Bergbahnen Disentis AG: Die Bergbahnen des Hochadels werden bürgerlich – mit neuem Hauptaktionär in die Zukunft

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Skigebiet Disentis 3000 / Bild: www.disentis-sedrun.ch
Skigebiet Disentis 3000. Bild: www.disentis-sedrun.ch

Am 17. Oktober 2014 lud die 1969 gegründete Bergbahnen Disentis AG ihre Aktionäre zur Generalversammlung ins Bergrestaurant Caischavedra oberhalb von Disentis/Mustér in der Surselva ein. Knapp 80 Aktionäre und Aktionärsvertreter, die insgesamt 82.6% des in 8’800 Inhaberaktien à 700 CHF nominal eingeteilten Aktienkapitals vertraten, folgten der Einladung des Verwaltungsrats.

Das am 31. Mai 2014 beendete Geschäftsjahr 2013/2014 verlief für die Gesellschaft, nach einem guten Vorjahr 2012/2013, aus finanzieller Sicht unbefriedigend. Eine unbeständige Witterung mit ungünstigen Schnee- und Wetterverhältnissen führte zu einem Umsatzrückgang um 4% auf 5.8 Mio. CHF. Während der mit einem Anteil von nur 2.4% am Gesamtumsatz (noch) unbedeutende Verkehrsertrag im Sommer von tiefer Basis aus um 14.2% auf 142.000 CHF gesteigert werden konnte, reduzierten sich die Verkehrserträge im Winter – für 52.2% des Betriebsertrags verantwortlich – mit einem späten Schneefall und dem schlecht planbaren Wetter um fast 8% auf 3.04 Mio. CHF. Gegenüber dem Schnitt der letzten 5 Jahre resultiert ein Rückgang um 5%.

Auch die Umsätze in der Gastronomie waren 2013/2014 um gut 8.4% oder etwa 130.000 CHF rückläufig. Die Gesellschaft selbst erkennt in dieser Fehlentwicklung Defizite in den Angebotswelten der Bergbahngastronomie, die in den nächsten Jahren durch neu einzuleitende Massnahmen zu korrigieren sind. Während der Betriebsertrag in einer für die Destination Disentis strukturell – nicht zuletzt aufgrund fehlender „warmer Betten“ in der Hotellerie – schwierigen Phase rückläufig war, kletterte der Betriebsaufwand um 3.5% auf gut 5.05 Mio. CHF. Auf das Problem der „warmen Betten“ kommen wir noch zu sprechen. In der Zwei-Jahres-Periode seit 2011/2012 ergibt sich ein kräftiger Anstieg des Betriebsaufwands um etwa 8.1%, dem kein Anstieg von 3.4% beim Betriebsertrag in der gleichen Periode gegenübersteht. Höhere Aufwendungen im Vergleich zum Vorjahr ergeben sich vor allem beim Personalaufwand (+3.2% vs. 2012/2013), Warenaufwand (+6.3%) sowie beim Unterhalt der Betriebsanlagen (+9.0%), die durch stark gesunkene Energie- und Verbrauchsstoffekosten (-6.0%) in absoluten Beträgen und im relativen Verhältnis zum Umsatz nicht kompensiert werden konnten. Der Betriebsaufwand machte 2013/2014 fast 87% des Umsatzes aus (Vj. 80.3%).

In der Summe war das EBITDA – also der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen – als wichtige Kennzahl für die operative Leistungsfähigkeit eines Betriebes vor Investitionsaufwendungen in der denkbar ungünstigen Konstellation rückläufiger Umsätze bei gleichzeitig steigenden Kosten um fast 35% auf etwa 0.8 Mio. CHF rückläufig. Im Vorjahr 2012/2013 lag das EBITDA noch bei 1.2 Mio. CHF.

