Einen eher ungewöhnlichen Vorgang kann man aktuell bei der auf der Handelsplattform OTC-X nur noch selten gehandelten Lorze AG des Vollblutunternehmers Adrian Gasser erleben. Über die genauso traditionsreiche wie ungewöhnliche – und leider auch intransparente – Immobilien- und Beteiligungsgesellschaft Lorze AG hatten wir an dieser Stelle wiederholt berichtet. Aufgrund der niedrigen Transparenz und zuletzt sogar wieder zunehmenden Defizite in der Aktionärskommunikation hatten wir uns im Januar 2016 entschieden, die Aktie der Lorze AG – immerhin mit einer deutlich zweistelligen Performance seit Kauf – aus dem OTC-X-Musterportfolio zu entfernen. Seither gab es unternehmensseitig keine Neuigkeiten in der notorisch verschwiegenen Gesellschaft.
Rückwirkende Wahl des Revisors für 2015
In diesen Tagen erreichte die Aktionäre aber die Einladung zu einer ausserordentlichen Generalversammlung am 6. Juni 2016 im Parkhotel Langenthal. Das Hotel gehört – wie so vieles andere auch – zum unübersichtlichen Beteiligungsgeflecht der Lorze AG. Einziger Tagesordnungspunkt – neben der „Allgemeinen Umfrage“ in Traktandum 2 – ist dabei die Wahl einer neuen Revisionsstelle. Hintergrund ist, dass der Verwaltungsrat der Lorze AG offenbar beschlossen hat, das Mandat der Revisionsstelle neu an die ebenfalls in Langenthal domizilierte Grevag AG (Treuhandbüro Geissbühler) zu vergeben. Und weil die Prüfung der Jahresrechnung 2015 „noch nicht durchgeführt worden ist, hält es der Verwaltungsrat für richtig, die Prüfung der Jahresrechnung 2015 bereits durch die Grevag AG ausführen zu lassen.“
Dieser zunächst unspektakuläre Vorgang hat es erst auf den zweiten Blick in sich. Er vermag gerade deshalb zu erstaunen, weil erst an der letztjährigen ordentlichen Generalversammlung vom 29. September 2015 mit der SRG Schweizerische Revisionsgesellschaft AG, Lorze-Revisor seit dem Jahr 2012, „eigentlich“ in Traktandum 5 bereits eine Revisionsstelle für das Jahr 2015 von den Aktionären rechtmässig gewählt wurde – nun aber nicht zum Zuge kommen und ersetzt werden soll.
Weiter heisst es in dem Schreiben der Lorze AG wörtlich: „Damit anlässlich der ordentlichen Generalversammlung, welche am 30. September 2016 stattfinden wird, eine durch die Grevag AG geprüfte Jahresrechnung vorliegen kann, muss – im Gegensatz zu früher, als eine rückwirkende Wahl auch rechtlich akzeptiert wurde – neu die Revisionsstelle vorgängig von der Generalversammlung gewählt werden.“
Über die inhaltlichen Gründe für den beantragten und in dieser Form sicherlich ungewöhnlichen, in jedem Fall aber überraschenden Revisorenwechsel für das schon seit mehr als 4 Monaten beendete Geschäftsjahr 2015 ist zum heutigen Zeitpunkt nichts bekannt. Es mutet aus einer Aussenperspektive aber sehr ungewöhnlich und auch erklärungsbedürftig an, dass eine gewählte, schweizweit tätige Revisionsstelle – zum Zeitpunkt der ausserordentlichen GV mehr als 5 Monate nach dem Geschäftsjahresende – faktisch abgewählt und durch eine andere, augenscheinlich kleinere und eher regional in der Region Langenthal verankerte Adresse ersetzt wird.
Neue KMU-Rechnungslegung als Grund?
Es bleibt vorläufig eine Spekulation, ob nicht möglicherweise ein Zusammenhang mit dem für das Geschäftsjahr 2015 erstmals anzuwendenden neuen KMU-Rechnungslegungsrecht besteht, das in der Theorie auch das Ziel verfolgt, gerade auch bei kleineren Gesellschaften wie der Lorze AG mit beteiligten Minderheiten für etwas „mehr Transparenz“ in der Darstellung gegenüber verschiedenen Anspruchsgruppen, insbesondere gegenüber den Minderheitsaktionären, zu sorgen. Allerdings hat gerade erst die Lorze AG für das zuletzt verfügbare Geschäftsjahr 2014 in punkto Transparenz – es fehlte etwa ein konsolidierter „Konzernabschluss“ – mehr als nur einen Schritt zurück gemacht und war in ihrer Rechnungslegung noch intransparenter als auch schon. An weitergehenden Spekulationen über die tatsächliche Motivlage bei dem in der Vergangenheit bisweilen streitbaren Hauptaktionär Adrian Gasser wollen wir uns aber heute nicht beteiligen.
