Für viel Aufregung sorgte schon im Vorfeld der Generalversammlung der „AG für die Neue Zürcher Zeitung“ die Berichterstattung in den Konkurrenzmedien. Starke Worte wie „Revolution“ wurden da benutzt. Auch ehemalige Redaktoren des Hauses und Mitarbeiter erhofften sich von der Aktionärsversammlung ein Zeichen gegen den seit zwei Jahren amtierenden Verwaltungsratspräsidenten Etienne Jornod und seinen CEO Veit Dengler. Sie forderten die Abwahl. Emotional aufgeheizt hatte sich die Stimmung nach dem abrupten Abgang von Markus Spillmann als Chefredaktor der NZZ Ende letzten Jahres, einer Evaluation von Markus Somm als seinem Nachfolger und der angekündigten Schliessung der Druckerei in Schlieren. Das waren zu viele Veränderungen auf einmal für die behäbige Medienwelt und insbesondere für das Zürcher Traditionsblatt. Doch geblieben ist – ausser viel Getöse – im Nachhinein nicht viel. Jornod wurde von den 818 anwesenden Aktionären mit nur 3583 Gegenstimmen (ca. 14%) als Verwaltungsratspräsident für die nächsten vier Jahre wiedergewählt. Der Antrag der „Freunde der NZZ“ auf Statutenänderung, die Amtsdauer für Verwaltungsräte auf ein Jahr zu begrenzen, wurde mit 16610 Gegenstimmen (ca. 64%) abgelehnt. Und auch die zwei zur Wiederwahl stehenden Verwaltungsratsmitglieder Christoph Schmid und Bernd Kundrun wurden in ihrem Amt bestätigt. Somit ist die erwartete „Revolution“ an der 147. Generalversammlung am Schluss ausgeblieben. Kleines, aber entscheidendes Detail am Rande: Die „Revolutionäre“ hatten keinen „Revolutionsführer“ ernannt, der noch an der GV das Amt von Jornod oder eines der anderen zur Wiederwahl anstehenden VR-Mitglieder hätte übernehmen können. Es gab schlicht keine Gegenkandidaten!
Aktionäre sehen über Fehler hinweg
Etienne Jornod und Veit Dengler haben in einer schwierigen Phase eine noch schwierigere Aufgabe übernommen. Dass dabei auch Fehler passieren können, ist nicht überraschend. Allerdings haben die Häufung der Fehler und vor allem das Umsetzen von unpopulären Entscheiden wie der Druckereischliessung zu einem grösseren Unmut geführt als zu erwarten war. Dennoch wollte die Mehrheit der Stimmberechtigten an der Generalversammlung offenbar diese Fehler entschuldigen. Auch waren sie bereit, der strategischen und operativen Führung etwas mehr Zeit als zwei Jahre zu geben, um die neue Strategie umsetzen zu können. Durch die Wiederwahl von Etienne Jornod hat das Duo nun eine Schonfrist von vier Jahren erhalten. In dieser Zeit kann es seinen Worten Taten folgen lassen.
Umsatz und Gewinn gehen seit Jahren zurück
Denn bei allen positiven Reden an der Generalversammlung, die gespickt waren mit den Worten „Unternehmertum“, „unternehmerische Kultur“, „Transformationsprozess“, „Wandel“ und „Umbruch in der Medienbranche“, lässt sich nicht verleugnen, dass die NZZ-Mediengruppe seit Jahren nicht nur auf der Umsatzseite, sondern auch auf beim Ergebnis auf allen Stufen rasant schrumpft (siehe Grafik und untenstehende Tabelle). Da hilft auch der Hinweis von Etienne Jornod wenig, dass der hohe Verlust von 39.6 Mio. CHF in 2014 nur ein Buchverlust aufgrund der massiven Abschreiber auf die Druckerei in Schlieren sei. Auch operativ ist der Gewinn auf Stufe EBITDA in den letzten fünf Jahren um fast 40% zurückgegangen. Der Cashflow hat sich im gleichen Zeitraum nahezu halbiert. Auch die übrigen Kennzahlen weisen in eine Richtung: nach unten.
