Am Branchentalk Tourismus, der am 4. November 2015 im Berner Kursaal stattfand, standen die Bergbahnen und deren Entwicklung im Fokus. Grosse Sorgen bereitet den Verantwortlichen der Branche vor allem das Wintergeschäft. Seit Jahren stagniert das Schweizer Wintersportgeschäft in der Gesamtsumme. Das Wachstum einzelner Unternehmen geht zulasten von anderen Firmen. Bestätigt wird dies auch durch die an der Veranstaltung präsentierte Branchenstudie über die schweizerischen Bergbahnen. Ausgewertet wurden insgesamt 46 Bahnbetriebe. Der Autor der Studie, Dr. Philipp Lütolf vom IFZ in Zug, erklärte den über 80 Teilnehmenden, dass über 50% der Bergbahnen in den letzten fünf Jahren einen mehr als 10%igen Rückgang der Verkehrserträge verzeichneten (siehe Referat). Allerdings gelang es 10% der Unternehmen, neue Rekordwerte zu erzielen. Weitaus mehr als der Rückgang der Einnahmen macht den Bahnen die Entwicklung des Ergebnisses zu schaffen. Wegen der starken Fixkostenlastigkeit des Bahngeschäfts ging beim Gros der Bahnen das EBITDA (Betriebsgewinn vor Zinsen und Abschreibungen) deutlich stärker zurück als die Umsätze.
Ersatzinvestitionen können nicht aus eigener Kraft finanziert werden
Diese Entwicklung führt dazu, dass zahlreiche Bergbahnen keine ausreichenden Mittel mehr erwirtschaften, um die Ersatzinvestitionen aus eigener Kraft finanzieren zu können. Auch wenn dies die Bahnen nicht in akute Notlagen bringt, wie dies etwa bei der Bergbahnen Destination Gstaad AG und bei den Brigels Bergbahnen AG der Fall war, wird dies auf lange Sicht zu Schwierigkeiten führen. Nur rund 25% aller untersuchten Bahnen erreichen einen mindestens genügenden Betriebsgewinn. Als genügend angesehen wird eine Cashflow-Marge von 3.8% der Gesamtinvestitionskosten. Dies erlaubt es den Gesellschaften unter der Annahme gleicher Preise, die Anlagen in 26 Jahren zu erneuern. Als gut angesehen werden Cashflow-Margen von mindestens 5%. Gerade 2 der untersuchten 46 Bahnen konnten in den letzten Jahren mehr Erträge bei tieferen Kosten generieren. Hierbei handelt es sich um die Schilthornbahnen AG und die Belalp Bahnen AG. So wundert es denn auch wenig, dass die Aktien der Schilthornbahnen gemeinsam mit den Titeln der Zermatt Bergbahnen AG und der Rigi Bahnen AG noch über Potenzial für Steigerungen verfügen. Zu den Top-Bahnen gehören die Titlis Bergbahnen AG, die Jungfraubahnen Holding AG und die Pilatus-Bahnen AG. Die Titel der meisten anderen Gesellschaften weisen hingegen nur eine sehr geringe Anlagequalität auf. Es handelt sich oftmals um Liebhaberpapiere, die von eng mit der Region verbundenen Investoren gehalten werden. Ebenfalls ein Kriterium für den Kauf der Papiere kann die Naturaldividende in der Form von Gratisbilletten und einer guten Verpflegung der Aktionäre an der Generalversammlung sein.
Neue Regelungen für Inhaberaktien
Gerade die Generalversammlung wurde denn auch von Publikumsseite kritisiert. So führe etwa die Zermatt Bergbahnen AG die Versammlung am Freitag Abend um 17 Uhr auf 3’000 Metern Höhe durch, wodurch die Teilnahme an der Versammlung für auswärtige Gäste sehr schwierig werde. Einen weiteren Problempunkt einiger Gesellschaften sprach der Leiter Handel und Kapitalmarktfinanzierungen der Berner Kantonalbank (BEKB), Reto Padrutt, in seiner Begrüssung an. Dies betrifft das Erfordernis der Gesellschaften, ihre Aktionäre zu registrieren, was besonders bei Inhaberpapieren sehr schwierig sei (siehe Referat). Mit der Einführung der neuen gesetzlichen Regelungen, über die wir hier im Blog berichteten, müssen sich die Aktionäre zur Wahrung der Vermögensrechte bei der Gesellschaft registrieren. Insgesamt sehen sich die Gesellschaften mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert, für die die anwesenden Bahnvertreter ihre eigenen Lösungsvorschläge unterbreiteten.
