Branchentalk Regionalbanken: Chefs fühlen sich von Bankiervereinigung nicht vertreten

0
4552
Mit seinen pointierten Aussagen sorgte Markus Boss (rechts im Bild) immer wieder für spannende Momente bei den Diskussionsteilnehmern. Bild: Howard Brundrett
Mit seinen pointierten Aussagen sorgte Markus Boss (rechts im Bild) immer wieder für spannende Momente bei den Diskussionsteilnehmern. Bild: Howard Brundrett

Am Branchentalk Regionalbanken von „schweizeraktien.net“, der am 22. Mai in Zürich stattfand, wurden die Ergebnisse einer anonymen Umfrage unter den schweizerischen Regionalbanken publiziert. Von 58 befragten Direktoren haben 35 geantwortet, was einer hohen Rücklaufquote von 60% entspricht. Gut 70% der Direktoren sind der Meinung, dass sich das Umfeld für Regionalbanken in den letzten zehn Jahren verschlechtert hat. Noch weitaus eindeutiger waren die Antworten bei der Frage, ob sich die Regionalbanken von der schweizerischen Bankiervereinigung repräsentiert fühlen. Hier stimmten über 90% der Direktoren für ein Nein.

„Kleine Banken verfügen über keine Lobby“

Verwaltungsrat Joseph L. Rickenbacher sagte in der Podiumsdiskussion, dass die Vertreter der Bankiervereinigung keinerlei Bereitschaft zeigten, sich mit der Finma über die zukünftigen Regulierungen bei Hypotheken, dem wichtigsten Geschäftsfeld der Regionalbanken, auszutauschen. Rickenbacher betonte indessen auch, dass der Finma teilweise die Hände gebunden seien. Die Finma sei nur ausführendes Organ der vom Gesetzgeber erlassenen Regulierungen und müsse die Einhaltung dieser Vorschriften überprüfen. Allerdings suche man im Gespräch mit den Banken, eine für alle verträgliche Lösung zu finden. Dies bestätigte auch der Direktor der Regiobank Solothurn, Markus Boss. Seine Bank habe mit der Finma vor rund zwei Monaten ein konstruktives Gespräch geführt. Allerdings sparte Boss nicht an Kritik und erklärte, dass er der Finma „nicht abnehme, dass sie im Zusammenhang mit den markanten Ausweitung der regulatorischen Vorschriften für die Regionalbanken nichts machen könnte“. Er bezeichnet es als übertrieben, was sein Haus als regional tätiges Institut alles unternehmen müsse, um die Regulatorien zu erfüllen. Das Problem liegt darin, dass die kleinen Banken über keine Lobby verfügen. Dies bestätigt auch Rickenbacher. Die Sitzungen mit der Bankiervereinigung seien in diesem Zusammenhang „in höchstem Rahmen unbefriedigend“.

In ein ähnliches Horn stiess Rolf Zaugg, der langjährige Verwaltungsratspräsident der Clientisbankengruppe und CEO der Clientis Zürcher Regionalbank.  Als Chef der grössten Bank im Clientis Konzern betonte er, dass die „Flut von Regulatorien“ nicht auf die Regionalbanken zurückgeführt werden könne. Die Regulierungen führten dazu, dass „die Kleinen auf der Strecke bleiben“. An einem Verschwinden von Regionalbanken habe die Finma kein Interesse, betonte Rickenbacher, der um eine entsprechende Unterstützung froh wäre. Allerdings reiche das Problem weit über die Schweiz hinaus und sei im internationalen Kontext zu suchen. Die Schweiz habe ihre Stimme als Finanzplatz verloren und müsse diese wieder finden. Allerdings könne sie sich dem allgemeinen internationalen Trend nach einer schärferen Regulierung nicht entziehen, führte der Finma-Verwaltungsrat in der Diskussion vor rund 70 Bankdirektoren und Investoren aus. Gleichzeitig müssen sich die Regionalbanken beim Lobbying „an die eigene Nase fassen“, fand Markus Boss von der Regiobank Solothurn. Es fehle den Instituten an einem einheitlichen Auftreten.

„Verankerung in der Region als wichtigstes Asset“

Bei der ganzen Debatte darf aber das wichtigste Asset der Regionalbanken nicht verloren gehen. Dies besteht gemäss Roman Heinimann, Bankanalyst beim auf Schweizer Aktien spezialisierten Vermögensverwalter Albin Kistler, aus den Kunden der Region und der starken Verankerung der Banken in der Region. Verschiedentliche Versuche von Regionalbanken, ausserhalb des eigenen Geschäftsgebiets zu wachsen scheiterten bzw. führten, wie das Beispiel der Spar- und Leihkasse Riggisberg zeigt, zu einem hohen Schaden. Die SLR expandierte in eine nur unweit vom Geschäftsgebiet entfernte Region und erlitt daraus einen hohen Wertberichtigungsbedarf von über 9 Mio. CHF (siehe Blog-Beitrag vom 26.02.14). Daher gilt unter dem Gros der Bankendirektoren das Credo, nur in der eigenen Region tätig zu bleiben, die man gut einschätzen kann und die man mit allen ihren speziellen Gepflogenheiten kennt.

