Ferner liefen… Geht es um den Einsatz digitaler Technologien, der sogenannten digitalen Transformation, in der Tourismusbranche, dann steht die Schweiz ziemlich weit hinten, sind sich Branchenkenner einig. Das Potenzial dieser Technologie müsse unbedingt besser genutzt werden, waren sich die Teilnehmer am Branchentalk Tourismus auf dem Ausflugsberg Harder oberhalb von Interlaken einig.
Smartphones und Tablets verändern das Informationsverhalten immer rascher. Mit gravierenden Auswirkungen auf gedruckte Erzeugnisse. Auch in der Tourismusbranche. So könnten die noch 365 Tourismusbüros in der Schweiz bald schlicht und einfach verschwinden. Doch Smart Travelling bietet gerade auch unserem Land enorme Chancen. Chancen, die es zu packen gilt, zeigt doch der Trend im Wintertourismus im Gegensatz zum Ausflugstourismus seit 30 Jahren nach unten.
Welche Chancen die Digitalisierung im Reiseverkehr bietet, zeigte Marco Nussbaum, Technologieexperte und CEO der deutschen Prizeotel-Gruppe. Auf zwei Dinge müsse die Branche besonders gut vorbereitet sein: bereit für China als Kunde und als Konkurrent. Und bereit, alles und jedes instagramfähig zu machen. Wie in anderen Branchen auch würden die Chinesen ebenfalls im Tourismus ganze Wertschöpfungsketten aufbauen und aufkaufen. Vom Reisebüro über das Flugzeug, den Flughafen, den Transport und die Beherbergung werde alles aus einer Hand angeboten werden. Für die westliche Hotellerie bedeute dies einen enormen Konsolidierungsdruck.
Kluge Nutzung von Daten
Bei der Digitalisierung geht es nach Nussbaum letztlich immer um Daten und vor allem darum, diese klug zu nutzen. Beispielsweise das Check-in mit dem Handy zu automatisieren und dieses gleich auch als Zimmerschlüssel zu nutzen. Den Rezeptionisten sollte dies mehr Zeit geben, um mit dem Gast zu kommunizieren und dies eben gut informiert zu tun. Im Netz gut zuhören, müsse die Devise lauten. Zudem gelte es immer, schnell zu reagieren und sich bewusst zu sein, dass das Internet nie vergesse.
Klassisch, methodisch sei die Zermatter BVZ-Gruppe das Thema angegangen und habe die Digitalisierung Schritt für Schritt umgesetzt, führte BVZ-Unternehmensleiter Fernando Lehner aus. Das Ziel, ein digital führendes Unternehmen für Erlebnis und Mobilität zu werden. „Systematisch, Bereich für Bereiche, haben wir die Probleme angepackt und digitalisiert“. Sei es beim Arbeiten, beim Marketing, beim Vertrieb oder bei der Kommunikation mit dem Kunden. Im Webshop des Glacier Express sind die Tickets nun seit rund einem Jahr online erhältlich. Und schon gingen rund 40 Prozent der Tickets über diesen Kanal.
Wie vor 100 Jahren
Mit gewohnt beispielhaftem Enthusiasmus geht Reto Gurtner, Chef der Laaxer Weissen Arena Gruppe, zu Werk. Gurtner, der sich schon mit 13 Jahren für die Informatik begeisterte, führte die erste Website für Laax schon 1995 ein, als manche das Internet noch als vorübergehende Erscheinung betrachteten. Wichtig sei immer der visionäre Blick nach vorn. Was könnte in 10, was in 20 Jahren sein. Oder schon in drei Jahren. Dann werde nämlich die Anzahl Mobilgeräte weltweit auf über 5 Milliarden steigen. Doch statt sich mit den möglichen Folgen der digitalen Transformationen zu beschäftigen, biete der Schweizer Tourismus noch immer das Gleiche an wie vor 100 Jahren. Die meisten Destinationen hätten nach wie vor keine Ahnung, wer ihre Gäste sind. „Dabei ist gerade der persönliche Bezug zum Kunden, die Kommunikation der Marke und die Loyalität, von entscheidender Bedeutung“, sagt Gurtner.
Smartphones und Tablets bieten die Chance, den Kunden umfassend zu verstehen und auch in Zukunft von der zunehmenden Anzahl an Individualreisenden zu profitieren. Diese sind permanent online mit dem Smartphone als virtuellem Reiseführer unterwegs, checken so Reiseziele, Abfahrtszeiten und buchen teilweise immer kurzfristiger ihre touristischen Angebote. Wer nicht auf dem Radar dieser neuen Generation von Reisenden ist, wird in Zukunft immer weniger Geschäfte machen können.
„A propos Junge. Die neue Laaxer Gaming App wird gerade auch von den Alten benutzt. Pro Tag gewinnen wir so 5 Millionen Daten, die wir dann intelligent anreichern,“ sagt Gurtner: „Wir stehen erst am Anfang der disruptiven technologischen Entwicklung. Wir alle werden überrascht sein, was noch alles auf uns zukommt.“
Laax will sich aber auch baulich auf die neue Touristengeneration vorbereiten. Beispielsweis mit dem popisch-stylischen Umbau der Bergstation Crap Sogn Gion oder dem Bau des Rocksresort III.