Börsengänge Schweiz: Biotech Firmen AC Immune und CRISPR Therapeutics debütieren an der NASDAQ – wenig Impulse an den westlichen Primärmärkten

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Untersuchungen in einem Labor von AC Immune. Quelle: AC Immune
Untersuchungen in einem Labor von AC Immune. Quelle: AC Immune

Die Primärmärkte in Europa und den USA standen auch im dritten Quartal 2016 im Bann der andauernd schwierigen Grosswetterlage. Die Unsicherheiten mit Blick auf die Präsidentenwahl in den USA sowie den immer noch weitgehend ungeklärten konkreten Brexit sorgten für eine Fortsetzung der Zurückhaltung an den IPO-Märkten. Unterdessen gingen mit AC Immune und CRISPR Therapeutics weitere zwei Schweizer Biotech-Unternehmen jenseits der Grenzen an die Börse.

Es war ein ruhiges Quartal an der Schweizer Börse SIX ohne Ab- oder Zugänge. Das im September angekündigte IPO des Biotech-Unternehmens Adienne mit Sitz in Lugano an der SIX wurde Ende des Monats wegen „widrigen Marktbedingungen“ kurzerhand abgesagt.

Dies war kein vereinzeltes Ereignis, eher eine Tendenz. Auch am wenig agilen deutschen Markt sagte zuletzt Officefirst, ein carve-out der IVG Immobilien, das 900 Mio. Euro schwere IPO wegen eines „stark verschlechterten Umfeldes“ ab.

Verhaltene Emissionstätigkeit in Europa

Insgesamt gingen im Zeitraum Juli bis September 32 Unternehmen in Europa an die Börse und nahmen 4 Mrd. Euro ein. Gegenüber dem vorigen Quartal fielen sowohl Volumen als auch Anzahl der Transaktionen um 72%. Das mit Abstand grösste IPO fand, wie schon im zweiten Quartal mit Dong Energy, abermals in Dänemark statt. Der Zahlungsdienstleister Net A/S erhielt 2.1 Mrd. Euro, enttäuschte allerdings mit der Aftermarket Performance. Aktuell summiert sich das Minus zum Emissionspreis auf fast 10%. Erwähnenswert ist noch der erfolgreiche Börsengang der italienischen Flugsicherungsgesellschaft Enav SpA in Mailand mit Emissionserträgen von 834 Mio. Euro. Gegenüber dem Zeichnungspreis liegt die Aktie immerhin um über 5% im Plus. In Amsterdam weckte der Börsengang von Takeaway.com Holding, Mutter u.a. von Lieferando und Wettbewerber von Delivery Hero, hohe Erwartungen. Der Emissionsertrag belief sich auf 328 Mio. Euro. Die Aktie liegt um 4% im Plus.

Finanzwerte führen IPO-Statistik an

Die Statistik zu den IPOs in Europa zeigt, dass sich der Trend der vorigen Quartale im dritten Quartal sogar noch akzentuiert hat: 56.5% der Emissionserträge verbuchte der Finanzdienstleistungsbereich. Im Schnitt der letzten vier Quartale beträgt der Anteil der Finanzdienstleister 42.9%. Auch Industrieunternehmen stiegen weiter an mit nun 23.6% gegenüber einem Durchschnittswert der letzten vier Quartale von 19.6%. Ehemals favorisierte Branchen wie Technologie, Telekommunikation und Gesundheitswesen spielen nur noch eine marginale Rolle in den europäischen Primärmärkten, im dritten Quartal entfielen nur 2.1% der IPO-Erträge auf Gesundheit und 0.7% auf Technologie, wie die ZKB in ihrem vierteljährlichen IPO-Newsletter aufschlüsselt.

US-Markt auf Sparflamme – Asien-Pazifik wird grösster IPO-Markt

An den US-Börsen setzte sich der gebremste Trend bei den IPOs auch im dritten Quartal fort. Die Emissionserträge an NYSE und NASDAQ summierten sich in diesem Zeitraum auf 13.4 Mrd. USD, ein Rückgang um 49% gegenüber dem Vorjahresquartal. Die Anzahl der Transaktionen ging um 44% auf 79 zurück. In New York florierte Healthcare mit 31 Deals und 2.7 Mrd. USD Emissionsertrag, auf Technologie entfielen 15 Deals mit IPO-Erträgen von 2.8 Mrd. USD, auf Financials nur 10 Deals und 1.9 Mrd. USD – was eine offensichtlich sehr unterschiedliche Entwicklung zu den europäischen Börsenplätzen darstellt. Ebenfalls bemerkenswert ist die exorbitante Beteiligung der Private Equity und Venture Capital Industrie an den amerikanischen IPOs. Ernst & Young ermittelte im Global IPO Report QIII, dass in den USA 42 Transaktionen bzw. 53% der IPOs gemessen an den Emissionsvolumina auf Unternehmen mit PE- und VC-Investoren entfällt. Auch hier scheint sich der Trend der vorigen Quartale weiter zuzuspitzen. In der globalen Betrachtung liegt die entsprechende Quote mit Blick auf die Anzahl der Transaktionen im dritten Quartal lediglich bei 13%, was aber Emissionserträge von immerhin 19.7 Mrd. USD repräsentiert und damit 25% der globalen Emissionserträge. Weltweit wurden in QIII 23 angekündigte IPOs verschoben oder gestrichen, in QIII 2015 waren es noch 39 Fälle gewesen.

