Mit einem Emissionsertrag von 2.4 Mrd. USD rückten Landis+Gyr und die SIX Swiss Exchange im dritten Quartal auf die globale Siegertreppe der IPOs – gemessen an den Volumen. Inklusive des Zur-Rose-Börsengangs erreicht die SIX ein Emissionsvolumen von 2.7 Mrd. USD in QIII 2017. In der 9-Monatsbetrachtung kommt noch das Emissionsvolumen in Höhe von 1.9 Mrd. USD von Galenica dazu. Somit nimmt die SIX bisher im Jahr 2017 mit einem Emissionsvolumen von 4.6 Mrd. USD weltweit Rang acht ein!
Weniger erfreulich fiel allerdings bisher die Aftermarket-Performance der beiden jüngsten IPOs Zur Rose und Landis+Gyr aus, während Galenica mit 17.7% Kursanstieg die Erwartungen der Investoren erfüllte. Zur Rose und Landis+Gyr gaben nach anfänglichen Oszillationen um den IPO-Preis inzwischen deutlich nach und liegen um jeweils 9% unter dem Emissionspreis. Wie die ZKB in ihrem Quartalsbericht zum IPO-Markt hervorhebt, sind dagegen alle drei IPOs des Jahres 2016 klar im positiven Bereich. VAT führt die Performance-Liste mit 207% an, Varia US Properties legte seit dem IPO um 18% zu, Investis immerhin um 13%.
Neue Börsenkandidaten für die SIX?
Die ZKB berichtet auch in ihrem Pressespiegel indirekt über weitere Börsenkandidaten. Realistisch scheint ein möglicher Börsengang beim Entwickler von Banken-Software Avaloq, zumal deren CEO ein IPO explizit nicht mehr ausschliesst. Im Frühjahr hatte sich die amerikanische Private Equity Gesellschaft Warburg Pincus mit 350 Mio. USD an Avaloq beteiligt und hält nun 35%, ein weiterer Hinweis auf einen Börsengang. Die Bewertung lag somit bei einer Mrd. USD. Damit ist Avaloq ein sogenanntes Unicorn, das einzige in der Schweiz, womit eine entsprechende Aufmerksamkeit auch bei internationalen Investoren gesichert scheint.
Private Equity Investoren wollen Kasse machen
Dezidiert nicht an die Börse will angeblich dagegen der Maschinenbauer Aebi Schmidt. „Ich kam sicher nicht zu Aebi Schmidt, um einen Börsengang vorzubereiten“, lässt sich der neue CEO Ende Juli in der Handelszeitung zitieren. Finanz und Wirtschaft listet sogar eine ganze Reihe von IPO-Kandidaten auf, darunter mehrere Biotech-Unternehmen sowie den Hersteller von Verpackungsmaschinen SIG Combibloc, der 2014 für 3.5 Mrd. Euro von der kanadischen Private Equity Gesellschaft Onex gekauft worden ist. Als weitere Kandidaten werden genannt: der Automatenhersteller Selecta, der Visaspezialist VSF Global, der vom neuen Besitzer, der Private Equity-Gesellschaft EQT, nach der Kuoni-Übernahme bereits ausgegliedert worden sei, um einen Börsengang zu ermöglichen. Bereits weiter fortgeschritten seien die Vorbereitungen für den Gang an die Börse bei Global Blue, die sich mit Mehrwertsteuerrückerstattungen befasse.
Europäische Primärmärkte erholen sich – SIX bleibt Eisbrecher
In Europa gingen in QIII 2017 laut Ernst & Young (EY) insgesamt 34 Unternehmen an die Börse. Die Emissionserträge beliefen sich auf 6.4 Mrd. USD, 46% mehr als im Vergleichsquartal des Vorjahres. In den ersten neun Monaten des Jahres waren es 168 IPOs bei Emissionserträgen von 29 Mrd. USD. In QIII finden sich mit Landis+Gyr und der Schweiz sowie Play Communications mit 1.1 Mrd. USD Emissionsertrag in Warschau sowie doBank mit 392 Mio. USD in Mailand drei Länder in der Spitzengruppe, die gemeinhin nicht unbedingt in der Spitzengruppe erwartet werden. Anfang QIV ging relativ kurzfristig in Mailand zudem Pirelli wieder zurück an die Börse nach zwei Jahren Abwesenheit. Mit 2.6 Mrd. USD Volumen war es der bisher grösste Börsengang in Europa in diesem Jahr. Der gesamte Ertrag ging jedoch an den Hauptaktionär ChemChina.