Nach Abschreibungen im Umfang des EBITDA war der operative Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) im abgelaufenen Geschäftsjahr sogar negativ, und es resultierte auch ein negatives Jahresergebnis von fast 0.3 Mio. CHF. Vor diesem Hintergrund ist die Ausschüttung einer Bardividende an Aktionäre vorläufig kein Thema. Gleichwohl präsentiert sich das bilanzielle Eigenkapital mit einer Quote um 50% oder 6.6 Mio. CHF – entsprechend fast 750 CHF / Aktie – noch als solide, wenngleich die gegenüber den Vorjahren deutlich rückläufigen betrieblichen Cashflows (-47% vs. 2012/2013; -37% vs. 2011/2012) – aus Unternehmenssicht nicht befriedigen können und nach Gegenmassnahmen, neuen Konzepten und auch frischem Wind verlangen.

Für „frischen Wind“ in der Unternehmung – und dies machte der Verlauf der Generalversammlung mit einer kurzweiligen Vorstellungsrede an die Aktionäre deutlich – dürfte der Disentis seit vielen Jahren persönlich eng verbundene neue Hauptaktionär Marcus Weber sorgen, der mit seiner BD Management Holding AG per Ende Juni 2014 die seit 45 Jahren (!) seit Gründung als Hauptaktionäre der Bergbahnen Disentis AG amtierenden Arenbergische Gesellschaften aus Düsseldorf (D) abgelöst hat (vgl. Bündner Tagblatt, 27. Juni 2014, S. 5).

Traditionell stellten die Arenbergischen Gesellschaften Düsseldorf, deren Geschichte auf Familienzweige des Hauses Arenberg – eines deutschen Hochadelsgeschlechts mit Wurzeln in der Eifel – zurückgeht, den Verwaltungsratspräsidenten in Disentis. Es waren einst „die Arenberger„, die überhaupt den Wintertourismus nach Disentis brachten. An dieser Stelle erlauben wir uns einen kleinen Ausflug in die europäische Adelsgeschichte: Zu den direkten Nachfahren der Familie von Arenberg als jahrzehntelanger Hauptaktionärin der Bahn in der Surselva gehörte dabei auch ein Repräsentant mit dem klangvollen Titel „Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit (S.K.K.H.), Erzherzog von Habsburg-Lothringen und Grossherzog der Toskana“ (ausserhalb Österreichs, das den Adel per Gesetz bereits im Jahr 1919 abschaffte…)! Das Haus Habsburg-Lothringen ist geschichtlich als „Haus Österreich“ bekannt geworden und stellte von 1804 bis 1918 die erblichen Kaiser von Österreich.

Nach lokalen Medieninformationen präsentierte sich S.K.K.H. Sigismund Otto Maria Josef Gottfried Henrich Erik Leopold Ferdinand, Erzherzog von Habsburg-Lothringen und Grossherzog der Toskana – über seine Mutter Laetitia d’Arenberg, ihrerseits Adoptivtochter des sehr vermögenden Erik Arenberg 11. Herzog von Arenberg, eng mit der Arenberg-Familie verbunden und auch mit einer eigenen Homepage im Internet vertretenim Jahr 2011 erstmals persönlich als „Interessenvertreter“ der Arenbergischen Gesellschaften in Disentis. Dieses in die Gründungszeit der Bergbahnen zurückreichende „hochadelige Kapitel“ ist seit Mitte 2014 jedoch Geschichte, und es zieht mit Marcus Weber jetzt eine neue Bürgerlichkeit in Disentis ein. Insofern bedeutet der Wechsel im Aktionariat für die Gesellschaft einerseits zwar eine Zäsur, andererseits bietet er jedoch – bei allen Verdiensten der Arenberger um den Wintertourismus in der Surselva – auch die Chance für eine nachhaltige, authentische und regionale Erneuerung, die es im Interesse der Bahn und ihrer Aktionäre sowie der Region in den nächsten Jahren zu nutzen gilt.

Trotz des Ausscheidens der Arenberger aus dem Aktionärskreis setzt die Gesellschaft vorläufig übrigens weiterhin auf Kontinuität an der Spitze: Dr. Heinz Schumacher, langjähriger Geschäftsführer der Arenbergische Gesellschaften, bleibt auch beim neuen Hauptaktionär bis auf Weiteres Präsident des Verwaltungsrates.

