Es war wohl die kürzeste Generalversammlung (GV) der AG für die Neue Zürcher Zeitung der letzten Jahre. Nach knapp 90 Minuten konnte Verwaltungsratspräsident Etienne Jornod den offiziellen Teil der Aktionärszusammenkunft schliessen. Kritische Voten und lange Diskussionen gab es in diesem Jahr, im Gegensatz zu den Vorjahren, keine. Die neuen Verwaltungsräte – der Gründer des Vermögensverwalters VZ Vermögenszentrum, Matthias Reinhart, sowie ETH-Professor Roland Siegwart – wurden fast ohne Gegenstimmen gewählt. Auch Internetunternehmer Joachim Schoss darf nun weitere vier Jahre im VR des Medienunternehmens mitwirken. Nur eine einzige Frage zum Ergebnis gab es – das wars. Der Verlauf der 148. Generalversammlung erweckte den Anschein, als ob die „alte Tante“ nun wieder in ruhigeres Fahrwasser geraten sei.
Lesermarkt und Business Medien stehen im Fokus
Bereits in der Begrüssungsansprache machte Jornod in seiner gewohnt charismatischen Art deutlich, was die Aktionäre von «ihrer» NZZ erwarten dürfen und was nicht. Er verwies dabei auf die 2013 eingeschlagene Strategie, den Fokus auf die Publizistik zu legen, statt in medienferne Geschäftsbereiche zu diversifizieren. Jornod betonte in diesem Zusammenhang nochmals die Stärke der NZZ in puncto Qualität der Publizistik. Wachsen wolle man daher im Lesermarkt und im neuen Bereich der Business Medien. Ausserdem wies er wieder auf den statutarischen Auftrag der AG für die Neue Zürcher Zeitung und das Primat der Publizistik hin. „Wir sind kein Medienunternehmen wie jedes andere“, rief Jornod gegenüber den Aktionären in Erinnerung. Ziel der NZZ Mediengruppe sei es nicht primär, eine möglichst hohe Rendite zu erwirtschaften, sondern die Existenz der hervorragenden Neuen Zürcher Zeitung sicherzustellen. „Jeder Aktionär sollte das wissen, bevor er eine NZZ-Aktie kauft“, sagte der Verwaltungsrat klipp und klar. Anschliessend zeigte er anhand von verschiedenen Massnahmen auf, dass die neue Strategie der NZZ Mediengruppe in 2015 zu greifen begonnen habe. Das Unternehmen arbeite heute viel datengetriebener als früher, verfüge über moderne Datenbanken und Systeme, nutze Synergien innerhalb der Gruppe stärker und habe die eigene Verkaufsorganisation etablieren können. Dennoch gebe es eine Vielzahl an Herausforderungen, vor denen die NZZ Mediengruppe stehe. „Unsere Innovationen sollten noch schneller am Markt sein“, erklärte Jornod. Und man müsse in vielen Punkten noch besser werden. Um die besondere Positionierung der Neuen Zürcher Zeitung herauszustreichen, verglich er sie mit Luxusgütern. „Die Neue Zürcher Zeitung ist unique, wie eine Breguet-Uhr oder eine Hermès-Tasche“, so Jornod.
Anzeichen einer Trendwende
NZZ-CEO Veit Dengler zeigte in seinem Bericht zum Geschäftsjahr die Veränderungen in der Medienlandschaft in den letzten zehn Jahren und auch innerhalb der NZZ Mediengruppe auf. Seit 2005 habe das Unternehmen rund 60 Mio. CHF an Printumsätzen verloren, die auch nicht mehr ersetzt werden konnten, so Dengler. Viele Medienunternehmen seien durch den Wandel zu Gemischtwarenläden geworden. Diesen Weg will die NZZ allerdings nicht verfolgen, wie Dengler schon an der letztjährigen GV deutlich machte. Er wertete das Geschäftsergebnis für 2015, das noch durch die Schliessung der Druckerei in Schlieren sowie durch den Verkauf von Immobilien geprägt war, als Anzeichnen einer Trendwende. Bei einem weiterhin rückläufigen Umsatz von 456.4 Mio. CHF (- 3.1%) konnte das Betriebsergebnis (EBIT) leicht auf 21.6 Mio. CHF gesteigert werden. Auch der Reingewinn stieg auf 22.2 Mio. CHF (siehe Geschäftsbericht 2015). Innerhalb des Geschäftsbereiches NZZ Medien habe sich der Relaunch der Neuen Zürcher Zeitung positiv auf die Leserzahlen ausgewirkt. Bei den Regionalmedien sei die Zusammenarbeit verbessert worden, und Synergien würden aufgrund der einheitlichen Führung besser genutzt. Besonders erfreut zeigte sich Dengler über die neue Einheit Business Medien, in der das Konferenzgeschäft, Auskunftsdienste wie moneyhouse und Fachmedien zusammengefasst sind. Bei einem Umsatz von 40.8 Mio. CHF steuerte dieser Bereich einen EBIT-Beitrag von 8.4 Mio. CHF zum Gesamtergebnis bei, was fast 40% entspricht.