Unternehmensleitung kräftig ausgebaut
Überraschend ist hingegen, dass im gleichen Zeitraum die Ausgaben für die Unternehmensleitung und den Verwaltungsrat gestiegen sind. Dies wurde an der Versammlung auch von Aktionär Oliver Benz (Freunde der NZZ) kritisiert. Jornod erklärte den Anstieg der Entschädigungen für dieses Gremiums damit, dass Dengler seine Unternehmensleitung vergrössert und Personen aus dem Kader der Gruppengesellschaften in die oberste Leitungsstufe berufen habe. Ein Blick in den Geschäftsbericht 2013 zeigt, dass die Unternehmensleitung von damals sieben Personen auf elf Personen Ende 2014 gewachsen ist. Laut Website umfasst die Unternehmensleitung heute sogar zwölf Personen.
Vielleicht ist dieses vergrösserte Leitungsgremium nötig, um die NZZ- Mediengruppe in den kommenden Jahren wieder auf einen stabilen Wachstumskurs zu führen.
Investitionen in Fachmedien und mediennahe Geschäfte
An den Aussagen zur Strategie hat sich nicht viel geändert. Das Kerngeschäft bleibt die Qualitätspublizistik, die über alle Kanäle gespielt werden soll. Dengler und seine Crew sind überzeugt davon, dass das Unternehmen mit dieser Art der Publizistik künftig Geld verdienen kann. Zudem will der NZZ-CEO noch stärker in den Fachmedienbereich und mediennahe Geschäftsfelder, wie das Veranstaltungsgeschäft und Plattformen wie moneyhouse.ch, investieren. Veit Dengler erklärte auch, dass er das Tempo für Produktlancierungen erhöhen wolle. CEO und VR-Präsident Jornod wurden an der GV nicht müde zu betonen, dass sie und damit auch die Aktionäre bereit sein müssten zu experimentieren und dabei auch Fehler passieren könnten. „Wir müssen experimentieren, Fehler machen und daraus lernen“, so Dengler. Dabei sollen dem Unternehmen die hohen liquiden Mittel helfen. Diese liegen nach Aussagen von Veit Dengler an der GV, nach Abzug der Vorauszahlungen für Abonnemente, bei 118 Mio. CHF.
Weltblatt, nationales Leitmedium und lokale Qualitätszeitung
Deutlich überzeugender als die Worte von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung waren die Aussagen des neuen Chefredaktors, Eric Gujer, zum künftigen publizistischen Kurs der Neuen Zürcher Zeitung. Gujer bezeichnete die NZZ als „Institution“, die es auch bleiben soll. Die NZZ sei ein Weltblatt, nationales Leitmedium und eine in Zürich verankerte lokale Qualitätszeitung. Damit machte der neue Chefredaktor auch deutlich, welch komplizierten Spagat die Redaktion täglich leisten muss. Wichtig für Gujer ist es, dass die NZZ kein Mainstream Medium wird und die Freiheit das publizistische Leitmotiv bleibt. Er appellierte auch an die Aktionäre, durch eine Bestätigung von Jornod als VR-Präsident keine weitere Unruhe in das Unternehmen zu bringen. Dieser Appell wurde, trotz der vielen Proteste, am Schluss von der Mehrheit der Aktionäre befolgt.
