Die anfängliche Euphorie ist längst verflogen. Hatte Bravofly Rumbo beim IPO im April 2014 wegen einer mehrfachen Überzeichnung der Aktie seinen Ausgabepreis mit 48.0 CHF noch ziemlich weit oben an der angekündigten Preisspanne von 40.0 bis 52.0 CHF gewählt, so notierte die Online-Reiseagentur nach dem Börsengang kein einziges Mal auf dem Emissionsniveau. Nach dem Sprung an den Aktienmarkt rutschte der Kurs des Konzerns aus Chiasso im Tessin monatelang nach unten, lag im Tief im Januar um rund 70% unter dem Startlevel und notiert auch jetzt noch um 40% unter dem Ausgabeniveau. Schon bald nach dem IPO kam der Verdacht auf: Altaktionäre könnten da Kasse gemacht haben und die Perspektiven bei weitem nicht so rosig sein wie ursprünglich gedacht. Denn möglicherweise sind in der Branche der Reiseportale der Wettbewerb härter, der Preisdruck höher und die Margen entsprechend niedriger als anfänglich erwartet.
Die 2014er-Zahlen könnten ein Indiz dafür sein. So stieg zwar das gebuchte Reisevolumen über Bravofly Rumbo im vergangenen Jahr um 24.7% auf 1.3 Mrd. EUR, und der Umsatz des Unternehmens machte einen Sprung um 19.3% auf 147.0 Mio. EUR, doch das organische Wachstum lag nur bei 8.8%, und die Bruttomarge vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen fiel sogar um 7.3% auf 14.4% zurück. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen reduzierte sich dadurch von 22.8 auf 21.1 Mio. EUR, und der Jahresüberschuss fiel um 41.5% von 12.3 auf 7.2 Mio. CHF. Letztendlich halbierte sich das Ergebnis von 1.08 auf 0.51 EUR je Aktie. Immerhin: Infolge des Börsengangs verfügte das Reiseportal Ende 2014 nicht nur über eine starke Bilanz mit einer Eigenkapitalquote von 64.0% und einem Buchwert je Aktie von rund 12.25 CHF, sondern auch über eine Netto-Cash-Position in Höhe von 90 Mio. EUR. oder rund 6.75 CHF je Aktie.
lastminute-Deal – ein Quantensprung
Trotz der negativen Stimmung der Anleger zum Unternehmen – der Reisespezialist ist mit seinen Online-Buchungsplattformen gefragt, handelt zehn Mio. Passagiere im Jahr und ist dabei in 35 Ländern präsent, sondern kündigte im Dezember die Übernahme von lastminute.com an. Im ersten Quartal war der Deal dann in trockenen Tüchern. Wie Bravofly-CEO Francesco Signoretti betont, hatte der Zukauf noch nicht einmal Einfluss auf die Finanzposition seines Unternehmens.
Auf jeden Fall macht Bravofly mit dem Zukauf einen Quantensprung. Immerhin zählt lastminute zu den bekanntesten Online-Reiseagenturen, und Bravofly will durch den Zukauf sein Angebot an Destinationen ausbauen und seine Marktstellung in wichtigen Märkten Europas stärken. Mit der Akquisition dürfte Bravofly seinen ambitionierten Zielen rasch näher kommen. Lag der Umsatz pro forma, also inklusive lastminute.com, bereits im 2014 bei rund 260 Mio. EUR, so will das Reiseportal seinen Umsatz bis 2017 auf 330 Mio. EUR ausbauen. 2020 sollen die Erträge bei 600 Mio. EUR liegen. Die Rohertragsmarge soll dann von den genannten 14.4% zuerst auf 18% und dann sogar auf 25% steigen.
7er-KGV im 2017
Im 2015 ist zwar noch nicht mit positiven Ergebniseffekten aus der Übernahme von lastminute.com zu rechnen. Denn die neue Tochter verzeichnete im vergangenen Jahr beim EBITDA ein Minus von 7. Mio. EUR; in diesem Jahr ist deshalb mit Integrationskosten im neuen Konzern zu rechnen. Möglicherweise rutscht Bravofly dadurch sogar in die roten Zahlen. Doch schon ab dem zweiten Halbjahr 2016 erwartet das Bravofly-Management aus dem lastminute-Deal grosse positive Effekte. Bei der anvisierten EBITDA-Marge von 18% im 2017 könnten bei einem EBITDA von rund 60 Mio. EUR bei einer geschätzten Verdopplung der Abschreibungen auf rund 10 Mio. EUR rund 50 Mio. EUR vor Zinsen und Steuern hängen bleiben.
Bei einer geschätzten Verfünffachung der Finanzierungskosten auf etwa 5.0 Mio. EUR könnte der Gewinn vor Steuern dann im Bereich von 45 Mio. CHF liegen. Bei einem Steuersatz von 20% wäre da ein Jahresüberschuss von 35 Mio. EUR oder rund 2,60 CHF je Aktie vorstellbar. Und von einem geplanten EBITDA von 150 Mio. EUR im 2020 könnten nach Steuern etwa 100 Mio. EUR oder rund 8.0 CHF je Aktie hängen bleiben. Wegen des erwarteten enormen Wachstums war es nur konsequent, das Unternehmen jetzt umzutaufen. Seit heute wird Bravofly Rumbo an der Börse unter dem Namen lasminute.com gehandelt. Möglicherweise vergessen Anleger da auch die bisherige Negativbilanz seit dem IPO.
Bis 2020 ist es noch lange hin, Anleger sollten sich deshalb zuerst am 2017er-Ziel orientieren. Da Bravofly – jetzt lastminute.com – allerdings über hohe Substanz verfügt, hat die Aktie für etwas risikofreudigere Anleger bei einem erwarteten 7er-KGV im 2017 doch ihren Reiz. Charttechnisch betrachtet hat der Wert die wichtigen gleitenden Durchschnitte der 40-, 100- und auch 200-Tage-Linie überschritten und notiert an der unteren Begrenzung des kurzfristigen Aufwärtstrends. Möglicherweise prallt die Notierung von dort schon kurzfristig nach oben ab und Bravofly – lastminute.com – nimmt Kurs auf die 20 CHF-Marke.