Jungfraubahnen mit „Top of Europe“ als Marke
Für die Jungfraubahnen ist der Ausflug auf das Jungfraujoch „Top of Europe“ das wichtigste Asset der Gesellschaft, wie CEO Urs Kessler in seinem Referat aufzeigte. So sollen bis ins Jahr 2020 jährlich 1 Mio. Besucher den Ausflug auf das Jungfraujoch machen. Auch will Kessler den Verkehrsertrag, der durch das Jungfraujoch generiert wird, auf jährlich 100 Mio. CHF erhöhen. Dabei soll auch der Durchschnittsertrag pro Gast von aktuell 110 CHF auf 120 CHF gesteigert werden. Keinerlei Konzessionen machen will Kessler bei den Preisen für den Ausflug auf den „Top of Europe“. Um die Qualität des Angebots gewährleisten zu können, werde die Besucherzahl auf 5’000 Gäste pro Tag beschränkt; in den Monaten Juli und August wurde diese Quantität an rund 40% der Tage erreicht. Um auch den preissensitiveren Gästen ein zusätzliches Angebot bieten zu können, setzt Kessler auf Ausbauten der anderen Erlebnisberge. Hierzu zählt etwa der Ausflug auf Grindelwald First oder den Harder Kulm oberhalb von Interlaken. Derzeit an erster Stelle steht allerdings das V-Bahn-Projekt. Durch die neue Bahn wird die Anreisezeit in das Gebiet mit dem öffentlichen Verkehr deutlich reduziert. Hieraus erhofft sich der Firmenchef nicht nur eine Verbesserung des Angebots für Ausflugsgäste auf das Joch, sondern vor allem auch eine Stärkung des Wintersportgeschäfts. Dieses ist das Sorgenkind der Jungfraubahnen. Zwar werden nur 38% der Gesamterträge im Wintergeschäft und 18% der Einkünfte aus dem Verkauf von Skipässen generiert. Dennoch kostet der Bahnbetrieb im Winter pro Tag 280’000 CHF, woraus ein Verlust von 67’000 CHF pro Tag respektive von 8 Mio. CHF pro Saison resultiert. Diese roten Zahlen hofft Kessler durch die Stärkung des Wintersportgeschäfts mit der V-Bahn zu kompensieren. Im Fokus hat er dabei auch Gäste aus Fernost.
