Ausserbörslicher Handel: 2017 war ein Rekordjahr – 247 Mio. CHF Umsatz auf OTC-X

Das Zur Rose-IPO hat den ausserbörslichen Markt wachgeküsst.

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Entwicklung der Anzahl Trades und Volumina über die letzen neun Jahren auf der Handelsplattform OTC-X. Quelle: OTC-X

Bis Mitte 2016 befand sich der ausserbörsliche Aktienmarkt in einem mehrjährigen Dornröschenschlaf. Die Aktien waren zwar günstig, doch lag der Fokus der Anleger auf den kleinen und mittleren börsenkotierten Aktien. Von 2014 bis 2016 kletterte der SPI Extra Index um mehr als 15%, während der ausserbörsliche Index OTC-X-Liquidity-Index in diesem Zeitraum auf der Stelle trat. Das änderte sich abrupt mit der Erfolgsgeschichte der Versandapotheke Zur Rose, die sich 2016 im Rahmen von zwei Kapitalerhöhungen die Mittel für eine beschleunigte Expansion beschaffte und schliesslich im Juli 2017 den Börsengang an der Schweizer Börse durchführte. Die Aktivitäten von Zur Rose und der starke Kursgewinn – innerhalb von zwei Jahren hat sich der Aktienkurse bis zum IPO mehr als verfünffacht – lenkte das Interesse der Investoren auf das ausserbörsliche Marktsegment.

Rekordjahr für Handelsplattform OTC-X

Auch wenn Zur Rose den ausserbörslichen Markt wachgeküsst hat, so ist die gute Entwicklung im letzten Jahr nicht ausschliesslich auf den Erfolg der Onlineapotheke zurückzuführen. Nach Auskunft der Berner Kantonalbank (BEKB) erreichte der Aktienhandel auf der Plattform OTC-X in 2017 einen Umsatz von 247 Mio. Franken (+ 77.9%) und 10’526 Transaktionen (+ 43.7%). Seit der Lancierung der Handelsplattform im Jahr 2004 gab es kein Jahr mit einer vergleichbar hohen Aktivität. Die Zur-Rose-Aktien erreichten lediglich ein Handelsvolumen von rund 40 Mio. Franken. Ein Blick auf die meistgehandelten Aktien zeigt, dass der Handel im letzten Jahr breit abgestützt war. Neben Zur Rose lagen auch die Volumina für die Genossenschaftsanteile der WIR Bank, des Westschweizer Gasversorgers Holdigaz, des Maschinenbauers Reishauer und des Zuger Versorgungsunternehmens WWZ über der 10-Mio.-Franken-Marke.

Linde-Aktionäre profitierten von Übernahmeangebot

Die Aktionäre der Privatklinik Linde in Biel konnten sich über den Bieterstreit freuen. Bild: www.kliniklinde.ch

Die Gewinnerliste führt allerdings die Linde Holding AG an. Das Bieler Privatklinik-Unternehmen war im Frühjahr Ziel einer Übernahmeschlacht geworden, in der sich die Klinikgruppe Hirslanden und die Westschweizer AEVIS Victoria-Gruppe einen Bieterkampf lieferten. Schliesslich kam die Hirslanden-Gruppe zum Zug. Aktionäre, die Ende 2016 die Aktie zu knapp 1’000 Franken gekauft hatten, können sich über einen Kursgewinn von über 200% freuen.

Von einer Sondersituation profitieren auch die Aktionäre der Montana Tech Holding. Das vom österreichischen Unternehmer Michael Tojner dominierte Industrie-Konglomerat brachte im Herbst 2017 seine Tochter Varta Batterie an die Frankfurter Börse. Das erfolgreiche IPO lenkte die Aufmerksamkeit auf die Muttergesellschaft Montana Tech, deren Aktien auf OTC-X kurz nach der Ankündigung der Börsenpläne einen Kurssprung machten. Auch das übrige Geschäft von Montana Tech, zu dem u.a. die Produktion von Teilen für die Flugzeugindustrie gehört, läuft rund. Ob der Aktionär davon eines Tages profitieren wird, ist jedoch offen. Denn bisher schüttete Montana Tech keine Dividenden an die Anteilseigner aus, sondern reinvestierte die Gewinne stets.