Dieser skizzierte Wechsel im Aktionariat war – nicht überraschend – das bestimmende Thema der diesjährigen Generalversammlung. Während das Zahlenwerk unter Verweis auf den ausführlichen Geschäftsbericht effizient und schnell abgehandelt wurde, war die persönliche Vorstellung des neuen Hauptaktionärs Marcus Weber und seiner Ziele der inhaltliche Höhepunkt der Aktionärsversammlung.

In seiner Vorstellungsrede an die Aktionäre betonte Marcus Weber, ein umtriebiger Schweizer Multi-Unternehmer mit Hauptwohnsitz Singapur, dass die Bergbahnen Disentis AG ein wichtiger Bestandteil des Tourismus in der Surselva sind und bleiben. Jetzt gelte es aber, die Bahn und mit ihr auch die Destination an neue Anforderungen eines veränderten Markt- und Wettbewerbsumfelds anzupassen. Erodierende Preise auch im Ferntourismus führen dazu, dass inländische Destinationen heute im Sommer wie im Winter einer anderen Konkurrenzsituation ausgesetzt sind. Marcus Weber will mit Partnern in der Region neue, gemeinschaftliche Angebotswelten schaffen, bei denen alle Partner an einem Strang ziehen. Disentis will sich dabei verstärkt als Familiendestination positionieren. Ein Schwerpunkt sollen künftig familiengerechte Angebote sein, im Sommer wie im Winter. Wintersport – mittlerweile oft ein teurer Luxus – soll wieder zu einem „auch für Familien erschwinglichen Vergnügen“ werden.

Der „erste Schritt“ für Marcus Weber ist aber eine „Attraktivitätssteigerung im Sommer“ und eine „Ankurbelung des Sommertourismus“, da in der warmen Jahreszeit angesichts der extrem niedrigen Basis grösseres Potenzial vorhanden zu sein scheint als in weiteren Zuwächsen beim bereits stark dominierenden Wintergeschäft (s.o.).

Eine Schlüsselrolle fällt dabei in den Planspielen des neuen Hauptaktionärs künftig der Hotellerie in Disentis zu. Disentis benötigt dringend „warme Betten“ – und das im Idealfall ganzjährig und gerade auch im Sommer. Aber: „Warme Betten benötigen eine längere Saison“. Eine längere Saison wird es aber nur dann geben, wenn es gelingt, entsprechende Angebote für den Sommer-/Herbsttourismus zu schaffen, die vom Markt angenommen werden. Marcus Weber kündigte an, „warme Betten“ bauen zu wollen und auch nach Investoren zu suchen, die ähnliche Ziele und Philosophien verfolgen. So soll auch das Hotel Baur, an dem die Bergbahnen Disentis AG heute mit 60% beteiligt ist, saniert und „wieder in Gang gesetzt werden“, um attraktiver und zeitgemässer zu werden. Über die BD Management AG hat Marcus Weber die restlichen 40% der Hotel Baur Disentis AG erworben (Quelle: Geschäftsbericht 2013/2014, S. 7) und ist dort neuer Verwaltungsratspräsident. An dieser Stelle bringt er sich direkt ins operative Geschäft ein.

Insgesamt ist die Hotellerie in Disentis zuletzt in Bewegung geraten, was mittel- bis längerfristig auch zum Vorteil der Bergbahnen Disentis AG sein dürfte.