Neue Strategie bei den Rigi Bahnen
Der seit 2014 amtierende VR-Präsident der Rigi Bahnen AG, Karl Bucher, erläuterte, dass sein Unternehmen verstärkt auf ein gesamtheitliches Gästeangebot setzt (siehe Referat). Im Rahmen der neuen Firmenstrategie soll sich das Unternehmen von einem reinen Transportdienstleister zu einem vollwertigen Anbieter mit einem Tourismusangebot am Berg wandeln. Zu der neuen Strategie gehört es inbesondere, mit allen auf der Rigi vertretenen Unternehmen – hierbei handelt es sich nach Aussage von Bucher um 40 – eine gemeinsame Zukunftslösung zu entwickeln. Im Fokus des Angebots steht der Ausbau des Services für den Gast; dazu zählt auch das Angebot im Bereich Hotellerie und Gastronomie. Um den Gästebedürfnissen gerecht zu werden, hofft die Gesellschaft auf die Kooperation mit den Partnern vor Ort. Sollten diese allerdings nicht den gewünschten Erfolg bewirken, werde die Gesellschaft die Angebotserweiterung selbst an die Hand nehmen, so Bucher. Deutliche Erfolge verzeichnete die Rigibahn bereits im laufenden Jahr. Wie Karl Bucher am Branchentalk ausführte, werden bereits 2015 die Ertragsziele für das Jahr 2019 mit einem EBITDA von mehr als 6 Mio. CHF erreicht werden. Ebenfalls sollen die Anteilseigner eine Dividendenausschüttung für 2015 erhalten. Zu deren Höhe äusserte er sich jedoch auch auf Nachfrage aus dem Publikum nicht. Allerdings liess Bucher durchblicken, lieber eine tiefe, aber dafür kontinuierliche Dividende auszahlen zu wollen anstatt eine stark schwankende Dividende. Auf der Agenda steht der Ausbau des Angebots auf Rigi Kulm sowie für die Zeit ab 2020 die Beschaffung neuer Züge. Keine Investitionen sind hingegen für den Wintersportbetrieb geplant, wie der VRP erklärte. Auch wenn es im Winter 2014/15 erstmals gelungen ist, die Verlustzone zu verlassen, wird das Wintergeschäft nicht ausgebaut werden. Statt auf den Skibetrieb setzt die Rigibahn auf Schneeschuhläufer, die keine Bahnen benötigen.
Zermatt Bergbahnen baut höchste Alpenquerung
Als Vorzeigemodell für Bergbahnen kann die Zermatt Bergbahnen AG, die von CEO Markus Hasler vorgestellt wurde, angesehen werden (siehe Referat). Der entscheidende Schritt für den Erfolg des Unternehmens sei die im Jahr 2002 erfolgte Fusion gewesen. Im Gegensatz zu den meisten Bergbahngesellschaften ist die Zermatt Bergbahnen ein reines Transportunternehmen, das nur das Restaurant auf dem Klein Matterhorn selbst betreibt. Insgesamt verfügt ds Skigebiet über 50 Restaurants. Neben einem qualitativ hochstehenden Bahnangebot will Hasler zukünftig auf die qualitative Steigerung des Erlebnisses am Berg für den Gast setzen. Die wichtigsten Erfolgsfaktoren sind die Führerschaft in der Qualität der Anlagen und eine stetige Modernisierung. So plant die Bahn, jährlich rund 20 Mio. CHF in die Verbesserung des Angebots zu investieren. Sehr wichtig sei es auch, dass die Bergbahnen in die Zukunft schauen. So zogen die Investitionen der Zermatt Bergbahnen zahlreiche Folgeprojekte in der gesamten Destination nach, was zu einer erheblichen Optimierung des gesamten Angebots geführt habe. Hiervon profitieren alle Anbieter. Deutlich wird der Erfolg von Zermatt als Destination etwa bei der Entwicklung des Wintergeschäfts, wo das Unternehmen konstante bis leicht steigende Einnahmen verzeichnet. Auch die Hotelleriebranche in Zermatt entwickelt sich entgegen dem landesweiten Trend. So zeichnet sich bei den Hotels eine gegenüber dem Vorjahr verbesserte Wintersaison ab, während an anderen Destinationen die Molltöne vorherrschen. Dies bestätigt auch Urs Kessler von den Jungfraubahnen, der von einer schwierigen Wintersaison für die Jungfrauregion ausgeht. Um auch weiterhin ein Angebot der Spitzenklasse präsentieren zu können, bauen die Zermatt Bergbahnen eine neue Verbindungsbahn nach Italien. Hierfür werden insgesamt 65 Mio. CHF investiert. Ziel ist es, den Gästen die höchste Alpenquerung zu bieten. Hasler peilt Individualreisende aus Asien an, die bereit sind, für dieses Angebot den entsprechend hoch angesetzten Preis zu zahlen. Gegen ein mögliches Billigangebot verwehrt sich Hasler. Der entsprechenden Nachfrage aus dem Publikum setzte er ein klares Bekenntnis von Zermatt zu einer Spitzenleistung entgegen, die auch einen entsprechend hohen Preis rechtfertige. Zermatt setzt nicht auf den Massentourismus, der auch angesichts der Hotellerie nicht zur Destination passe.