Energiesektor im Fokus

Für starke Umsätze und bei den meisten Aktien auch für steigenden Kurse sorgte der Energiesektor. Nachdem sich dieser in den letzten Jahren eher schwach entwickelte, sind Energieaktien nun wieder gesucht. Der OTC-X-Index Energie legte binnen Jahresfrist um rund 10% zu. Insbesondere die Kurse von Gesellschaften, die nicht so stark in der Produktion tätig sind, wie beispielweise WWZ und Holdigaz, profitierten von der Nachfrage. Der Westschweizer Gasversorger Holdigaz sorgte mit der Gründung der Swiss Gas Invest für Aufmerksamkeit. Dank der Beteiligung kann Holdigaz nicht nur die eigene Gasversorgung sicherstellen, sondern profitiert von zusätzlichen Erträgen. Knapp 20% legte auch der Aktienkurs der Repower-Aktie zu. Der Bündner Stromproduzent betreibt vor allem Wasserkraftwerke, die mittelfristig von der Energiestrategie 2050 und steigenden Strompreisen profitieren dürften. Kurz vor Jahresende sorgte das Unternehmen für zusätzlichen Kursschub, indem es ein höher als bisher erwartetes operatives Ergebnis ankündigte.

Allerdings gab es im Energiesektor nicht nur Gewinner. Der regionale Versorger IBAarau, der seit dem 1. Januar 2018 unter dem Namen Eniwa firmiert, gehört zu den wenigen Verlieren unter den auf OTC-X gehandelten Titeln. Zwar diversifiziert das Unternehmen auch seit mehreren Jahren in den Servicebereich und erweitert das Angebot im Bereich Fernwärme und Gas. Allerdings werden in den kommenden Jahren grosse Investitionen in das eigene Flusswasserkraft notwendig, so dass die Aktionäre selbst bei besseren operativen Ergebnissen nicht mit einer höheren Ausschüttung rechnen dürfen.

Gewinner Industriesektor

Die ganz grossen Gewinner waren 2017 die Industriewerte. Der OTC-X-Index Industrie stieg um fast 24%. Natürlich zählten auch hier die Zur-Rose-Aktien und Montana Tech zu den Treibern. Ein weiterer Gewinner waren auch die Aktien der kleinen Industriefirma HBB Holding im Rheintal. Das Unternehmen kam aus einem Turnaround und konnte bereits 2016 seine Situation wieder deutlich verbessern. Auch für 2017 sind die Auftragsbestände des Unternehmens, das in Walzenhausen und bei der deutschen Tochter Rondom in Görlitz Profile für die Automobil-, Bahn- und Flugzeugindustrie herstellt, sehr erfreulich. Mit einem Plus von 65% gehören sie zu den Top Gewinnern auf OTC-X. Aber auch die B-Aktien der börsenkotierten Conzzeta AG legten um fast 44% zu, Reishauer konnten ein Plus von 35% verzeichnen. Einen Kurssprung von fast 50% machten die Valoren der Bieler Cendres+Métaux-Gruppe. Das Unternehmen befindet sich derzeit in einem Wandel von einem materialverarbeitenden Betrieb hin zu einem Komplettanbieter für die Medizintechnik- und Uhrenindustrie. Hoffnungsträger ist hier vor allem der Medtech-Bereich, der auch in den kommenden Jahren noch für Kursbewegungen sorgen könnte. In die Firma Diavantis wird die weitere Entwicklung des Produkts Vivaxs Liva ausgelagert, das einen neuartigen Zugang zur Blutbahn von Dialysepatienten ermöglicht. Arne-Christian Faisst sieht in dieser Innovation enormes Potenzial, da der Dialysemarkt ein Milliardenmarkt sei. Ob Diavantis es allerdings schaffen wird, muss sich noch zeigen, wie er in einem Interview mit der Handelszeitung berichtet.