Etienne Jornod und Veit Dengler haben sich nun vier Jahre Zeit verschafft, um zu liefern, was sie letztes Jahr versprochen haben. „Am Ende des Transformationsprozesses wird die NZZ-Mediengruppe einflussreicher und stärker als je zuvor sein“, sagte Veit Dengler an der Generalversammlung 2014. Ob sich die Neue Zürcher Zeitung in einer Zeit, in der andere deutschsprachige und internationale Qualitätsmedien wie FAZ, Süddeutsche oder Financial Times mit klugen Analysen, Hintergrundberichten und Kommentaren zum Weltgeschehen nur einen Mausklick entfernt sind, als Bezahlmedium durchsetzen kann, ist fraglich. Dies kann nur durch Investitionen in hervorragenden Journalismus gelingen, wie diese von dem Unternehmen jetzt auch getätigt wurden. Eine der grössten Herausforderungen wird es dennoch bleiben, diesen Premiuminhalt erfolgreich zu vermarkten. Vielleicht kommt das Unternehmen nach einer Experimentierphase doch noch zum Schluss, dass das Geld für die Investitionen in den Qualitätsjournalismus schneller und leichter durch interessante Nebengeschäfte zu verdienen ist. Schon heute sind diese „mediennahen Geschäftsfelder“ offenbar ein lukratives Geschäft. Sie steuerten 2014 laut Geschäftsbericht (S. 41) ein EBIT von 7.2 Mio. CHF zum Gruppen-EBIT von insgesamt 20.0 Mio. CHF bei. Das sind mit 36% schon mehr als ein Drittel, während der Umsatz dieses Bereiches mit 23.3 Mio. CHF nur knapp 5% am Gesamtertrag der NZZ-Mediengruppe ausmachte. Es muss nicht gleich der Verkauf von Hundefutter sein; allerdings gibt es beispielsweise im Bildungsbereich interessante, NZZ-affine Betätigungsfelder, mit lukrativen Margen.
Aussagen zum laufenden Geschäftsjahr und zu allfälligen Zielen der Unternehmensleitung für 2015 wurden an der Generalversammlung nicht gemacht. Vielleicht gingen diese auch im allgemeinen Getöse etwas verloren. Daher ist eine Schätzung für das Geschäftsjahr 2015 bis zur Bekanntgabe der Semesterzahlen nur schwer möglich. Allerdings dürfte eine Rückkehr in die Gewinnzone, allein durch den Wegfall der ausserordentlichen Faktoren, sehr wahrscheinlich sein. Zudem sollten die positiven Effekte aus der Verlagerung der Druckaufträge für die NZZ und NZZ am Sonntag zu greifen beginnen. Dennoch dürfen keine grossen Sprünge auf der Gewinnseite erwartet werden, da die Gruppe nach wie vor noch in die Neulancierung von Produkten investiert, welche erst 2016 oder später einen spürbaren Ergebnisbeitrag liefern. Die Aktien werden derzeit zu Kursen von 5750 CHF auf der OTC-X Plattform der BEKB gehandelt. Der Aktienkurs liegt damit deutlich unter dem Buchwert je Aktie von 7123 CHF (gemäss Geschäftsbericht NZZ). Sofern die Ausschüttung von 100 CHF beibehalten wird, rentiert die Aktie mit 1.7%. Wir bleiben weiterhin bei unserer Einschätzung vom vergangenen Jahr, dass die NZZ-Aktie ein Liebhaberpapier und weniger ein Renditetitel ist. Sofern es Verwaltungsrat und Geschäftsleitung allerdings schaffen, den Transformationsprozess erfolgreich zu meistern, könnte der Kurs der NZZ-Aktie in drei bis vier Jahren wieder an Fahrt gewinnen.
Erfreulich wäre zudem, wenn Verwaltungsrat und Unternehmensleitung nicht nur ständig von „Unternehmertum“ und einer „unternehmerischen Kultur“ sprechen, sondern sich auch stärker durch den Besitz einer NZZ-Aktie als Eigentümer am Unternehmen beteiligen würden. Dies wäre ein starkes Signal und ein Vertrauensbeweis gegenüber dem Aktionariat. Der Besitz von 45 Aktien durch die mittlerweile zwölfköpfige Unternehmensleitung lässt zumindest Zweifel an der vielbeschworenen „unternehmerischen Kultur“ aufkommen. Der Unternehmer übernimmt selbst ein Risiko und handelt langfristig. Der Manager hingegen nicht.
Transparenzhinweis: Der Autor ist Aktionär der Gesellschaft.