Martin Schaufelberger, CEO Coltene Holding: „Der Vorteil ist, dass durch die grossen globalen Player auch die Nischen grösser werden.“

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Martin Schaufelberger ist CEO der Coltene Holding AG. Er ist seit 2012 Mitglied der Gruppenleitung und hat einen Abschluss als Elektroingenieur der Fachhochschule für Technik in Rapperswil und einen MBA in Marketing der City University of Seattle. Bild: ZVG

Im globalen Markt für dentale Verbrauchsgüter ist die an der SIX Swiss Exchange kotierte Coltene AG ein Innovationsführer, der darüber hinaus auch hoch profitabel ist. Hervorgegangen ist Coltene aus den Healthcare-Aktivitäten der Gurit-Heberlein Gruppe. 2006 erfolgte der Börsengang noch unter dem Namen Medisize Holding. Nach dem Verkauf der nicht-dental-Geschäftsbereiche 2008 erfolgte der Namenswechsel zu Coltene.

Seit 2012 lenkt Martin Schaufelberger als CEO erfolgreich das Unternehmen. Die Profitabilität steigt kontinuierlich, auch die Dividenden werden in gleichem Masse angehoben. 2016 beliefen sich der Umsatz auf 160.7 Mio. CHF und der Jahresüberschuss auf 17.3 Mio. CHF, ein neuer Rekordwert. Im Interview erklärt CEO Martin Schaufelberger worauf es ankommt, um als Nischen-Player nachhaltig erfolgreich zu sein.

Glückwunsch zu den hervorragenden Ertragszahlen 2016, Herr Schaufelberger! Wie machen Sie das? Eine EBIT-Marge von 14.5%, eine Free-Cashflow-Marge von 10.6%?

Danke. Seit 2012 haben wir uns zum Ziel gesetzt, den operativen Ertrag sukzessive auf 15% zu steigern. Dazu ist eine Vielzahl von Massnahmen in der Produktion, in Einkauf, im Marketing bis hin zu Reisespesen erforderlich. Zugute kam uns aber auch – bis auf den Frankenschock von 2015 – ein doch relativ günstiges Umfeld.

Welche Rolle spielten 2016 einerseits die eher günstigen Rohstoffpreise und andererseits die eher schwierigen Währungsrelationen? Nutzen Sie eigentlich Terminabsicherungs- oder Hedgingstrategien?

Wir sind durch die drei Werke in den USA, in Deutschland und in der Schweiz währungstechnisch recht gut abgesichert. In der Berichtswährung Schweizer Franken sieht dies natürlich etwas anders aus. Durch den starken Franken sehen selbst leicht höhere Volumen kleiner aus. Produkte aus der Schweiz kommen unter Preisdruck. Uns ist es gelungen, die Produktion in Altstätten weiter zu optimieren. Dabei hat sicherlich auch die Ausweitung der Zukäufe von Rohstoffen aus dem Ausland geholfen, die Kosten tief zu halten. Eigentliche Terminabsicherungen machen wir bei wenigen Produkten über Preisvereinbarungen mit den Herstellern.

Während der letzten fünf Jahre sind die Coltene-Umsätze kaum gestiegen, der Nettogewinn nahm jedoch um fast 80% zu. Könnten Sie zulasten der Margen mehr Marktanteile gewinnen?

Der Markt von dentalen Verbrauchsgütern verhält sich relativ zäh. D.h. die Kunden sind loyal, und es braucht eine grosse Anstrengung, um einen Zahnarzt für ein neues Produkt zu gewinnen. Dies ist hinderlich, um zu wachsen, hilft aber auch, Marktanteile zu halten. Die Margenverbesserungen kommen primär aus Kostenoptimierungen und nicht aus Preiserhöhungen.

Die Aktienkursentwicklung seit dem Amtsantritt von Martin Schaufelberger als CEO. Chart: SIX iD

Angesichts eines globalen Marktvolumens bei dentalen Verbrauchsmaterialien von 14.4 Mrd. CHF: Wie gross ist Ihr Total Accessible Market, und wer sind eigentlich die Wettbewerber?

Wir schätzen, dass wir Produkte in einem Segment von ca. 4.5 Mrd. CHF anbieten. Die Marktstellung unserer Produkte ist sehr unterschiedlich und regional verschieden. In Schlüsselmärkten liegen unsere Hauptprodukte auf den Rängen 3 bis 10.