„Viele Spielräume zur Kostenoptimierung“

Der Schuh drückt die Bankdirektoren besonders bei der Zinsmarge. So gaben in der Umfrage 73% der Bankenchefs an, dass sie mit einem weiteren Rückgang der Zinsmarge auf Jahresfrist rechnen. Deutlich besser schätzen die Direktoren die Lage in fünf Jahren ein, wo 84% eine höhere Zinsmarge erwarten. Bis in drei Jahren werde sich allerdings den Prognosen von 65% der Institute zufolge nichts an der tiefen Marge ändern. In der Diskussionsrunde wollten sich die anwesenden Bankenvertreter nicht auf eine Mindestmarge bei den Zinsen, die für die Banken notwendig ist, festlegen. Als exemplarisch kann die Aussage der Direktorin der Hypothekarbank Lenzburg, Marianne Wildi, angesehen werden, wonach keine Minimummarge benannt werden könne. Wildi betonte indessen, dass sie als Gechäftsleiterin eines börsenkotierten Unternehmens den Aktionären Rechenschaft ablegen müsse. Es gäbe viele Spielräume besonders bei den sogenannten „alten Zöpfen“ zur Kostenoptimierung. Als Beispiel nannte sie das teure Schaltergeschäft, dessen Funktionen ohne weiteres der Bancomat übernehmen könne. Dabei dürfe aber der Kunde nicht aus den Augen verloren gehen, und er müsse stets auch einen persönlichen Ansprechpartner haben. Wenn dies nicht mehr der Fall sei, dann sei das Geschäftsmodell der Hypothekarbank Lenzburg „out“. Eine Veränderung des Geschäftsmodells ist aber notwendig.

Rolf Zaugg erklärte, dass es auch für ihn keine Mindestzinsmarge gebe, es ihm aber Angst mache, wenn die Erträge nur stabil blieben. Zur Kompensation der Kosten benötigt eine Bank Wachstum. Doch gerade dieses sehe er im Hauptgeschäftsfeld Hypotheken zumindest deutlich zurückgehen. In den nächsten fünf Jahren erwartet er ein deutlich tieferes Plus als in den letzten Jahren. Joseph L. Rickenbacher warf ein, dass die aktuelle Situation dazu geeignet sei, dass Banken den Risikoappetit erhöhten und bei der Vergabe von Krediten ihre Kriterien aufweichen würden, um Geschäfte abschliessen zu können. Wenn keine Neugeschäfte abgeschlossen werden, geht der Gewinn der Banken angesichts der budgetierten weiteren Margenverengung zurück. Doch gerade dies ist für Markus Boss ein grosses Problem. Denn, wenn der Gewinn einer Bank über einige Jahre zurückgehe, dann würden die Kunden unzufrieden und die Bank sei „weg vom Fenster“. Zugleich müsse aber beim Gewinn der effektive Gewinn berücksichtigt werden, bestehend aus dem Reingewinn plus Abschreibungen und Wertberichtigungen. Die oftmals als wichtige Zahl angesehene Cost/Income-Ratio (CIR) sei wenig aussagekräftig. So könne eine Bank eine hervorragende CIR ausweisen, aber einen sehr hohen Wertberichtigungsbedarf haben, da die Wertberichtigungen erst nach Ermittlung des für die CIR massgebenden Bruttogewinns, d.h. Erträge abzüglich Geschäftskosten, zu Buche schlagen.

„Sehr hohe Preise für Mehrfamilienhäuser“

Rickenbacher ergänzte hierzu, dass er eine erhöhte Risikobereitschaft der Banken bei der Vergabe von Immobilienkrediten sehe. Er hoffe auf ein soft landing, will aber Korrekturen in einzelnen Regionen nicht ausschliessen. Besonders Luxuswohnobjekte seien zusehends schwerer verkäuflich. Ein Versuch der Finma, die Banken dazu zu bewegen, die Abweichung der aktuellen Zinsen vom kalkulatorischen Zinssatz in Höhe von 5% zur Amortisation der Kredite einzusetzen, führte zu einem Aufschrei der Bankenvertreter. Rickenbacher ergänzte, dass einige Banken die goldenen Regeln bei den Krediten nicht mehr so genau einhielten, was ihm Sorge bereitet. Auf die Preisentwicklung angesprochen, zeigte sich eine klare Linie bei den Bankdirektoren. Alle sehen vor allem bei Mehrfamilienhäusern sehr hohe Preise, während sie die Entwicklung bei den Einfamilienhäusern als unkritisch betrachten. Zaugg, dessen Bank in einer der Boomregionen im Zürcher Oberland liegt, berichtet von nominell sehr hohen Preisen bei Liegenschaften. Er könne derzeit jedoch nicht sagen, ob die Preise überhitzt seien. Insgesamt sind die Niveaus nicht so hoch wie zu anderen Zeiten. Wildi erklärte, dass auch in ihrer Region bei den Mehrfamilienhäusern das Preisproblem existiere.

