Durch die überraschende Frankenaufwertung im Januar hat sich das Urlaubs- und Reiseverhalten vieler EU-Bürger stark verändert. Destinationen in der Schweiz, die traditionell bevorzugt Urlauber aus Frankreich, Italien und Deutschland anziehen, oft in Grenznähe, verlieren weiter, weil es mit dem noch schwächeren Euro für immer mehr EU-Bürger zu teuer geworden ist. Das Engadin mit seinen gehobenen exklusiven Resorts und Hotels, die vorwiegend Deutsche ansprechen, findet sich plötzlich aufgrund der sich verändernden Markstrukturen auf der Schattenseite. Ski fahren in St. Moritz und Après-Ski ist noch keine Freizeittätigkeit, die Chinesen in ihren hypnotischen Bann ziehen kann. Dementsprechend vermag auch die Luxus-Hotellerie die schwächeren Besucherzahlen aus Russland und der EU nicht ausreichend zu kompensieren, wenngleich die Anzahl der Reisenden z.B. aus den USA und UK leicht zulegen können. Ein Beispiel hierfür ist Cresta Palace Celerina.
Jede Krise ist auch eine Chance
Entsprechend finden sich unter den Bergbahnen einige Unternehmen, die von diesem Trend negativ betroffen sind. Zu diesen gehören nicht nur Betriebe im Engadin, sondern auch in Graubünden, wie die Davos Klosters Bergbahnen AG. Auf der „Schokoladenseite“ befinden sich dagegen neben den Jungfraubahnen und der Schilthornbahn im Berner Oberland auch die Titlis- und Pilatusbahnen ebenso wie die Rigi Bahnen, die mit der zentralen Lage am Vierwaldstättersee und dem Marketing-Joker der „Ältesten Zahnradbahn der Welt (1871)“ punkten können. Hintergrund ist ein ausgeklügeltes Marketingkonzept rund um die „Königin der Berge“, das bereits vor Ort in China ansetzt. Zudem erfolgt eine Repositionierung über den Transportauftrag hinaus hin zum Tourismusunternehmen. Hier wird, schon ganz chinesisch, erkannt und genutzt, dass jede Krise eben auch gleichzeitig eine Chance ist. Die Geschwindigkeit, mit der sich weite Teile der betroffenen Schweizer Industrien an die veränderten Marktbedingungen anpassen, ist beeindruckend.
Schlüsselindustrie Uhren prosperiert
Dies zeigt sich vor allem an der Gesundheit der Branche, für die die Schweiz weltweit berühmt ist: die Uhrenindustrie. Trotz Frankenaufwertung bleibt die Stellung als klarer Weltmarkführer und wertmässig grösster Exporteur von Chronometern erhalten. Wer jetzt nur an den zuletzt enttäuschenden Kursverlauf von Swatch (- 16.5% binnen Jahresfrist) denkt, vergisst, dass die Uhrenindustrie für die Schweiz eine Schlüsselindustrie von grösster volkswirtschaftlicher Bedeutung ist und hauptsächlich nach wie vor in privaten Händen liegt, z.B. Patek Philippe und Rolex. Weiterhin geht es nicht nur um die Uhrenindustrie im engeren Sinne, bedenkt man, dass wichtige Zulieferer eben häufig nur zu einem geringeren Teil beispielsweise Microsysteme für Uhren liefern und hauptsächlich für andere Industrien wie Luft- und Raumfahrt, Messtechnik und Automobil tätig sind. Das Know-how aus der Uhrenfertigung mit dem weltweit akzeptierten Gütesiegel „Swiss made“ hat auch Zugang zu allen High-Tech-Industrien geschaffen. Kaum ein Satellit, eine Raumsonde oder ein Raumschiff kommt ohne Schweizer Präzisionsteile aus.
Im nächsten Teil der Serie blicken Sie direkt in das imposante Zahlenwerk der Schweizer Chronometrischen Industrie.
Mit dem neuen Format „Im Kontext“ beabsichtigen wir von schweizeraktien.net, in periodischen Artikel-Serien den gewohnten analytischen Blick auf das Micro-Level von einzelnen Aktien und Branchen durch einen breiteren und tieferen Kontext zu ergänzen, hin zu einem „Grossen Bild“. Dieses soll unseren Lesern in eher prosaischer Form und lebendig, bisweilen auch vergnüglich, wirtschaftliche, gesellschaftliche und historische Zusammenhänge vermitteln und Anregungen für die eigene Analyse der behandelten Sujets und Anlagethemen bieten, die oftmals im hektischen Tagesgeschäft in den Hintergrund gedrängt werden, aber für die fundierte Meinungsbildung „Im Kontext“ unabdingbar sind.
Den Start macht eine 10-teilige Serie zum Thema „Schweiz und Luxus – eine vielschichtige Beziehung„.