Das gute Börsen- und IPO-Klima lockt. Wer das Wachstum seines Unternehmens mit Eigenkapital über die Börse finanzieren will, findet derzeit eine Aufnahmebereitschaft wie schon lange nicht mehr. Mit dem Spezialisten für Gebäudetechnik, Poenina Holding, strebt nun ein weiteres Unternehmen an die SIX Swiss Exchange – Börsengang Nr. 6 in 2017! Doch ist die neue Aktie auch für Anleger interessant?
Vordergründig klingt Gebäudetechnik nicht sonderlich sexy. Bei genauer Betrachtung verbergen sich bislang neun Gesellschaften unter der erst 2010 gegründeten Poenina Holding. Deren Kompetenzen liegen in den Bereichen Sanitär, Lüftung und Raumklima, Heizung, Bedachung und Spenglerei, also in eigentlichen Handwerksbereichen, womit der Geschäftsgegenstand auch nicht attraktiver erscheint.
Der Investment Case
Das wird er erst, wenn man sich klarmacht, dass Poenina quasi als one-stop-shop in Sachen Gebäudehüllen und Gebäudetechnik agieren kann, Synergien nutzt und den Auftraggebern jede Menge Kopfschmerzen und Kosten ersparen kann, sofern die auch mit den Diensten zufrieden sind. Bisher sind diese Märkte fragmentiert, je nachdem hat es der private, gewerbliche oder behördliche Liegenschaftseigentümer mitunter mit einer ganzen Reihe von Dienstleistern zu tun, wenn es um Isolierung, Renovierung, technische Nachrüstung, Energieeffizienz oder auch die Bestückung mit Solaranlagen und neuen Heizsystemen geht. Allein das Einholen von Angeboten, deren Vergleich, das Einholen und Überprüfen von Referenzen, die Abstimmung aufeinanderfolgender Baumassnahmen, die Erlangung erforderliche Genehmigungen und dergleichen mehr kann schnell zum Full-Time-Job ausarten – und dennoch kann allerlei schiefgehen, da zumeist die eine (Handwerker-)Hand nicht weiss, was die andere tut. Fast jeder Bauherr kennt die unweigerlich schmerzlichen und auch teuren Erfahrungen.
Daher ist sehr wohl ein Investment Case für die zunächst langweilig klingende Gebäudetechnik auszumachen, zumal die heute bestehenden Möglichkeiten grossen ökonomischen Sinn ergeben können, etwa selbst Strom zu produzieren, durch zeitgemässe Isolation Energie einzusparen und durch moderne Heizungs- und Lüftungstechnologie eine signifikante nachhaltige Reduktion des Energieverbrauchs zu erreichen. Manche Massnahmen werden sogar direkt oder steuerlich gefördert. Und manche Standards sind bei Neubauten oder Renovierung mittlerweile Pflicht.
Auf Akquisitionskurs
Ein kurzer Blick auf die Chronologie der Poenina Holding seit Entstehung im Jahr 2010 zeigt weiterhin, dass die entsprechenden Teilmärkte hochgradig fragmentiert sind und darüber hinaus auch regional, wenn nicht sogar lokal strukturiert sind. Schon im Gründungsjahr hat Poenina mehrere Unternehmen aufgekauft und seitdem praktisch jährlich durch Akquisitionen das Wachstum beschleunigt. Der Emissionsertrag soll explizit weiteren Akquisitionen dienen.
Bewertungsarbitrage
Finanzanalytisch betrachtet liegt der Vorteil der Strategie darin, niedrige Preise bzw. Multiples für kleine, regional aktive Handwerksunternehmen zu bezahlen, bei denen es oft ein Nachfolgeproblem gibt, und daraus durch Nutzung von Synergien und economies of scale höhere Margen zu entwickeln, wodurch an der Börse eine höhere Bewertung resultieren kann. Das Ganze ist der Burkhalter-Strategie nicht unähnlich. Im ebenfalls eher unspektakulär klingenden Elektroinstallationsgeschäft war der Markt hochgradig fragmentiert, bis Burkhalter anfing, ihn durch Übernahmen schweizweit zu konsolidieren. Heute erzielt Burkhalter 500 Mio. CHF Jahresumsatz und ist der Hecht im Karpfenteich. Wer 2009 auf die langweilige Aktie bei 12.50 CHF gesetzt hat, freut sich neben den üppigen Dividendenausschüttungen vor allem über einen Kursanstieg auf 158 CHF bis April 2017. Inzwischen ist der Kurs allerdings etwas abgebröckelt auf 118 CHF.
Poenina wurde von dem Walliser Unternehmer Jean Claude Bregy gegründet, er hält bislang 78.8% an der Gesellschaft. Im Geschäftsjahr 2016 wurde ein Betriebsertrag von 114.4 Mio. CHF erzielt. Bei den neun Gesellschaften sind an zehn Standorten in der deutschsprachigen Schweiz aktuell 450 Mitarbeiter beschäftigt. Bei einer Eigenkapitalquote von 31% wurde 2016 ein Reingewinn von 6 Mio. CHF erwirtschaftet, das EBIT lag bei 7.8 Mio. CHF. Die Gesellschaft kündigt an, zwei Drittel ihres Jahresgewinns als Dividende auszuschütten, für das laufende Jahr sind 4 Mio. CHF geplant.
