsweise (sehr) günstige Bewertung des klassischen Print-Geschäfts bei einem sich gleichzeitig abzeichnenden digitalen und organisatorischen Neubeginn auf den Thron gehoben.
Das 1. Quartal 2014 liegt nun hinter uns. Im Kern sind wir immer noch überzeugt, dass die NZZ-Aktie im OTC-Sektor eine gute Wahl ist, wenngleich sich der Kurs in den letzten Wochen – nach zwischenzeitlichen Frühlingsgefühlen, die den Kurs auf über 6’000 CHF trieben – merklich abgeschwächt hat. Von Mitte Januar bis Mitte März 2014 notierte die NZZ-Aktie im OTC-X-Aktienhandel der Berner Kantonalbank (BEKB) oberhalb von CHF 6’000 mit einem Hoch bei 6’250 CHF (25.02.2014). Zuletzt wurde die NZZ-Aktie aber um 5’500 CHF gehandelt (15.04.2014) und damit „nur“ gut um 2.8% über Kurs zum Jahresanfang.
Für die kurzfristige Trendwende beim Aktienkurs und deutliche Kursrückgänge um gut 10% sorgte diesmal erstaunlicherweise die Gesellschaft selbst, als sie Mitte März 2014 – überraschend für die meisten Marktteilnehmer – ankündigte, die in Gewinnzeiten bisher weitgehend stabile und während dreier Jahre auch unveränderte Dividende von zuletzt 200 CHF (2012) um satte 50% auf nur noch 100 CHF (aktuelle Rendite: 1.8%) zu kürzen.
Dass die von uns erst im Januar 2014 skizzierte „Handschrift“ des erst seit Anfang Oktober 2013 amtierenden neuen CEO Veit Dengler auch eine Dividendenkürzung um die Hälfte beinhaltet, hatten wir beim Blick in die Neujahrs-Kristallkugel ehrlicherweise nicht auf der Rechnung. Wir sind in unseren Gedankenspielen mindestens von einer konstanten Dividende ausgegangen – die angesichts der Substanz übrigens auch jederzeit möglich wäre.
Die operativen 2013-Zahlen der NZZ-Gruppe waren – und das ist das eigentlich Paradoxe an der vorliegenden Situation beim Aktienkurs – sogar besser, als wir es erwartet hatten. Aus einem Betrieblichen Gesamtertrag von 482 Mio. CHF (-7%) erwirtschaftete die NZZ-Mediengruppe in einem unverändert schwierigen Umfeld für Medienkonzerne mit einem starken Standbein im Print-Geschäft eine EBIT-Marge von respektablen 6.3% (Vj. 7.3. %) oder 30.6 Mio. CHF. Der Reingewinn lag bei gut 18 Mio. CHF oder 450 CHF/Aktie, woraus ein aktuelles KGV von lediglich 12 bei einem Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) von 0.6 (Buchwert: 8’920 CHF/Aktie) resultiert. Der Eigenfinanzierungsgrad erreicht zum Jahresende 2013 beachtliche 74.2%, und der Cashflow aus Geschäftstätigkeit liegt – bei einer Marktkapitalisierung von z.Zt. 220 Mio. CHF – mit +51.1 Mio. CHF nur unwesentlich (-1.8%) unter dem Vorjahr. „Teuer“ ist etwas anderes. Die NZZ-Aktie bleibt somit eine substanzstarke- und – gemessen am aktuellen Kursniveau – unverändert ertragsstarke Aktie, auch wenn die letzten Medienmitteilungen – möglicherweise etwas „eingefärbt“ – deutlich eingetrübte Perspektiven aufzeigen und die Risiken der Marktveränderungen höher zu gewichten scheinen als deren Chancen.