„Weitere Konsolidierung in der Branche, aber keine Welle“

Schliesslich stellte sich die Frage nach weiteren Konsolidierungen im Regionalbankensektor. Allgemein wird eine weitere Konsolidierung bei den Regionalbanken erwartet. Diese werde sich aber punktuell abspielen und nicht in der Form einer Welle ablaufen. Heinimann erwartet vor allem bei den Instituten in der Nähe von grossen Städten weitere Zusammenschlüsse, während er in Peripherieregionen nicht mit Fusionen rechnet. Für die Podiumsteilnehmer gut denkbar sind auch Modelle einer vertieften Kooperation zwischen den Banken. Markus Boss, der als Initiator des Bankennetzwerks Esprit (Zusammenschluss von 17 Regionalbanken ohne gegenseitige Verpflichtungen), zeigte sich offen für den Beitritt weiterer Institute. Die jeweiligen Häuser müssten allerdings zum „Charakter“ von Esprit passen und von sich aus bei Esprit anklopfen. Das Esprit-Netzwerk werde nicht selbst aktiv nach neuen Mitgliedern Ausschau halten. Für ihn ist das Modell der freien Zusammenarbeit, bei der die Institute wählen können, welche Dienstleistungen sie über das Netzwerk beziehen, entscheidend. Eine Verpflichtung, bestimmte Leistungen zu beziehen, lehnt er ab. Ebenfalls offen für weitere Partner zeigte sich Wildi im Bereich der Bankensoftware. Die Hypothekarbank Lenzburg hat eine eigene Bankensoftware entwickelt, die sie gerne anderen Banken zur Nutzung zur Verfügung stellen möchte. Aber auch hier gelte der Grundsatz, dass die Interessenten bei ihrem Haus anklopfen müssten. Sie mache nicht aktiv Werbung. Eine klare Absage erteilte Wildi möglichen Bankenübernahmen. Ihr Haus wolle organisch wachsen.

„Kooperationen als Alternative zu Fusionen“

Offen ist, wie es mit der RBA nach dem Auslaufen des Poolvertrags im 2017 weitergehen wird. Keine Stellungnahme zu entlocken war hier Boss; er betonte nur, dass das Espritmodell gut funktioniere. Allgemein sei es für die Zukunft sehr wichtig, mit welchen Kosten eine Bank die Softwareplattform, ein sehr wichtiger Kostentreiber, betreiben könne. Heinimann betrachtet es als möglich, dass neue Verbünde entstehen. Dabei wird es sehr wichtig werden, Ressourcen zu bündeln, um Kosten einsparen zu können. Für Wildi steht bei allfälligen neuen Kooperationen die Zusammenarbeit in Netzwerken ohne einengende Verpflichtungen im Vordergrund. In welcher Form dies geschehe, sei offen. Zaugg sieht eine markante Veränderung der Ära der RBA-Gruppe. So hat sich die RBA von einer anlässlich der Immobilienkrise gegründeten Schicksalsgemeinschaft zur Behebung essenzieller Probleme zu einem Logistikdienstleister gewandelt. Für die Mitgliedsbanken steht die höhere Selbstbestimmung an vorderster Stelle. So wird die RBA mit dem Auslaufen des Poolvertrags ganz anders aussehen. Die Aufhebung der gegenseitigen Unterstützung der RBA-Banken für den Fall, dass ein Institut in existenzielle Schwierigkeiten kommt, gibt eine andere Ausgangslage. Für seinen Verbund, die Clientis-Gruppe, stellt diese Entwicklung eher eine Chance als ein Risiko dar.

Die Zukunft der Regionalbanken-Branche bleibt weiterhin spannend, aber auch minengeladen. Stetig steigende regulatorische Anforderungen, gepaart mit einem hohen Zinsmargendruck, machen es den Banken schwer, ansehnliche Gewinne zu erwirtschaften. Manchen Häusern gelingt dies auf eindrückliche Weise, wie unsere Auswertung der Kennzahlen aufzeigt. Es ist aber auch nicht von der Hand zu weisen, dass einige Häuser Probleme haben und teilweise sogar Reserven auflösen, um einen guten Gewinn auszuweisen. Wie Zaugg betonte, ist es zwar möglich, einige Jahre von den Reserven zu leben, aber wenn diese aufgezehrt sind, bleibt nichts mehr zum Verteilen übrig. Dies gilt es bei Investments in Aktien von Regionalbanken zu beachten. Wir werden weiterhin die Abschlüsse durchleuchten und sowohl positive als auch negative Beispiele in unserem Blog vorstellen.

Siehe auch: Beitrag auf finews vom 23. Mai 2014 zur Umfrage Regionalbanken.

Unterlagen und Dokumente zur Veranstaltung (als pdf Download):

„Umfrage und Branchenanalyse Regionalbanken“: Branchentalk Präsentation Analyse 

Fallstudie Hypothekarbank Lenzburg (Marianne Wildi): Branchentalk Präsentation Marianne Wildi

Fallstudie Regiobank Solothurn (Markus Boss): 22-05-14 Branchentalk Präsentation Markus Boss

Fallstudie Clientis Zürcher Regiobank (Rolf Zaugg): Branchentalk_Präsentation Rolf Zaugg

Kommentar verfassen