Gemischte Entwicklung weltweit

Demgegenüber blieben die asiatisch-pazifischen Märkte weitgehend unbeeindruckt von den für den Westen wichtigen Quellen der Unsicherheit: Wahlen in den USA, Brexit, Bankenkrise in Europa und politische Polarisierung. Gemessen an den Emissionserträgen lag Asien-Pazifik mit 53% vorne, nach der Anzahl der Transaktionen sogar mit 69%. Das weltweit grösste IPO im dritten Quartal war mit 7.8 Mrd. USD Volumen die Postal Savings Bank of China an der Hong Kong Stock Exchange. Laut EY sind in Hong Kong mehr als 100 IPOs in der Pipeline. Insgesamt verzeichnete Hong Kong in QIII 42 Transaktionen, Shanghai 59 und Shenzen 73. Japan verzeichnete 19 Transaktionen in QIII und 60 seit Jahresbeginn. Australien legte gegenüber dem Vorjahreszeitraum (49) sogar zu mit 52 IPOs seit Jahresbeginn. London erlebte 7 IPOs im dritten Quartal, gleich viele wie im Vorjahreszeitraum, jedoch mit einem um 18% höheren Volumen. In einer Umkehrung des bisherigen Trends befanden sich keine PE&VC-finanzierte Unternehmen darunter. Auf cross-border IPOs entfielen global 6% der Transaktionen vs. 7% im dritten Quartal 2015.

AC Immune und CRISPR Therapeutics

Die zwei Schweizer Unternehmen, die zwischen Juli und September 2016 den Weg an die Börse fanden, überschritten hierfür nicht nur eine Grenze, sondern gleich den Atlantik. AC Immune hat 6 Mio. Aktien zu 11 USD emittiert, die Nettoerträge beliefen sich auf 57.8 Mio. USD. Aktuell beträgt der Kurs 15 USD, die Market Cap 870 Mio. USD. AC Immune hat 7 therapeutische Kandidaten und 3 diagnostische in der Pipeline. Schwerpunkt ist die Alzheimer Krankheit, ein wachsendes gesellschaftliches Problem und ein Massenmarkt, bisher allerdings ohne wirklich wirksame Medikamente. Nicht weniger interessant ist CRISPR, benannt nach der zugrunde liegenden Technologie CRISPR-Cas9, was in diesem Video erklärt wird. Das ist ein Verteidigungssystem von Bakterien gegen Virusinfektionen. Durch sogenanntes Gene-editing versuchen Forscher und Biotech Unternehmen, sich das Verteidigungssystem für humane Immunantworten gegen virale Infektionen zunutze zu machen. Die Kommerzialisierung birgt ein riesiges Potenzial, doch, wie so oft, ist der Weg bis zu den Erfolgen lang und voller Komplikationen. So streiten sich MIT und Harvard auf der einen Seite mit Berkley auf der anderen um die Patente und wer die Technologie entwickelt hat. Die Auseinandersetzung wird Jahre dauern. Doch drei Biotech-Unternehmen, die bereits in unterschiedlichen Märkten aktiv sind, sind nun an der Börse. Die Schweizer CRISPR war 2013 als Inception Genomics gegründet worden. Die Aktionäre vor dem IPO sind erste Adressen: Versant VC 20.7%, SR One VC 9.7%, New Enterpris Assoc. VC 9.7%, Abingworth VC 7.8%, dazu Celgene 12.4%, Vertex 7.6% und Bayer 8%. Der erste Wirkstoff-Kandidat ist gegen die Sichelzellen-Krankheit. CRISPR hat 4.7 Mio. Aktien zu 14 USD emittiert und 56 Mio. USD eingenommen. Die Konkurrenten Editas Medicine und Intellia Therapeutics waren auch 2016 an die NASDAQ gegangen. Anfänglich stiegen die Kurse, Editas touchierte die 40 USD, Intellia die 30 USD, doch inzwischen liegen beide bei 12-13 USD. Bei beiden sind ähnlich prominente Investoren engagiert, bei Intellia u.a. Novartis und Regeneron.

Ausblick

Insgesamt haben sich die gedämpften Trends in Europa und den USA, die schon seit Ende 2015 etabliert sind, auch im dritten Quartal fortgesetzt. Die Spitzenposition in Europa nehmen die Finanzdienstleister ein. In den USA sind es dagegen Technologie und Healthcare. Demgegenüber sind in Asien-Pazifik die Branchen breit gestreut. Deutlich mehr als die Hälfte der globalen IPO-Aktivität entfiel in QIII auf Asien-Pazifik. Mit Blick auf das vierte Quartal und dann 2017 geben sich die global aktiven Beratungsunternehmen EY, PwC und weitere mehrheitlich verhalten optimistisch. In Asien-Pazifik wird eine Fortsetzung der IPO-Trends erwartet, in den USA und Europa eine Belebung. Nach den Wahlen in den USA am 8. November sowie dem Amtsantritt des/r neuen Präsidenten/in im Januar ist mit neuer Dynamik zu rechnen. Für Europa ist London massgebend, und wenn die Verhandlungen mit der EU nunmehr zügig angegangen werden, wie von Premier May erklärt, ist auch mit einer Wiederbelebung des Primärmarktes zu rechnen, welcher Impulse auch für Kontinentaleuropa liefert. Bezüglich der Schweiz sind im dritten keine neuen Kandidaten oder IPO-Ankündigungen bekannt geworden.

Globale IPO-Aktivitäten aufgeschlüsselt nach Region. Quelle: PwC
Globale IPO-Aktivitäten aufgeschlüsselt nach Region. Quelle: PwC

 

 

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