Antoine Hubert nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um die Expansion seiner Klinik- und Hotelgruppe AEVIS VICTORIA geht. Schon nach dem Kauf der Luxus-Hotelgruppe Victoria-Jungfrau kündigte der CEO an, insbesondere im Klinikbereich durch Zukäufe weiter wachsen zu wollen (siehe Blog-Interview vom 1. Juni 2015). Auch im Rahmen einer Präsentation an der Aktienkonferenz Investora Anfang Oktober machte Antoine Hubert klar, dass für das Genolier Swiss Medical Network (GSMN) die Strategie „Kaufen, integrieren, ernten“ laute. Konkret bedeutet dies: Genolier ist aktiv auf der Suche nach weiteren Kliniken, welche in das GSMN integriert werden können. 2015 gehörten 15 Privatkliniken sowie eine angegliederte Klinik mit mehr als 950 Betten zu der Klinikgruppe. In den letzten zehn Jahren konnte die AEVIS VICTORIA-Gruppe ihren Umsatz vor allen Dingen durch Akquisitionen von 73.1 Mio. CHF auf voraussichtlich über 600 Mio. CHF im laufenden Jahr steigern.
Genolier an „freundlicher“ Übernahme interessiert
Angesichts dieser Strategie ist es wenig überraschend, dass es offenbar Gespräche zwischen der Klinik Générale-Beaulieu in Genf und Genolier gibt. Gemäss einem kürzlich erschienenen Online-Artikel der Westschweizer Tageszeitung „Le Temps“ möchte GSMN offenbar die Klinik Générale-Beaulieu in Genf kaufen. Der Verwaltungsrat prüfe die Avancen, einige Miteigentümer wären jedoch gegen diese Annäherung, schreibt die Zeitung. Gemäss „Le Temps“ habe das GSMN diese Woche ihr Interesse gezeigt, die Klinik Générale-Beaulieu (GB) zu übernehmen. Andreas von Planta, Präsident des Verwaltungsrates des Genfer Unternehmens, bestätigte gegenüber der Westschweizer Tageszeitung die Anfrage. Eine Kaufsumme wäre keine genannt worden. Informierte Kreise sprechen von einem „freundlichen“ Vorgehen der Nummer zwei im Schweizer Privatklinikbereich. Eine „freundliche“ Übernahme hatte AEVIS auch im Fall der Victoria-Jungfrau-Gruppe erfolgreich umgesetzt.
Gescheiterte Gespräche mit Klinik Grangettes
Die Übernahme entspringe einer gescheiterten Fusion zwischen Générale-Beaulieu und der Konkurrenzklinik Grangettes, so Le Temps. Mit dieser Fusion, scheinbar seit 18 Monaten geplant, hätten die beiden Kliniken gegenüber dem Hôpital de la Tour an Stärke gewonnen. Diese Klinik setzt laut Le Temps 206 Mio. CHF um, während es bei Grangettes nur 103 Mio. CHF und bei Générale-Beaulieu 91 Mio. CHF sind. Die Verhandlungen seien unter anderem an der Opposition der Ärzte-Genossenschaft mit ihrer 30%-Beteiligung an Générale-Beaulieu gescheitert. Gemäss der neuen Aktienstruktur hätten die Ärzte nur noch 12% an Générale-Beaulieu gehalten. Philippe Glatz, einziger Eigentümer von Grangettes, hätte hingegen einen Mehrheitsanteil von 56% erreicht. Gemäss einem Informanten von „Le Temps“ hätten sich zwei verschiedene Kulturen gegenübergestanden: Générale-Beaulieu gewichte die Rentabilität weniger hoch als Grangettes. Es werde also nicht ausgeschlossen, dass Grangettes wieder mit einem Gegenangebot ins Spiel komme. Dies allerdings unter der Voraussetzung, über die entsprechenden Mittel zu verfügen und eine konkrete Offerte vorzulegen. Denkbar wäre auch die Idee einer Holding mit zwei theoretisch unabhängigen Kliniken, schreibt die Westschweizer Tageszeitung.
Regulatorisches Umfeld verstärkt Druck
Aktuell bestehe nur der Vorschlag von Genolier, das nie verleugnet habe, Fuss in Genf, Basel oder Bern fassen zu wollen. Générale-Beaulieu müsste demnächst eine Stellungnahme abgeben, so der Bericht in Le Temps. Aber zu diesem Zeitpunkt scheine das waadtländische Angebot noch weit davon entfernt zu sein, eine Mehrheit oder gar Einstimmigkeit bei den Aktionären zu finden. Gemäss Aussage von Andreas von Planta wären die privaten Kliniken ständig in Kontakt, um über Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu diskutieren. Das regulatorische Umfeld im Gesundheitswesen habe sich in den letzten Jahren verstärkt, und Allianzen mit dem Ziel, Einsparungen zu realisieren und die Leistungen für die Patienten zu verbessern, wären ein Thema von grosser Aktualität. Le Temps berichtete auch über den abrupten Abgang von Générale-Beaulieu-Direktor Philippe Cassegrain, der das Unternehmen Ende September nach 22 Amtsjahren verlassen habe. Dieser Abgang sei jedoch auch auf die schwierigen Verhandlungen mit den Versicherungen zurückzuführen, nicht nur auf die gescheiterten Gespräche mit Grangettes.
Dass die AEVIS VICTORIA-Gruppe laufend auf der Suche nach interessanten Übernahmezielen im Klinikbereich ist, ist nicht neu. Neu ist aber, dass es offenbar erste konkrete Gespräche zwischen GSMN und der Privatklinik Générale-Beaulieu gibt. Für die Genfer Privatklinik könnte ein solcher Zusammenschluss mit der Genolier-Gruppe aus der Position der Stärke heraus erfolgen. Denn bisher steht das Unternehmen sehr solide da. Mit einem Umsatz von 91 Mio. CHF erzielte die Générale-Beaulieu Holding in 2014 einen Betriebsgewinn vor Abschreibungen (EBITDA) von 11.4 Mio. CHF (- 9.1%) und einen Reingewinn von 4.4 Mio. CHF (- 32.7%). Die EBITDA-Marge lag bei 12.4% (Vorjahr: 14.0%). Damit liegt die Genfer Klinik ungefähr auf dem Niveau der AEVIS VICTORIA-Gruppe, die in 2014 eine EBITDA-Marge von 12.1% auswies. Mittelfristig soll diese bei AEVIS aber auf 20% steigen. Solche Margenverbesserungen dürften allerdings nur möglich sein, wenn Synergien im Einkauf und Betrieb ausgeschöpft und gegenüber den Krankenkassen eine starke Verhandlungsposition eingenommen werden kann. Daher ist mit einer weiteren Konsolidierung im Spitalmarkt zu rechnen. Wie konkret ein Übernahmeangebot für die Générale-Beaulieu Holding aussehen könnte, ist derzeit noch nicht bekannt. Die letztbezahlten Kurse auf OTC-X lagen bei 11’350 CHF für eine Générale-Beaulieu-Namenaktie zu nominal 50 CHF. Dies entspricht in etwa dem 7.5fachen des 2014er- EBITDA. Zum Vergleich: Die AEVIS VICTORIA-Gruppe wird bei Kursen um die 44 CHF mit dem 10fachen des 2014er-EBITDA bewertet. Da derzeit noch keine belastbaren Informationen zu einer möglichen Transaktion vorliegen, werden wir erst eine konkrete Einschätzung abgeben, sobald der Prozess weiter vorangeschritten ist. Denn schon oft sind Fusionspläne bereits nach den ersten Gesprächen wieder erfolglos abgebrochen worden.