Zu den seltensten Titeln auf dem OTC-X-Kurszettel der Berner Kantonalbank (BEKB) gehört zweifelsfrei auch die Aktie der auf Initiative einheimischer Hoteliers bereits 1897 gegründeten Elektrizitätswerk Grindelwald AG ([EWG], AG-Gründung 1907; zur Unternehmensgeschichte vgl. hier). Bei der EWG handelt es sich um einen auf dem Gemeindegebiet von Grindelwald – ohne Burglauenen – tätigen Lokalversorger.
Das Aktienkapital von 550’000 CHF ist in lediglich 1’100 Inhaberaktien à 500 CHF nominal eingeteilt. Die an der SIX kotierte BKW Energie AG war zuletzt mit 92.1% beteiligt (Quelle: Geschäftsbericht EWG 2013, S. 2). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass maximal 87 (!) Aktien im Streubesitz sind. Entsprechend illiquide ist der Handel in der Aktie, die sich – wie auch andere OTC-Titel im überwiegend lokalen Umfeld – zumindest in Grindelwald den Charakter eines „Trophäen-Papiers“ bewahrt hat. Seit Beginn der Handelsaufnahme auf OTC-X im Jahr 2010 haben lediglich sechs (!) Titel den Besitzer gewechselt. Die dabei bezahlten Preise schwankten erratisch zwischen CHF 17’500 (12.03.2014) und 35’000 CHF (16.05.2014; 20.05.2011). Auf Basis des zuletzt bezahlten Preises von 35’000 CHF gehört die Aktie des EW Grindelwald in absoluten Grössen auch zu den teuersten OTC-Spezialitäten.
Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2013 produzierte die EWG mit dem Wasserkraftwerk Isch und der Photovoltaikanlage First Solar 5’545 MWh Strom (Eigenproduktion). Neben den eigenen Kraftwerken hält die EWG Beteiligungen an verschiedenen überwiegend lokalen Gesellschaften, die ihrerseits im Energiemarkt tätig sind, so etwa 33% an der Biomasse Jungfrau AG und 15% an der Holzwärme Grindelwald AG.
Bei einem Gesamtabsatz von 38’710 MWh – ein moderater Rückgang um 0.7% gegenüber Vorjahr – wurden zusätzlich rund 33’165 MWh (+1.5%) bei der Hauptaktionärin BKW Energie AG bezogen. Als Wasserreservoir zur Stromerzeugung dient der bekannte Bachsee (Bachalpsee) in der Nähe der Bergstation der Gondelbahn Grindelwald-First vor der majestätischen Kulisse der Eisriesen des Berner Oberlandes (siehe Bild). In den zwei Becken des Bachsees stehen der EWG gut 500’000 Kubikmeter Wasser zur Stromerzeugung zur Verfügung. Ursächlich für die um 12% tiefere Eigenproduktion des Geschäftsjahres 2013 im Wasserkraftwerk Isch war der Produktionsunterbruch aus Sicherheitsgründen für einen Monat infolge von Geländeverschiebungen. Auch die Produktionsmenge der Photovoltaikanlage war nach dem schneereichen Winter mit weniger Produktionstagen um 3% rückläufig gegenüber Vorjahr.
In der Summe resultierten im Geschäftsjahr 2013 Gesamterträge von 12.3 Mio. CHF (Vj. 2012: 9.2 Mio. CHF), die von einem ausserordentlichen Gewinn aus einem Anlagenabgang (Liegenschaft Schlössli, Dorfstrasse, Grindelwald) im Umfang von 2.6 Mio. CHF positiv beeinflusst wurden. Käufer der Liegenschaft war die zur Jungfraubahn Holding AG gehörende Firstbahn AG (vgl. Jungfraubahn-Geschäftsbericht 2012, S. 26). Der Kaufpreis lag bei 3.1 Mio. CHF. Ohne diesen ausserordentlichen Effekt aus dem Anlagenabgang hätten die Erträge bei 9.7 Mio. CHF und immer noch um 5.5% über Vorjahr (9.2 Mio. CHF) gelegen. Diesen höheren Erträgen standen jedoch auch deutlich höhere Energiebeschaffungskosten in Höhe von 4.1 Mio. CHF (Vj. 2012: 3.2 Mio. CHF) gegenüber.
Das Betriebsergebnis nach Abschreibungen konnte – natürlich ebenfalls positiv beeinflusst durch den Immobiliengewinn – von 2.1 Mio. CHF im Jahr 2012 auf zuletzt 4.3 Mio. CHF zulegen. Der Jahresgewinn verbesserte sich von 1.8 Mio. CHF (2012) auf 3.9 Mio. CHF oder 3’516 CHF/Aktie. Aufgrund des Sondereffekts aus dem Schlössli-Verkauf ist jedoch schon heute absehbar, dass dieses Niveau nicht nachhaltig sein wird und 2014 – ohne weitere ausserordentliche Effekte – kaum wiederholt werden kann.