China mit extremen Preisdruck
In der anschliessenden Diskussionsrunde, an der neben den erwähnten Bergbahndirektoren ebenfalls Marco Russi, Vertreter von Kuoni, teilnahm, wurden die Strategien der Bahnen nochmals näher unter die Lupe genommen. Russi wartete mit der Aussage auf, dass bei den Reisenden aus China ein extremer Preisdruck herrsche. Das von vielen Anbietern als Wachstumsmarkt angesehene Land bezeichnete auch Kessler als schwierig. Für das Gros der chinesischen Gäste steht denn auch viel mehr das Shoppingerlebnis im Vordergrund, während der Berg in den Hintergrund rückt. Vor allem bei den Gruppenreisenden seien die Übernachtungspreise in der Schweiz zu hoch, so dass zwar die Reisen über die Schweiz führen, aber ohne Übernachtungen zu generieren, so Russi. Anders stellt sich die Situation hingegen bei den Individualreisenden dar. Hier wird eine deutliche Zunahme in den nächsten Jahren erwartet. Während es in Japan rund 25 Jahre seit Beginn der Gruppenreisen in die Schweiz dauerte, bis die Gäste als Individualtouristen in die Schweiz kamen, soll dies bei den chinesischen Gästen deutlich rascher erfolgen.
Keine Konsolidierung zu erwarten
Ein wichtiges Thema war auch eine mögliche Konsolidierung in der Bergbahnbranche. Bei einem gesamthaft stagnierenden Markt müssen die einzelnen Bahnen ihre Attraktivität steigern, um bei den Gästen im Rennen zu bleiben. Allerdings sind nur wenige Unternehmen in der Lage, die Investitionen selbst zu finanzieren. Als Lösung böte sich eine Konsolidierung an. Diese wäre zwar betriebswirtschaftlich sinnvoll, dürfte aber an den einzelnen Destinationen scheitern. Stark in die Kritik geriet hierbei das geplante neue Skigebiet in Andermatt. Deutliche Worte fand Markus Hasler, der Andermatt als Sündenfall par excellence bezeichnete. Ein solcher Fall führe dazu, dass die Gebiete auf lokaler Ebene noch mehr verlieren würden und die Investitionen nicht mehr finanziert werden könnten. Dadurch würden kleinere Gebiete „verhungern“. Als einzige Hilfslösung in Betracht komme eine lokale Unterstützung. Lütolf erwähnte noch einen Vorteil kleinerer Skigebiete: Diese würden vor allem von Tagesgästen aus der Region besucht, die weitaus weniger sensitiv auf wechselkursbedingte Preisänderungen reagierten. Auch stehe der Komfort für diese Gäste nicht an erster Stelle, so dass es durchaus auch möglich sei, alte Schlepplifte weiterhin zu betreiben, anstatt diese durch teure leistungsstärkere Bahnen zu ersetzen. Eine Konsolidierung der Branche erwartet indessen auch Lütolf nicht. So werden die Bahnanlagen für die jeweiligen Destinationen als lokal bedeutender Wirtschaftsfaktor angesehen, der auch entsprechend unterstützt wird. Deutlich wird dies etwa in Gstaad, wo die Bahnen mit der Unterstützung der Gemeinden, die ein Interesse an der Aufrechterhaltung des Angebots haben, saniert wurden. So wird die betriebswirtschaftliche notwendige Reduktion des Angebots nicht eintreten, lautete das Fazit der Panelteilnehmer.
Fotogalerie
Referate:
Reto Padrutt, BEKB¦BCBE: Präsentation BEKB BT Tourismus
Dr. Philipp Lütolf, IFZ: Präsentation Finanzsituation IFZ BT Tourismus
Urs Kessler, Jungfraubahnen Holding AG: Präsentation Jungfraubahnen BT Tourismus
Karl Bucher, Rigi Bahnen AG: Präsentation Rigi Bahnen BT Tourismus
Markus Hasler, Zermatt Bergbahnen AG: Präsentation Zermatt BB BT Tourismus