Im Oktober 2013 hatten wir an dieser Stelle über das 1. Halbjahr 2013 der auf der OTC-X-Plattform der Berner Kantonalbank gehandelten Spezialität Energie Electrique du Simplon SA (E.E.S.) berichtet, die nach dem Rückzug von der SIX Ende 2006 im ausserbörslichen Handel ein „Zweites Leben“ geschenkt bekommen hat. Auch ihren Anlegern, die bis heute dabei geblieben sind und allen Übernahmeofferten widerstehen konnten, wurden erfreuliche Kursgewinne und hohe Dividenden beschert. Im Wesentlichen betreibt die Gesellschaft drei Speicherkraftwerke im Simplon-Gebiet nahe der Grenze nach Italien, namentlich die Werke Gondo, Gabi und Tannuwald. Bereits die Ergebnisse des ersten Semesters 2013 deuteten an, dass das operative Geschäft im Gesamtjahr 2013 aufgrund saisonaler Effekte besser ausfallen wird als im Vorjahr.
An dieser Stelle sollten wir mit unserer Prognose noch richtig liegen. In einer rein operativen Betrachtungsweise war das Geschäftsjahr 2013 für E.E.S. ein erfreuliches Geschäftsjahr, das jedoch von Sondereffekten in der Bilanzierung zum Jahresende negativ überlagert wurde und einen besseren Ergebnisausweis zunichtemachte. Hierzu später mehr.
Die Eigenproduktion der drei E.E.S-Kraftwerke Gondo, Gabi und Tannuwald erhöhte sich 2013 gegenüber dem Vorjahr 2012 um gut 13% auf knapp 263 GWh (2012: 233.5 GWh) auf ein Rekordniveau in der 5-Jahresperiode (vgl. untenstehende Grafik). Gegenüber dem mehrjährigen Mittel entspricht dies einem Zuwachs von gut 11%. Zum Ende des 1. Halbjahres 2013 hatte der Zuwachs zur Vergleichsperiode des Vorjahres nur bei 3% bzw. 8% gegenüber dem langjährigen Mittel gelegen. Das Kraftwerk Gondo unmittelbar an der Landesgrenze produzierte 9% mehr Strom als im Mittel der Vorjahre. Auf Gondo alleine entfielen gut 75% der E.E.S.-Produktion (198.4 GWh). Das zweitgrösste Kraftwerk Gabi schnitt prozentual sogar noch besser ab: Die Produktion konnte von 40.1 GWh (2012) auf 45.7 GWh (2013) um 14% ausgeweitet werden (+21% im Vergleich zum langjährigen Mittel). Die Nummer drei im Simplon-Bund, das Kraftwerk Tannuwald, trug 7.2% zur Gesamtproduktion der Anlagen bei. Obwohl sich dieser Wert in einer prozentualen Betrachtung auf Vorjahreshöhe bewegt (2012: 7.4%), kletterte die absolute Produktionsmenge aufgrund der höheren Basis von 17.2 GWh auf 18.8 GWh (+9.5%). Die Erträge aus der Stromproduktion erhöhten sich in einer isolierten Betrachtung von 18.6 Mio. CHF (2012) um 12.5% auf 20.96 Mio. CHF. Kurzum: 2013 war von der Produktion „eigentlich“ ein sehr gutes Jahr für E.E.S., da auch die Betriebskosten weitestgehend konstant gehalten werden konnten. Hier zeigte sich einmal mehr der „Hebeleffekt“ in der Erfolgsrechnung der E.E.S.: Bei konstanten Gestehungskosten haben die Produktionserträge einen schwergewichtigen Einfluss auf die Erfolgsrechnung. Steigende Produktionserlöse führen zu überproportionalen Gewinnsteigerungen in der E.E.S.
Der Cashflow der E.E.S. verbesserte sich im abgelaufenen Geschäftsjahr 2013 von 8.3 Mio. CHF (2012) um beeindruckende 35% auf 11.25 Mio. CHF.
Wäre bei all diesen „eigentlich“ guten Zahlen nicht eine Position „ausserordentliche Abschreibungen“, so hätte das Jahr 2013 für E.E.S.-Aktionäre operativ vor Eintritt in eine neue Drei-Jahres-Periode von Stromlieferverträgen (vgl. unseren Beitrag vom 18.10.2013) ein erfreuliches Ende nehmen können. Es sollte jedoch anders kommen. Obwohl sich das operative Ergebnis gegenüber 2013 nochmals deutlich verbessert hat, haben sich unsere Erwartungen hinsichtlich einer zumindest stabilen Dividende auf Vorjahresniveau (2012: 45 CHF) leider nicht erfüllt. Ursächlich für den Einbruch im Ergebnisausweis auf 4.5 Mio. CHF nach 7.2 Mio. CHF im Vorjahr 2012 ist eine ausserordentliche Abschreibung über gut 5.5 Mio. CHF auf den Kraftwerkspark und damit verbundene Installationen im Sog der vielzitierten europäischen, vor allem von Deutschland gegen alle wirtschaftliche Vernunft betriebenen „Energiewende“, die zu einem Boom in den geförderten regenerativen Energien und Überkapazitäten im europäischen Strommarkt geführt und in der Folge eine bis heute andauernde Preiserosion bei den Grosshandelspreisen ausgelöst hat (ohne dass diese bei den Strom-Verbrauchern ankommen würde). Mit der Sonderabschreibung über 5.5 Mio. CHF folgt die E.E.S. dem Beispiel der grossen, kotierten heimischen Kraftwerksbetreiber vom Schlage Alpiq, BKW oder Repower, die ihrerseits aufgrund der stark reduzierten Marktpreise und der eingetrübten Perspektive der Branche zuletzt hohe Wertberichtigungen auf den Kraftwerkspark, Installationen und Projekte vorgenommen haben.