Information, Analyse, Einordnung – für Private und Geschäftskunden
Die künftige Entwicklung der NZZ Mediengruppe skizzierte der CEO mit vier Kreisen. Kern der Gruppe bleiben die Flaggschiffe Neue Zürcher Zeitung und Regionalmedien mit TV und Radioaktivitäten. Dieser Kern wird durch neue Produkte wie den digitalen Newsdienst NZZ Select und regionale Angebote im Bereich der elektronischen Medien wie FM1Today ergänzt. Hinzu kommen in einem dritten Kreis neue Angebote in anderen Geografien wie nzz.at. Der vierte Kreis umfasst schliesslich sämtliche Business-to-Business-Aktivitäten (B2B), die im Geschäftsbereich Business Medien zusammengefasst sind. Dengler machte auch klar, welche Klammer diese vier Bereiche haben. „Die NZZ steht für Information, Analyse, Einordung. Und dies für Privat- und Geschäftskunden“, so Dengler. In den kommenden Jahren gehe es nun darum, die weiterhin rückläufigen Umsätze im Werbemarkt durch Wachstum im Lesermarkt und im Bereich der Business Medien zu kompensieren“, schloss Dengler. Er machte deutlich, dass die NZZ hier erst am Anfang eines langen Weges steht. Konkrete Angaben zum ersten Quartal 2015 gab es vom CEO und Verwaltungspräsidenten ebenso wenig wie zu weiteren Wachstumsschritten. Nur im Zusammenhang mit der Dividendenausschüttung liess Etienne Jornod durchblicken, dass die NZZ Mediengruppe einen Teil der Gewinne einbehalten werde, um in dem weiter voranschreitenden Konsolidierungsprozess in der Branche handlungsfähig zu bleiben. In Bezug auf die Immobilienstrategie sagte Jornod, dass das Unternehmen künftig nur noch betriebsnotwendige Grundstücke selber halten wird. Im Geschäftsjahr 2015 hatten Liegenschaftsverkäufe u.a. in Schlieren zu einem ausserordentlichen Ergebnisbeitrag von 10.4 Mio. CHF geführt, mit dem Fremdwährungsverluste, die insbesondere aufgrund der Euro-Abwertung entstanden waren, ausgeglichen werden konnten.
Der Jahresabschluss NZZ Mediengruppe gibt Anlass zur Hoffnung, dass das traditionsreiche Medienunternehmen nun die Talsohle erreicht hat. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass ausserordentliche Faktoren massgeblich zu dem positiven Geschäftsergebnis geführt haben. Insbesondere die deutlich reduzierten Abschreibungen (statt 31.1 Mio. CHF waren es nur noch 24.6 Mio. CHF), die nur dank des „Tabula rasa“ in 2014 möglich waren, machten die Ergebnisverbesserung möglich. Der mehrjährige Trend zeigt bei wichtigen Kennzahlen wie dem Umsatz, dem Betriebsergebnis vor Abschreibungen (EBITDA) und bei der Entwicklung des Eigenkapitals noch nach unten. Wichtig ist es nun, dass dieser Trend in 2016 durchbrochen und so die Basis für ein mittelfristiges gesundes Wachstum gelegt werden kann. Da in 2016 die Effekte der Druckereischliessung in Schlieren sowie Synergien innerhalb der Regionalmedien erstmals voll zum Tragen kommen werden, dürfte sich dies positiv auf das Jahresergebnis auswirken. Im Bereich der Business Medien könnten weiteren Akquisitionen zusätzlich positive Ergebniseffekte beisteuern. Ein zumindest gleichbleibendes, wenn nicht sogar höheres Gruppenergebnis ist daher für 2016 denkbar. Auf Basis der 2015er Zahlen wird die NZZ-Aktie bei Kursen um die 6’000 CHF auf OTC-X mit einem Kurs/Gewinn-Verhältnis von 12 gehandelt. Die Dividendenrendite beträgt 3.3% – eine gleichbleibende Ausschüttung von 200 CHF je Aktie vorausgesetzt. Auch wenn der Weg zu weiterem Wachstum für das Medienunternehmen nicht einfach sein dürfte, so sind angesichts eines Discounts von 14% auf den Buchwert von 6904 CHF viele Risiken im aktuellen Aktienkurs eingepreist. Bei einer weiterhin positiven Geschäftsentwicklung ist eine Annäherung an den Buchwert denkbar. Allerdings bleiben wir bei unserer bereits vor zwei Jahren geäusserten Einschätzung, dass die NZZ-Aktie ein Liebhaberpapier ist. Dies machte Etienne Jornod in seiner GV-Ansprache in diesem Jahr einmal mehr deutlich. Wer NZZ-Aktionär ist oder werden möchte, sollte seine Renditeerwartungen zurückschrauben können (auch wenn dies für 2015 nicht nötig war). Dafür wird er quasi Mitglied eines elitären Clubs und darf an exklusiven Aktionärsveranstaltungen sowie einer Generalversammlung (inkl. Buchpräsent) mit grosszügigem Essen und guten Networkingmöglichkeiten teilnehmen.
Transparenzhinweis: Der Autor ist Aktionär der Gesellschaft.