Madrid und Mailand drehen auf
Abgesehen von London bilden somit die Schweiz, Spanien und Italien die aktivsten Primärmärkte in Europa. In Deutschland, dem potenziell grössten IPO-Markt, sind zwar bisher 6 Börsengänge in 2017 erfolgt, das Volumen beträgt jedoch lediglich 1.8 Mrd. USD. In einem zweiten Anlauf will Varta im Oktober den Börsengang in Frankfurt vollziehen. Die Mehrheit der Aktien liegt bei der Schweizer Montana Tech Components, deren Aktien auf OTC-X gehandelt werden. Mit der österreichischen Bank BAWAG steht für Oktober an der Börse Wien ein weiterer Mega-Börsengang an. Das Emissionsvolumen soll sich auf über 4 Mrd. Euro belaufen. In London gingen in QIII insgesamt 16 Unternehmen an die Börse, die Erträge beliefen sich auf 1.7 Mrd. USD. Das ist eine beachtliche Steigerung um 350% zu QIII 2016. Dennoch bleibt das Potenzial nicht vollständig ausgeschöpft, da London ja bekannt dafür ist, auch internationale Unternehmen an die Börse zu bringen. Eine Belebung bei russischen Gesellschaften könnte laut EY ein Signal für eine Belebung des internationalen Geschäfts sein. Die Unsicherheiten rund um den Brexit dämpfen aber wohl weiterhin. Zuletzt sind auch etliche Banken tatsächlich nach Frankfurt, Paris, Dublin umgezogen.
Lateinamerika glänzt
In Amerika feuerten die Primärmärkte dagegen auf allen Zylindern. In New York kam es zwar in QIII 2017 zu einem leichten Rückgang der Börsengänge, dafür sind plötzlich Sao Paolo und Mexiko mit zahlreichen grossen Emissionen prominent vertreten. In Brasilien fanden in QIII allein sechs IPOs statt, die 3.6 Mrd. USD Emissionsertrag brachten. Vier der 20 weltweit grössten IPOs fanden in QIII in Brasilien statt, das beste Quartal seit QIV 2013. Seit Jahresbeginn sind es acht IPOs mit 4.1 Mrd. USD Emissionsertrag. In Mexiko fanden 2017 bisher fünf IPOs statt und brachten 2.8 Mrd. USD ein. In Kanada gingen 2017 bisher 16 Unternehmen an die Börse mit Erträgen von 2.1 Mrd. USD. In New York waren es 111 IPOs, die Emissionserträge von 26.5 Mrd. USD verzeichneten. Sieben der amerikanischen Top-10 IPOs in QIII fanden in Lateinamerika statt. In New York waren Private Equity Gesellschaften bei 40% der IPOs involviert, nach Erträgen sogar bei 70%. Laut EY ist die IPO-Pipeline in den USA prall gefüllt, was einen spannenden Jahreswechsel erwarten lässt. Biotech, Healthcare und Energie dürften Schwerpunkte bilden.
Olympische Spiele 2020 in Japan sorgen für Fantasie
Ungebremst setzte sich auch die rege Primärmarktaktivität in der Region Asien-Pazifik fort. 213 Börsengänge in QIII sorgten für Emissionserträge von 18,3 Mrd. USD. In den ersten neun Monaten des Jahres sind es 690 IPOs und 53,9 Mrd. USD Emissionsertrag. Mit 1,7 Mrd. USD Emissionsvolumen war das Telekomunternehmen NetLink NBN Trust aus Singapur das grösste IPO der Region. Wie üblich verzeichneten jedoch Shanghai, Hongkong und Shenzen den weit überwiegenden Teil der Primärmarktaktivität. Schwerpunkte bilden Industrie, Technologie und Konsumgüter. 65% der globalen IPOs in QIII fanden in Asien-Pazifik statt. Während die Entwicklung in Japan und Südkorea etwas verhalten ist, so verzeichneten die Börsen in Tokio und Seoul doch bislang in 2017 Neuzugänge von 57 IPOs und 42 IPOs. Die Olympischen Spiele 2020 in Japan sorgen weiterhin für eine Dynamik, die auch den Aktienmarkt erfasst.
Mehr grenzüberschreitende IPOs
Bemerkenswert ist, dass es eine starke Zunahme bei den cross-border IPOs gibt. Dies gilt für Amerika, wo viele der lateinamerikanischen IPOs in New York stattfinden, als auch für Asien-Pazifk. 21% der cross-border Transaktionen fanden allein in Hongkong und Taiwan statt. Singapur etabliert sich zunehmend als Finanzzentrum der ASEAN-Länder und verzeichnet eine steigende Anzahl IPOs. London verzeichnet 16% der globalen cross-border Listings, doch gleichzeitig sind 10% der britischen Emittenten in QIII nicht im Heimatmarkt an die Börse gegangen.
Comeback jenseits der Erwartungen
Ebenfalls bemerkenswert ist die hohe Anzahl von Mega-IPOs, die wie Landis+Gyr in der Schweiz, NetLink NBN Trust in Singapur, Atacadao in Sao Paolo (1.1 Mrd. USD), SBI Life Assurance in Bombay (1.3 Mrd. USD) und Steinhoff Africa Retail in Johannesburg (Rekordemission mit 1.2 Mrd. USD) stattfinden. Dies zeigt, dass der Börsenaufschwung buchstäblich die entferntesten Märkte erreicht hat und dass dies sich in einer boomenden Primärmarktaktivität niederschlägt. Der Ausblick bleibt positiv. Dennoch gilt insbesondere in euphorischen Phasen: Erwarte das Unerwartete!