Für das Geschäftsjahr 2013 kürzt die Gesellschaft mit den erfolgten Abschreibungen – nach unserer Einschätzung unnötig radikal – die Dividende von zuletzt 45 CHF (2012) auf nur noch 14 CHF (2013) und stimmt die Aktionäre so auf magere Zeiten ein. Damit wird ein „eigentlich“ operatives sehr gutes Geschäftsjahr von bilanziellen Sondereffekten überlagert und wertmässig für die Aktionäre ein Stück weit „ausradiert“. Ohne diese Abschreibungen hätte der Gewinn oberhalb des Jahres 2012 gelegen, und die Dividende hätte problemlos auf Vorjahreshöhe ausfallen können.
Erwähnenswert ist dabei auch, dass – anders als in den Vorjahren – für das Jahr 2013 nicht der gesamte Jahresgewinn ausgeschüttet, sondern ein guter Teil auf neue Rechnung vorgetragen wird. Von dem im Vorjahr zur Verfügung stehenden Bilanzgewinn von 7.238 Mio. CHF wurden 7.2 Mio. CHF an die Aktionäre ausgeschüttet. Für das Geschäftsjahr 2013 stehen 4.5 Mio. CHF Bilanzgewinn zur Verfügung, doch werden hiervon nach der jetzt vorgeschlagenen, scharfen Dividendenreduktion auf 14 CHF nur 2.24 Mio. CHF an die Aktionäre ausgeschüttet und weitere 2.3 Mio. CHF auf neue Rechnung vorgetragen.
Insgesamt liegen Licht und Schatten im abgelaufenen E.E.S.-Geschäftsjahr 2013 nahe beieinander. Während sich das operative Kerngeschäft 2013 gut entwickelt hat, ist die ausserordentliche Abschreibung und die darauf letztlich basierende Dividendenkürzung auf nur noch 14 CHF bereits für das Jahr 2013 zweifelsfrei angesichts des vorgelegten Zahlenkranzes eine Enttäuschung für E.E.S.-Aktionäre. Aus unserer Sicht ist dieser „Kahlschlag“ bei der Dividende und eine Kürzung um fast 70% übertrieben und wird der sehr guten operativen Entwicklung des Geschäftsjahres 2013 auch nicht gerecht. Wir vermuten, dass die E.E.S.-Aktionäre mit der jetzt vorgeschlagenen Dividendenkürzung bereits frühzeitig und antizipativ auf künftig schwächere Ergebnisse aus einem neuen Stromliefervertrag mit den Aktionärspartnern ab 2014 eingestimmt werden sollen.
Würde – wie zuletzt 2012 – ein Grossteil des ausgewiesenen Bilanzgewinns ausgeschüttet (bereits nach ao. Abschreibung um 5.5 Mio. CHF!), so könnte den Aktionären für 2013 28 CHF und damit das Doppelte des jetzt vorgeschlagenen Betrags ausbezahlt werden. Auf Basis der zuletzt bezahlten Preise (26.03.2014: 1600 CHF) entspräche dies einer Rendite von knapp 2%. Jetzt sind es nur knapp 0.9% für das abgelaufene Geschäftsjahr – trotz einem operativen Rekordergebnis in einem unverändert schwierigen Energie-Umfeld! Im Vorjahr waren es noch gut 3%. Rechnet man – gedanklich – die ausserordentliche Abschreibung von 5.5 Mio. CHF dem ausgewiesenen Unternehmensergebnis von 4.5 Mio. CHF hinzu (unter Abzug einer darauf entfallenden Steuerquote von 22%), so hätte der „bereinigte“ Reingewinn – und damit implizit das theoretische Ausschüttungspotenzial – bei etwa 8.8 Mio. CHF (+21.5%) oder 55 CHF pro Aktie gelegen.
Das aktuelle Umfeld ist im Strombereich weiterhin von vielen Unsicherheiten geprägt. Unklar ist auch, wie sich der neue E.E.S.-Stromliefervertrag mit den Aktionärspartnern ab dem Geschäftsjahr 2014 angesichts der seit einiger Zeit deutlich rückläufigen bzw. auf niedrigem Niveau stabilen Grosshandelspreise auf die Ertragslage der E.E.S. konkret auswirken wird. In einem (heute nicht absehbaren) Szenario wieder steigender Strompreise verfügt E.E.S als „Pure Play“ im Bereich der Wasserkraft mit heute kaum mehr realisierbaren Anlagen bei weitgehend konstanten, im vorliegenden Fall sehr niedrigen Gestehungskosten aus Wasserkraft und mit einer etwaigen Rückkehr zu höheren Ausschüttungen allerdings auch über erhebliches Wertsteigerungspotenzial. Auf kurze Sicht fehlen jedoch Impulse für eine merkliche Höherbewertung, und die Aktie ist ein „Spezialitätenpapier“ für geduldige Anleger, die einerseits mit der tiefen Handelsliquidität leben können und andererseits längerfristig vom Potenzial der Wasserkraft (und wieder höheren Notierungen an den Strombörsen) überzeugt sind.
Die diesjährige Generalversammlung findet am 11. Juni 2014 – abweichend zu den Vorjahren, als die Versammlung im historischen Stockalperturm zu Gondo unweit des Kraftwerks Gondo abgehalten wurde – in Simplon-Dorf (Gemeindesaal) statt.
Transparenzhinweis: Dem Autoren nahestehende Personen sind Aktionäre der Gesellschaft.