Aufgrund ihrer für Bergbahnunternehmen eher ungewöhnlichen, aus der Historie gewachsenen Aktionärsstruktur – die Grossaktionäre aus dem Hause Arenberg hielten nach Informationen aus dem Geschäftsbericht seit Gründung mehr als zwei Drittel des Aktienkapitals (8’800 Inhaberaktien à 700 CHF) – ist der Handel in der BB Disentis-Aktie auf der OTC-X-Plattform der Berner Kantonalbank (BEKB) wenig liquide mit erratischen Kursschwankungen. Seit 2010 (!) wurden gerade einmal 80 Aktien im Gegenwert von nur 35.000 CHF (!) über OTC-X gehandelt, weniger als 1% des Gesellschaftskapitals. Die Aktien sind augenscheinlich in sehr festen Händen in der Surselva. Die „Marktkapitalisierung“ auf Basis zuletzt bezahlter Preise (27.10.2014: 485 CHF) liegt bei gut 4.3 Mio. CHF. Dem steht ein bilanzielles Eigenkapital von 6.6 Mio. CHF oder knapp 750 CHF/Aktie gegenüber. Das Kurs-Cashflow-Verhältnis (2013/2014) lag zuletzt – nach einem schwachen Jahr (s.o.) – bei auch im Branchenvergleich eher hohen 8. Bis auf Weiteres ist nicht mit Bar-Dividendenzahlungen zu rechnen. Eher könnte es nach unserer Einschätzung sein, dass die Gesellschaft in den nächsten Jahren zur Finanzierung ihrer neuen Strategie – die u.a. auch Investitionen in „warme Betten“ (Hotellerie) vorsieht – eine Kapitalerhöhung unter Einbezug neuer Investoren anstrebt. Kommt eine Kapitalerhöhung zum aktuellen Nennwert (700 CHF), könnte dies den Kurs von heutiger Basis aus positiv beeinflussen. Aus struktureller Sicht präsentiert sich die Aktie heute – auch mit dem neuen Grossaktionär, der für frischen Wind sorgt – vorrangig als „Liebhaberpapier“ für Anleger mit Bezug zur Surselva und speziell zu Disentis. Nicht zuletzt die extrem tiefe Handelsliquidität mit nur wenigen frei gehandelten Aktien und die an Zufall erinnernden Kursschwankungen verhindern eine Anlagequalität des Titels. Die „Rendite“ des Aktionärs speist sich heute aus anderen Komponenten: Am Tag der GV können Aktionäre die Luftseilbahn kostenfrei nutzen. Auch wird den teilnehmenden Aktionären ein „währschaftes Nachtessen“ in 3 Gängen serviert. Und mit etwas Glück bei der Tischwahl ergeben sich sehr gute Gespräche mit Einheimischen. Kenntnisse in der rätoromanischen Sprache, namentlich Sursilvan, wären für Tischgespräche dabei von Vorteil, sind aber nicht zwingend…

Thorsten Grimm, 28. Oktober 2014

2 Kommentare

  1. Guten Tag, Herr Grimm,

    Dank für Ihre Ausführungen. Der Versuch, über „warme Betten“ den Tourismus in Disentis anzukurbeln, scheint mir angesichts der gerade beschlossenen unsäglichen Erhöhung der Kurtaxenpauschale durch die Gemeinde nicht gerade erfolgversprechend zu verlaufen.

    Ich würde übrigens gerne Aktien verkaufen, höre aber immer von der Bank, sie seien unverkäuflich, da es keine Interessenten gebe. 485,00 SFR pro Aktie bedeutete zwar ein Riesenverlust angesichts des Nennwerts von 700 SFR, aber wo bekomme ich sie zu diesem Preis verkauft?

    Mit freundlichem Gruß

    V.B.

    • Sehr geehrte Frau Benner
      Danke für Ihren Kommentar und Ihr Interesse an schweizeraktien.net.
      Die Aktien der Bergbahnen Disentis AG werden regulär seit vielen Jahren auf dem OTC-X-Portal der Berner Kantonalbank (www.otc-x.ch) gehandelt. Weitere Handelsplätze in diesem Titel sind uns nicht bekannt.
      Dort gibt es, wie wir in unserem Beitrag beschrieben haben, auch regelmässige Kursstellungen und Kurse, doch ist der Handel in der Aktie ausgesprochen dünn und auch sehr volatil.
      Die Aussagen Ihrer Bank, die Aktien seien „unverkäuflich“, teilen wir nicht, auch wenn die letzten Marktpreise bei niedrigem Volumen teilweise deutlich unterhalb von 485 CHF lagen.

      https://www.otc-x.ch/markt/instrument/valor/150726.html

      Freundliche Grüsse
      Thorsten Grimm

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