Das Angebot
Das Zeichnungsangebot liegt bei 40 CHF bis 46 CHF je Aktie. Angeboten werden 500’000 neu zu begebende Namenaktien aus einer Kapitalerhöhung und weitere 240’000 Aktien aus dem Besitz des Hauptaktionärs sowie nochmals 110’000 Altaktien im Rahmen der Mehrzuteilungsoption, die innerhalb von 30 Kalendertagen nach dem ersten Handelstag ganz oder teilweise vom Sole Lead Manager ZKB ausgeübt werden kann. Demnach errechnet sich eine Börsenbewertung zwischen 100 Mio. CHF und 115 Mio. CHF. Sollten alle 850’000 Aktien im Rahmen des IPO platziert werden, wäre der Hauptaktionär Bregy noch mit 48.8% beteiligt, weitere 17.2% der Aktien würden dann bei bisher beteiligten Aktionären liegen, im Wesentlichen Verwaltungsratsmitglieder. Die Dividendenrendite für 2017 würde somit bei 3.5% bis 4% liegen, durchaus attraktiv.
Konzeptionelle Äquivalenz
Der Burkhalter-Vergleich ist auch deshalb angemessen, weil beide Unternehmen ausschliesslich im Heimatmarkt Schweiz aktiv sind. Die jeweils adressierten Märkte zeichnen sich dadurch aus, dass kaum eine Kapitalbindung erforderlich ist. Die wichtigsten Aktiva sind die Kompetenz und Zuverlässigkeit der Service-Mitarbeiter sowie die organisatorischen Fähigkeiten und Voraussetzungen für die schnelle, umfassende und professionelle Auftragsabwicklung, etwa die nun abgeschlossenen Arbeiten am Gotthard-Tunnel.
Zeit für Konsolidierung
Es ist ein Fakt der Börsengeschichte der letzten Jahrzehnte, dass Aktien von Unternehmen, die fragmentierte Märkte konsolidieren, oft, aber nicht immer, auch gute Performer sind. Dabei spielt einerseits der Einsatz moderner und effizienter Technologien eine Rolle, die zu mehr Wettbewerbsvorteilen führen können, andererseits sind Konzentrations- und Konsolidierungsprozesse in der Marktwirtschaft quasi ein Naturgesetz, das durch grössere Einheiten und entsprechende economies of scale wettbewerbsfähigere Unternehmen hervorbringt als die noch dominierenden oftmals verknöcherten Traditionsunternehmen, die häufig ohne echte Zukunftsperspektiven und auch ohne Nachfolger sind. Dadurch wird der Markt auch um Überkapazitäten bereinigt.
Burkhalter-CEO ist Poenina-VRP
Burkhalter wird auf dem inzwischen ermässigten Kursniveau mit dem 21-fachen des für 2018 geschätzten Gewinns bewertet. Für das letzte Geschäftsjahr wurden 5.50 CHF Dividende je Aktie bezahlt, eine Dividendenrendite von knapp unter 5%. Doch die Eigenkapitalrendite von Burkhalter liegt bei beachtlichen 37%! Dass es auch in der realen Welt eine Verbindung gibt, macht den Burkhalter-Vergleich umso plausibler. Der Burkhalter CEO Marco Syfrig ist bei der Poenina Holding Verwaltungsratspräsident. Ausserdem war der Poenina-Gründer Bregy von 2001 bis 2010 COO der Burkhalter-Gruppe. Mit Willy Hüppi und Sarah Meier-Bieri finden sich zudem weitere Personen aus dem Burkhalter-Umfeld auf der Liste der VR-Mitglieder.
Zeichnungsfrist läuft – erster Handelstag am 16. November
Da die Zeichnungsfrist bereits läuft, ein maximales Platzierungsvolumen von 39 Mio. CHF nicht viel ist und die Preisfestlegung bereits am 14. November erfolgt – erster Handelstag soll dann der 16. November sein -, lautet die Frage: zeichnen oder nicht? Und wenn ja, zu welchem Preis?
Der interessierte Anleger sollte angesichts des unspektakulären Geschäfts einen längerfristigen Horizont mitbringen und wie im Fall Burkhalter ein 5-Jahresziel ins Auge fassen, denn Konsolidierungsprozesse brauchen Zeit. Es gab auch viele Fälle, in denen zu schnell und zu viel akquiriert wurde, was dann zu beträchtlichen Schwierigkeiten bis hin zur Überschuldung und Pleite führen kann. Wirkliche Integration ist zudem auch eine Kunst, die nicht alle in gleichem Mass beherrschen. Bei einer erfolgreichen Implementierung der von Burkhalter gelernten Lektionen kann die Poenina-Story durchaus ein Erfolg werden – auch für die neuen Anleger. Sicherheitshalber sollte bei IPOs jedoch immer ein Abschlag vorgenommen werden. So entspricht 40 CHF je Aktie bereits einem KGV 2017(e) von rund 17x, was nicht gerade superattraktiv ist, aber gerade noch akzeptabel erscheint – im gegenwärtigen Umfeld. Auch das KUV ist mit 0.9x bis 1.0x im Verhältnis zu Burkhalter mit 1.55x nicht wirklich attraktiv.
Zur Zeichnung am unteren Ende der Bookbuilding-Spanne ist nur dem zu raten, der einen langfristigen Anlagehorizont und Geduld mitbringt und zu erwartende Rückschläge für die Aktienbörsen auch aussitzen kann.