Das zweite Quartal 2016 brachte für die Schweiz und weltweit eine deutliche Belebung des IPO-Marktes. Das erste Quartal war noch extrem verhalten gewesen. Nach der überaus erfolgreichen VAT-Platzierung, über die bereits im April berichtet worden war, folgte Ende Juni nun der Börsengang der Genfer Immobilienholding Investis. Auch der verlief für die Investoren gut.
Am ersten Handelstag, dem 30. Juni, konnten sich die Erstzeichner von Investis über eine Zeichnungsperformance von 8% freuen. Nach einem Abtaucher auf 53.60 CHF legte die Aktie inzwischen auf 60 CHF zu. Die Zuteilung war bei 53 CHF erfolgt, die Bookbuilding-Spanne hatte zwischen 49 CHF und 68 CHF gelegen. Insgesamt wurden inklusive Mehrzuteilungsoption 3.08 Mio. Namenaktien platziert. Der Emissionsertrag betrug 163.2 Mio. CHF. Die Altaktionäre unterliegen einer lock-up-Verpflichtung von 36 bzw. 12 Monaten bezogen auf 67% des Aktienkapitals. Der Streubesitz beträgt 24,1%. Damit verbleiben 75,9% beim Hauptaktionär. Das heisst auch, dass es einen Überhang von fast 9% des Aktienkapitals gibt, der jederzeit zusätzlich an den Markt kommen kann. Die Transaktion war vom Konsortialführer Credit Suisse organisiert und begleitet worden mit der ZKB als Co-Lead Manager.
Investis – setzt sich die Erfolgsgeschichte fort?
Investis besitzt nach eigenen Angaben 2 220 Wohneinheiten in 124 Liegenschaften am Genfersee und ist darüber hinaus schweizweit an 12 Standorten als Immobiliendienstleister aktiv. Die Gesellschaft beschäftigt 1 100 Mitarbeiter. Bei einer Bewertung des Immobilienvermögens Ende 2015 wurde ein Wert von 857 Mio. CHF ermittelt. Investis war 1994 vom bisherigen Alleinaktionär Stéphane Bonvin gegründet worden. 2015 hatte der Umsatz 157 Mio. CHF betragen, das EBIT 60 Mio. CHF und der Reingewinn 45 Mio. CHF. Die Mieten sind zuletzt im niedrigen einstelligen Bereich gestiegen. Nach Einschätzung von UBS zählt der Grossraum Genf mit Zürich und Basel zu den „Gefahrenregionen“ in der Schweiz mit Blick auf Überhitzungstendenzen am Immobilienmarkt.
Performance-Leader VAT
Mit einer Performance von fast 35% führt VAT die europäische Liste der IPO-Gewinner 2016 gemäss dem ZKB IPO Newsletter an. Bei VAT läuft die lock-up-Frist für die Altaktionäre übrigens nach 6 Monaten am 14. Oktober ab. Nicht auszuschliessen, sondern eher wahrscheinlich ist, dass sich die Private Equity Investoren dann von weiteren Anteilen trennen, um ihren Exit, in Schritten, weiter zu vollziehen. Es schadet nicht, sich auch einmal die Wertschöpfungskette Schritt für Schritt vor Augen zu halten. Denn die Investoren der PE Fonds sind zu einem wesentlichen Teil Versicherungen und Pensionskassen, die ihr Geld von denen erhalten, die nicht selten dann auch als Aktienkäufer auftreten – gewissermassen von einer Tasche in die andere …
Europäischer IPO-Markt belebt sich
Nach dem Emissionsvolumen führt die dänische DONG Energy die Liste der europäischen IPOs an. 2,6 Mrd. Euro betrug das Platzierungsvolumen. Die Performance fiel dagegen mit 2% soweit bescheiden aus. In Amsterdam platzierten ASR Nederland, ein Finanzdienstleister, Aktien im Wert von 1 Mrd. Euro und Philips Lightning im Wert von 862.5 Mio. Euro. Letztere legte inzwischen um rund 5% zu, während erstere um 4% verlor. An der spanischen Börse nahm Parques Reunidos nach dem IPO den Handel auf, 600 Mio. Euro betrug das Platzierungsvolumen, die Performance mit minus 15% lässt für die neuen Aktionäre allerdings zu wünschen übrig.