Tourismussektor uneinheitlich

Die schwache Ausgangslage für den Schweizer Tourismussektor zu Jahresbeginn hat auch in den Aktienkursen auf OTC-X seine Spuren hinterlassen. Insbesondere Hotelgesellschaften wie Seiler Hotels und Sunstar verzeichneten Abgaben. Bei den Bergbahnen zeigt sich ein differenziertes Bild: Die von Gästen aus dem Euroraum abhängigen Betriebe, insbesondere in Graubünden, mussten Federn lassen. Hingegen konnten die Bahnen, die auf Gäste aus Übersee und hier insbesondere Asien setzen, deutlich profitieren. Dies könnte sich im kommenden Jahr allerdings wieder ändern, denn der zuletzt starke Euro dürfte wieder zu einem verstärkten Zustrom von Gästen aus dem Euroraum führen.

Der kräftige Kursanstieg der Aktie der Congress Center Kursaal Interlaken ist jedoch weniger auf das touristische Umfeld zurückzuführen, sondern vielmehr auf die Tatsache, dass das Unternehmen 2016 erstmals seit längerem wieder im stets defizitären Kongressgeschäft schwarze Zahlen schreiben konnte. Allerdings hat die Gesellschaft ihren Aktionären bereits mitgeteilt, dass sich die positive Entwicklung im 2017 nicht fortsetzen werde. Mittelfristig strebt das Unternehmen dennoch an, sowohl im Kongress- als auch im Casinogeschäft profitabel arbeiten zu wollen. Ein Umstand, der bisher eher selten zu finden ist. Auch bei der Kongress+Kursaal Bern AG wird das Veranstaltungsgeschäft noch durch die guten Erträge aus dem Casino subventioniert. Angesichts der künftigen Herausforderungen für die Casinos –  wie beispielweise Online-Gaming und Neuvergabe von Konzessionen – ein Umstand, der auch in den anderen Betrieben geändert werden muss.

Insgesamt dürfte der ausserbörsliche Markt mit seinen rund 300 Gesellschaften auch im laufenden Jahr attraktiv für Anleger bleiben. Die grössten Gewinner werden wieder Gesellschaften in Sondersituationen – beispielsweise bei Übernahmen oder aus einer Turnaround-Situation kommend – sein.

Gewinner/Verlierer OTC-X

Top 10
Titel 30.12.2016 30.12.2017* Performance
Linde Holding Biel** 1’010.00 3’100.00 206.9%
Forces Motrices de l’Avancon 600.00 1’300.00 116.7%
Zur Rose Group AG** 75.70 147.00 94.2%
Montana Tech N 5.70 10.25 79.8%
Congress Centre Kursaal Interlaken AG 250.00 430.00 72.0%
Intersport PSC Hldg N 33.00 56.00 69.7%
HBB Holding AG 84.50 140.00 65.7%
Klosters-Madrisa N 13.00 20.00 53.8%
Cendres+Métaux Holdg. SA, Biel 6’100.00 9’100.00 49.2%
Lagerhäuser der Centralschweiz N 25’000.00 37’250.00 49.0%
** nicht mehr gehandelt
Flop 10      
Titel 30.12.2016 30.12.2017* Performance
Neue Zürcher Zeitung, Zürich 6’250.00 5’650.00 -9.6%
Swisstulle AG 6’200.00 5’500.00 -11.3%
Seilbahn Weissenstein AG 100.00 88.00 -12.0%
Ferien- und Sportzentrum Hoch-Ybrig 28.50 25.00 -12.3%
Andermatt-Sedrun Sport AG 4.50 3.90 -13.3%
IBAarau AG 1’080.00 900.00 -16.7%
Suvretta-Haus, St. Moritz 16’000.00 13’000.00 -18.8%
BLS N 0.70 0.55 -21.4%
Raststätte Rheintal AG, Sevelen 2’500.00 1’600.00 -36.0%
* letzbezahlte Kurse

 

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