Die Aktionäre der Elektrizitätswerk Grindelwald AG profitieren vom guten Ergebnisausweis 2013 durch eine signifikante Erhöhung der Dividende. Der Schlössli-Verkauf ermöglicht für das zurückliegende Geschäftsjahr einmalig eine hohe Dividende von 2’700 CHF/Aktie (2.97 Mio. CHF Ausschüttungssumme), nachdem im Vorjahr noch 1’550 CHF ausgeschüttet wurden. 1.7 Mio. CHF aus dem zur Verfügung stehenden Bilanzgewinn werden auf neue Rechnung vorgetragen. Die Gesellschaft präsentiert sich in der Historie der letzten Jahre als zuverlässiger Dividendenzahler. Das bilanzielle Eigenkapital liegt bei lediglich gut 8’800 CHF und damit weit unterhalb der zuletzt bezahlten OTC-X-Preise von 35’000 CHF (16.05.2014). Allerdings ist diese Kennzahl – wie bei so vielen anderen OTC-X-Gesellschaften mit langer Tradition – aufgrund über die Zeit gebildeter stiller Reserven kaum aussagefähig. Das beste Beispiel für diese Hypothese ist der ausserordentliche Immobiliengewinn des Geschäftsjahres 2013. Mit den vorliegenden Informationen auch aus dem Geschäftsbericht 2013 lassen sich kaum seriöse Aussagen zum „echten“ Substanzwert der EWG treffen. Die EWG verfügt trotz der Schwierigkeiten im Strommarkt über ein etabliertes, in Grindelwald fest verwurzeltes Geschäftsmodell und kann auf Basis gewachsener Kundenbeziehungen operativ stabile Erträge erwirtschaften. Dabei profitiert die EWG von der Einbindung in den BKW-Konzern. Allerdings erwähnt die Gesellschaft in ihrem jüngsten Geschäftsbericht auch, dass mehr und mehr Kunden zur Erzielung von Preisvorteilen bereit sind, in den offenen Markt zu wechseln und es für die EWG „von zentraler Wichtigkeit“ bleibt, die bestehenden Kundenbeziehungen „aktiv“ zu pflegen. Der Verkauf von lokalem Strom scheint damit auch im Nahbereich kein Selbstläufer mehr zu sein. Aktionäre, die investiert sind, können angesichts der in der Historie soliden Dividendenrendite investiert bleiben, obwohl die Dividende für 2014 nach unserer Prognose wieder deutlich tiefer ausfallen wird. Aufgrund der extremen Marktenge – und mangels vorliegender Briefkurse – ist ein „normaler Handel“ in diesem Spezialitätenpapier praktisch nicht möglich, und die Kursentwicklung scheint auch von Zufallsbewegungen abhängig. Die diesjährige Generalversammlung findet am 4. Juni 2014 um 11.00 Uhr im Central Hotel Wolter in Grindelwald statt. Die Dividende von 2’700 CHF wird ab dem 10. Juni 2014 ausbezahlt.
Wie die BKW Energie AG als Hauptaktionärin der EW Grindelwald AG (EWG) am vergangenen Freitag (17.04.2015) mitgeteilt hat, soll die bisherige Tochtergesellschaft EWG ab 1.1.2016 – zusammen mit der EWR Energie AG (vorm. Elektrowerke Reichenbach AG, http://www.ewr.ch) – vollständig über einen Zusammenschluss in die BKW Energie AG integriert werden.
Dabei dürften die mit der Fusion zwangsweise ausscheidenden Aktionäre der EWG entweder eine Barabfindung oder Aktien der BKW im Tausch als Gegenleistung für ihre bisherigen EWG-Aktien erhalten.
Damit endet nach mehr als 100 Jahren die Geschichte der EWG als eigenständige Gesellschaft.
Die von uns für das Segment der kleinen, überwiegend lokalen Stromversorger nicht zuletzt aus regulatorischen und ökonomischen Gründen erwartete Konsolidierung, die auch noch andere Betriebe der Branche treffen dürfte, schreitet wieder etwas weiter voran:
http://www.bkw.ch/ueber-bkw/media-relations/medienmitteilungen/detail/news/detail/News/bkw-staerkt-versorgung-des-berner-oberlandes/
Wir werden die weitere Entwicklung bei der EWG im Speziellen und im OTC-Energie-Sektor allgemein weiterhin im Rahmen dieses Blogs beobachten.
Das ist eine wenig überraschende, aber genauso schlechte Nachricht. Die grossen fressen die Kleinen. Schade, das war eine spannende Anlage. Aber BKW als Aktienanlage ist nicht spannend, sondern eine trübe Aussicht.
Interessant wird zu sehen sein, wie die BKW mit den hohen stillen Reserven in der Bilanz des EW Grindelwald umgeht und wie sie die bisherigen Aktionäre abfinden will.
Wie aus der heute im SHAB veröffentlichten Einladung zur Generalversammlung der Elektrizitätswerk Grindelwald AG (EWG) hervorgeht, wird der kommenden GV am 18. Mai 2016 die Fusion der EWG mit der BKW Energie AG vorgeschlagen.
Der Verwaltungsrat beantragt die Genehmigung des Fusionsvertrages vom 5. April 2016 mit Fusionsbilanz per 31. Dezember 2015.
Im Rahmen der Abfindungsfusion sollen die ausscheidenden Aktionäre der übertragenden Gesellschaft EWG eine Barabfindung in Höhe von 29’600 CHF pro Aktie erhalten, die den Aktionären der Elektrizitätswerk Grindelwald AG zeitnah bis am 1. Juni 2016 ausbezahlt werden soll.
Für das zurückliegende Geschäftsjahr 2015 sieht die GV-Einladung keine separate Dividendenzahlung zusätzlich zur Barabfindung vor.
Die Unterlagen zur Fusion (Fusionsvertrag, Fusionsbericht, Bericht des gemeinsamen Fusionsprüfers, Bericht zur Höhe der Barabfindung…) können bei der Gesellschaft angefordert werden.
Damit endet in Kürze die Geschichte der EWG als eigenständige Gesellschaft mit Streubesitzaktionären.
Der Handel auf OTC-X ist schon längere Zeit angesichts des minimalen Reststreubesitzes praktisch zum Erliegen gekommen. Letztmals wurden kleine Stückzahlen im August 2015 um 25’000 CHF umgesetzt, 2014 wurden auch schon mehr als 30’000 CHF je Aktie bezahlt.