Aus Sicht der aussenstehenden Aktionäre ist die heutige Situation in der Lorze AG bei einem alles dominierenden Hauptaktionär alles andere als trivial, auch wenn die sehr hohe, weit über den zuletzt bezahlten Kursen liegende Substanz der Lorze AG – und auch die „potenzielle Ertragskraft“ (vor Abschreibungen…) – die Risiken einer Investition fundamental abfedern dürfte. Wir schätzen auch, dass Adrian Gasser in „seiner“ Unternehmensgruppe sehr erfolgreich wirtschaftet – wissen allerdings (leider) nicht genau, wo die Erfolge letztlich in welchem Umfang anfallen. In unserer Prognose kontrolliert Adrian Gasser bereits weit mehr als 90% der Lorze AG, und es sind faktisch nur noch sehr wenige Aktien im freien Umlauf.
Nach unserer Einschätzung findet schon seit einiger Zeit – wohl auch durch eine „erfolgreiche Zermürbungstaktik“ – eine Verdichtung und Konzentration im Aktionariat statt. Im Jahr 2014 lag die Präsenz auf der Generalversammlung bei nur etwa 20 anwesenden Aktionären bereits bei hohen 95.47%. Ende September 2015, an der letztjährigen GV, waren schon 97.19% des Kapitals oder 3’936’317 von 4’050’000 Aktien – bei einer geschätzt tieferen Aktionärsanzahl – vertreten. Ausserhalb der Teilnehmer der 2015-GV sind demnach nur noch ca. 115’000 Lorze-Aktien ausstehend. Daher auch die tiefe Handelsliquidität.
Die Lorze AG hätte in der Theorie – in einer anderen Struktur – gleichzeitig das Potenzial, um zu einer echten Erfolgsgeschichte des ausserbörslichen Marktes zu reifen. Dafür müsste sie jedoch in vielerlei Hinsicht ändern, nicht zuletzt auch in ihrer Kommunikation und in der Berichterstattung gegenüber den Aktionären und der interessierten Öffentlichkeit.
Heute – und auch in der Vergangenheit – ist die Informationsverteilung in der Lorze AG bestenfalls „asymmetrisch„: Von der totalen, zuletzt leider nochmals ausgeweiteten Intransparenz profitiert in erster Linie der Hauptaktionär, der die Werte der Lorze AG – anders als die Streubesitzaktionäre – bestens kennt und entsprechend disponieren kann. Solange der Hauptaktionär aber daran interessiert ist, weitere Aktien – wie etwa bei dem inhaltlich im Kern fragwürdigen 3000:1-Umtauschangebot in Reishauer auf einer Bewertungsbasis von lediglich 20 CHF je Lorze-Aktie – möglichst günstig zuzukaufen, kann er bei rationaler Betrachtung und einem langem Zeithorizont kein Interesse an mehr Transparenz und – von mehr Transparenz – ansonsten möglicherweise ausgelösten, höheren Kursen haben, auch wenn diese mit Blick auf die Substanz und das langfristige Ertragspotenzial angemessener wären.
Mit einer transparenteren Darstellung im Geschäftsbericht über die tatsächliche Ertragslage in der Lorze Gruppe und das konsolidierte Bilanzbild – die nicht zuletzt Adrian Gasser selbst als Vertreter des weitgehend entrechteten „Minderheitsaktionärs“ Lorze AG regelmässig und über viele Jahre von der Reishauer-Gruppe völlig zu Recht eingefordert hatte – wäre den aussenstehenden Aktionären bereits geholfen, denn es ist auch ihre Beteiligung am Unternehmen!
Ob der Hauptaktionär eine solche „Öffnung“ zum heutigen Zeitpunkt aber überhaupt will, steht auf einem anderen Blatt. Aus heutiger Sicht gehen wir – leider – eher nicht davon aus, täuschen uns aber sehr gerne in diesem Punkt, wenn wir den von der dann wohl neuen Revisionsstelle Grevag AG geprüften Geschäftsbericht 2015 im Herbst 2016 in den Händen halten.
Die Aktionäre der Lorze AG müssen sich weiter in Geduld üben, vermutlich auch mit der neuen Revisionsstelle.
Transparenzhinweis: Der Autor ist Aktionär der Gesellschaft.