GeNeuro und Talkpool IPOs in Paris und Stockholm
Während global betrachtet in QII 2016 nur 6% der IPOs grenzüberschreitend waren, gegenüber 8% im Vorjahresquartal, zeigt die Schweiz eine abweichende Entwicklung, denn zwei Schweizer Unternehmen gingen ausserhalb des Heimatlandes an die Börse. GeNeuro aus Genf entwickelt Therapien gegen Störungen des Zentralen Nervensystems und Autoimmunkrankheiten und entschied sich für den Börsengang an der Pariser Euronext, der im April vollzogen wurde. Die Gesellschaft erzielte einen Emissionsertrag von 33 Mio. Euro, 2.5 Mio. Aktien waren zu 13 Euro platziert worden. Der höchste bezahlte Kurs lag bei 13,72 Euro, aktuell notiert die Aktie bei 8.90 Euro, was einem Börsenwert von 130 Mio. Euro entspricht. Der Netzwerkdienstleister TalkPool aus Chur war 2000 gegründet worden. Cloud Dienstleistungen und das Internet-of-Things sollen die Wachstumstreiber werden. Im Mai hatte die Gesellschaft ca. 6 Mio. Euro Auftragsvolumen in den Büchern. Das Listing erfolgte an der nicht regulierten Nasdaq First North in Stockholm. Ist das Zufall oder der Beginn eines Trends, wie schon in den 90er-Jahren, als innovative Tech-Unternehmen aus Europa regelmässig an die amerikanische Nasdaq gingen, was dann in hektischem Aktivismus zur Schaffung der Neuen Märkte in Europa führte, die schliesslich wieder entnervt abgeschafft wurden?
Globale IPO-Trends
Europaweit gingen nach den Erhebungen von Ernst & Young in QII 2016 insgesamt 82 Unternehmen an die Börse. Das Volumen war mit 12 Mrd. Euro gegenüber dem Vorjahresquartal um 25% rückläufig. Global betrachtet gab es 437 IPOs mit einem Volumen von 43 Mrd. USD, ein Rückgang um 61%. Allerdings belebte sich das Geschehen in QII mit 246 IPOs vs. nur 167 in QI. Das Volumen schoss um 120% in die Höhe. Asien ist nach wie vor der Schwerpunkt im globalen Geschehen. Japan verzeichnete 43 IPOs mit einem Volumen von 1.7 Mrd. USD, in China gab es im gesamten ersten Halbjahr nur noch 101 IPOs gegenüber 236 im ersten Halbjahr 2015. Das Volumen sank um 70% auf 10.5 Mrd. USD. Allerdings ist die IPO-Pipeline gemessen an den Registrierungen mit 800 Fällen prall gefüllt. In London schlug sich die abwartende Haltung im Vorfeld des Brexit-Referendums in einer rückläufigen Entwicklung aus. Nur 18 IPOs gab es in QII. Die Erträge summierten sich auf nur noch 1,1 Mrd. USD. Im ersten Halbjahr waren es 34 IPOs und 3,8 Mrd. USD Platzierungsvolumen
Private Equity und M&A als IPO-Treiber
Bei mehr als 50% der Aktivität am Primärmarkt in London sind Private Equity Adressen involviert, was nahelegt, dass die PE Fonds die hohen erzielbaren Bewertungen an der Börse opportunistisch zur Gewinnmaximierung nutzen. Dabei unterstützt, dass auch die M&A Märkte derzeit florieren. Bei Unternehmen und institutionellen Investoren ist die Kaufbereitschaft hoch und auch die Bereitschaft, hohe Preise zu zahlen. Gute Finanzaktiva werden immer rarer, seit die Notenbanken auch verstärkt an den Aktienmärkten engagiert sind in ihrem Bestreben, einen Wohlstandseffekt zu erzeugen, der dann die gewünschte Nachfragesteigerung in der Realwirtschaft zeitigen soll – bislang allerdings eher mit negativem Effekt.
Verkäufermarkt mahnt zur Vorsicht
Die Unternehmen und ihre Berater tendieren laut PWC in deren Quartalsbetrachtung zu Dual-Exit Strategien, auch um den bestmöglichen Preis bzw. die Bewertung in einer Wettbewerbssituation auszureizen. Auch in der globalen Betrachtung sind Venture Capital- und Private Equity-Gesellschaften sehr stark an den Primärmärkten aktiv. In QII bei 26% der Transaktionen vs. 16% im Vorjahresquartal. Die Käufer der Aktien aus PE Portfolios engagieren sich zwar in der Regel bei schlanken und effizienten Unternehmen, die auch langfristig eine überdurchschnittliche Performance bringen können, doch ebenso zutreffend ist, dass die meist nur begrenzt geöffneten IPO-Zeitfenster von der Verkäuferseite höchst opportunistisch zum Kasse machen genutzt werden und dass Aktienkurse am Ende, unabhängig vom Geschäftsgang, aus dem Ausgleich von Angebot und Nachfrage zustande kommen. Kritisches Abwägen ist sowohl bei Neu-Emissionen als auch in deren aftermarket unabdingbar.