Sie waren zuvor viele Jahre in der Kunststoffindustrie tätig. Was hat Sie am Dentalgeschäft so fasziniert, dass Sie als CEO für Coltene verfügbar wurden?

Mich fasziniert, wie ein Kundenbedürfnis analysiert und in ein Produkt umgesetzt wird, welches nicht nur optimale Eigenschaften und Top-Qualität hat, sondern auch effizient hergestellt werden kann. Dies und der Umgang mit Menschen sind die Konstanten in meinem Berufsleben. Die Einarbeitung in die Dentalindustrie war höchst interessant. Eine überschaubare Branche, in der nebst den schmerzlindernden Behandlungen immer mehr ästhetische Elemente mit einfliessen.

Globalisierung und die wachsende Bedeutung von Märkten wie Indien, China und Brasilien sind wichtige Faktoren in Ihrer Planung. Was denken Sie über die protektionistischen und isolationistischen Tendenzen, die aktuell sogar Wahlen zu entscheiden vermögen? Inwieweit kann Ihre Geschäftsstrategie davon betroffen sein?

Sie sprechen hier Rahmenbedingungen an, die wir nicht kontrollieren können. Unsere Aufgabe ist es, das Unternehmen rasch an solche Veränderungen anzupassen. Durch die echt globale Aufstellung der COLTENE haben wir aber auch den Vorteil, dass sich positive und negative Entwicklungen in einzelnen Ländern im Gesamten etwas ausgleichen. Agilität ist jedoch entscheidend.

Brasilien ist schon ein wichtiger Markt für Coltene. Nach dem langjährigen Wirtschaftswunder kam es zuletzt zu einer scharfen Rezession, die auch dem Wachstum der Mittelschicht ein vorläufiges Ende bereitete. Spüren Sie das? Und welche Folgerungen ziehen Sie daraus?

Brasilien ist definitiv ein interessanter Markt für uns. Nach einem nicht ganz einfachen Einstieg in diesen Markt und angesichts der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der letzten Jahre sehen wir die Entwicklung der COLTENE in Brasilien optimistisch.

Was ist Ihre professionelle Ansicht zu Zucker? In der entwickelten Welt wird ihm der Krieg erklärt, vor allem von Dentisten.

Karies resultiert über einen gewissen Zeitraum aus der individuellen Zahnstruktur, einem bakteriellen Biofilm und Zucker aus der Nahrung. Wenig Zucker respektive eine gesunde Ernährung ist sicherlich wichtig. Eine gute Mundhygiene mit regelmässigem Zähneputzen, Fluorid und Kontrollen bei den Dentalhygienikern könnten jedoch Karies komplett vermeiden respektive in einem sehr frühen Stadium stoppen.

Coltene arbeitet auch mit Universitäten und Dentalschulen zusammen. Was genau steht dort im Fokus?

Hier sind eine Reihe von Zusammenarbeiten vor allem in den Gebieten Endodontie und Restauration im Gange. Nebst den klassischen Gebieten laufen auch Projekte in der digitalen Zahnheilkunde oder der frühen Karies-Erkennung respektive -Verhinderung.

Stichwort Digitalisierung: Was ändert sich im Dentalmarkt, wie navigiert Coltene, und sehen wir am Ende wie bei der ersten Welle der Internet Revolution eine winner-takes-it-all-Situation?

Die Digitalisierung läuft für uns auf drei Ebenen ab. Erstens die Ebene, die Sie wahrscheinlich ansprechen: die Digitalisierung der Zahnbehandlung. Eine Restauration wird digital eingescannt, darauf basierend wird z.B. eine Krone am Computer modelliert, diese dann vollautomatisch von einer Fräsmaschine hergestellt. Das so hergestellte „Ersatzteil“ wird anschliessend vom Zahnarzt eingesetzt. Eine zweite Ebene bildet die Supply-Chain. Dies umfasst die ganze Lieferkette von der Bestellung des Endkunden über Internet über die elektronische Bestellkette Distributor – Hersteller – Zulieferer, über die Produktionsplanung bis zum elektronischen Zahlungsverkehr. Einen dritten Bereich bilden die internen Abläufe und die Organisation. Hier sind wir z.B. daran, mit einem PIM (Product Information Management) System alle Texte, Bilder, Videos, klinische Studien etc. für sämtliche unserer Produkte in einer Datenbank zu erfassen. Diese Medien werden versions- und sprachabhängig verwaltet und mit Prospektlayouts, Internetseiten oder Webshops gekoppelt. Damit können die unzähligen Inhalte gewartet und à jour gehalten werden.