Erstaunlich ist die Dividendenkürzung auf eine Ausschüttungssumme von noch 4 Mio. CHF (40’000 Aktien à 100 CHF) auch vor dem Hintergrund, dass die Muttergesellschaft „AG für die Neue Zürcher Zeitung“ im Geschäftsjahr 2013 ein gleichbleibendes Unternehmensergebnis von 27.8 Mio. CHF ausgewiesen und ihrerseits selbst moderat höhere Beteiligungserträge von 29.2 Mio. CHF vereinnahmt hat. Auch für 2014 dürften die Beteiligungserträge weitgehend stabil bleiben: Die Tochtergesellschaft LZ Medien Holding AG wird für das Geschäftsjahr 2013 eine leicht gekürzte Dividende von 80 CHF (Vorjahr: 90 CHF) und die St. Galler Tagblatt Medien AG sogar eine gleichbleibende Dividende von 115 CHF je Aktie auszahlen.
Die von der Verwaltung jetzt unter Hinweis auf „künftige Herausforderungen“ vorgeschlagene Dividendenkürzung wird dieser guten, ja sogar hervorragenden operativen Leistung der NZZ-Belegschaft nicht gerecht und rückt diese auch – insbesondere unter dem Eindruck der vorhandenen Substanz, die sogar höhere Ausschüttungen erlauben würde – unnötigerweise in ein fahles Licht. Die Dividendenpolitik – die man selbst beeinflussen kann – wirft so einen Schatten auf die eigentlich guten Ergebnisse der NZZ-Mediengruppe.
Wir hätten es begrüsst, wenn die Verwaltung ungeachtet aller anstehenden Herausforderungen die Dividende mindestens auf dem Niveau des Vorjahres (200 CHF) belassen hätte, anstatt diese mit der sprichwörtlichen „Axt im Hause“ um die Hälfte zu kürzen. So wird ein falsches Signal in den Markt ausgesandt, längst nicht nur in den Kapitalmarkt. Die reichlich vorhandene, gewachsene Substanz der Gesellschaft, einschliesslich der seit Jahren aussergewöhnlich hohen Liquidität (31.12.2013: 188.6 Mio. CHF), hätte auch eine höhere Dividendenausschüttung erlaubt. Zumindest „Dividendenkontinuität“, die mit Blick auf die Bilanz angezeigt ist, wäre ein sehr viel stärkeres Signal gewesen als die nun vorliegende „Dividendenschrumpfkur“: ein Signal zum Aufbruch und dass mit der NZZ künftig wieder verstärkt zu rechnen ist, digital genauso wie im Printgeschäft! So aber präsentiert sich die NZZ-Mediengruppe mit ihrer „gerupften“ Dividende beinahe – und ohne Not! – wie ein „Sanierungsfall“, der sie beim Blick in die Bilanz nicht ist. Oder soll die „Sanierung“ der NZZ-Gruppe (und damit ihre „Sanierer“?) später womöglich in einem umso helleren Glanz erstrahlen, wenn dann dereinst auch die Dividenden wieder erhöht werden?
Mit der Thesaurierung der Gewinne und einer weiteren Anreicherung der Substanz auf einem bereits sehr starken Fundament steigt implizit auch die Gefahr, dass etwaige Akquisitionen in der Zukunft möglicherweise „überzahlt“ werden. Dies kann nicht im Interesse der Aktionäre sein, sollte aber auch nicht im Interesse aller Stakeholder der NZZ-Mediengruppe sein. Auch vor diesem Hintergrund erscheint die jetzt vorgeschlagene Dividendenkürzung um 50% zumindest überdenkenswert. Die NZZ-Bilanz bleibt stark, doch nehmen erfahrungsgemäss auch die Risiken zu, je stärker die Aktionäre „beschnitten“ werden und je länger diese Phase andauert.
Die diesjährige Generalversammlung findet am 26. April 2014 um 9.30 Uhr in Zürich statt (Kongresshaus). Ein weiteres Thema der Generalversammlung wird die Vinkulierungspraxis sein.
Transparenzhinweis: Dem Autor nahestehende Personen halten Aktien der Gesellschaft.