Erwarten Sie eine Konsolidierung im Dentalbereich, und welche Rolle sehen Sie für Coltene?

Es findet bereits heute eine Konsolidierung in der Branche statt. Der Vorteil ist, dass durch die grossen globalen Player auch die Nischen grösser werden. Um die echt globale Struktur der COLTENE optimal zu nutzen, wäre ein gewisses Wachstum sicherlich gut. Wichtig ist jedoch, dass wir in der Lage sind, die Kundenbedürfnisse rasch und innovativ in Produkte umzusetzen und uns so dem Preisdruck widersetzen  und weiterhin nachhaltig profitabel arbeiten können.

Sie verfolgen jetzt eine Dachmarken-Strategie. Alle Aktivitäten sollen unter dem Coltene-Label stattfinden. Ist das nur Marketing?

Die Dachmarkenstrategie ist wichtig, um die vielen bekannten und gut etablierten Einzelmarken zusammenzuhalten. Primär vertreiben wir die Marken unter den jeweiligen Produktmarken. Die Dachmarke jedoch erlaubt es uns, gemeinsame Werte und die Zugehörigkeit zur globalen Gruppe zu kommunizieren.

Innovationen zeichnen Coltene aus. Welchen Anteil am Sales Mix haben bei Ihnen neue Produkte?

Hierzu müssten wir vorab definieren, was genau ein neues Produkt ist. Muss dies etwas ganz Neues sein oder eine optimierte Version? Oder reicht eine neue Farbe im Angebot, um es als neues Produkt zu qualifizieren? COLTENE bringt im Branchenvergleich relativ viele neue Produkte auf den Markt. Wir sind stolz darauf, schnell in der Umsetzung von neuen Ideen oder Materialien in Produkte zu sein. Die Einführung neuer Produkte am Markt ist dabei ein zentraler Punkt, und dieser benötigt viel Energie und Durchhaltewille von Marketing und Verkauf.

Ist Coltene ein „nachhaltig“ geführtes Unternehmen? Wie fliessen die 17 SDGs der Agenda 2030 der UN in Ihre Geschäftspolitik ein?

COLTENE ist ein Hersteller mit Werken in der Schweiz, Deutschland, USA und Brasilien. Die Produkte benötigen zur Herstellung relativ wenig Energie und fast ausschliesslich unbedenkliche Rohstoffe. Dies ist eine günstige Ausganslage, um die Anforderungen zu erfüllen. In unserem Geschäftsbericht zeigen wir die benötigte Energie und verbrauchten Rohstoffe sowie die anfallenden Abfälle respektive Wertstoffe auf. Diese Transparenz fördert auch intern das Bewusstsein der gesamten Belegschaft. Der Code of Conduct zeigt zudem die Vorgaben betreffend Verhalten gegenüber Lieferanten und Stakeholdern auf. Damit sind wir insgesamt auf der Linie der UN-Ziele zur nachhaltigen Entwicklung.

Welches sind Ihre Ziele bis 2020?

Als börsenkotiertes Unternehmen kommunizieren wir keine detaillierten Ziele. Selbstverständlich streben wir ein gesundes und nachhaltiges Wachstum an und messen uns dabei mit dem Marktwachstum. Auch möchten wir die in den letzten Jahren erarbeitete Ertragslage nicht aufgeben. COLTENE ist ein gesundes, unabhängiges Unternehmen. Die Produkte werden an Standorten mit hoher Fachkompetenz und grossem Qualitätsbewusstsein hergestellt, und der Vertrieb der dentalen Verbrauchsgüter ist sehr global aufgestellt. Damit können wir optimistisch Richtung 2020 schauen.

Vielen Dank für die interessanten Einblicke, Herr Schaufelberger.

Das Interview führte Karim Serrar.

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