Das Umsatzwachstum im Jahr 2017 von 11,8% hatte Zur Rose bereits im Januar bekannt gegeben. Doch darin sind die beiden Akquisitionen Eurapon und Vitalsana von Ende 2017 noch nicht enthalten. Damit liegt Zur Rose gleichauf mit den 11,8% Umsatzwachstum der deutschen Apothekenversandhändler, laut bevh, aber eben auch nicht besser. Wie sind nun die weiteren Aussichten für die kaum zufriedenen Aktionäre der Neuemission aus dem Vorjahr?
11,8% – der Vergleich hinkt natürlich, denn Zur Rose ist ja auch in der Schweiz aktiv. Und im Heimatmarkt punktet die DocMorris-Mutter mit einem über dem Branchendurchschnitt liegenden Umsatzzuwachs von 6,3% auf 500 Mio. CHF. Das sind mehr als 50% des Gesamtumsatzes von 982,9 Mio. CHF. Und es ist der erste Zuwachs im Retailgeschäft, wie das Unternehmen in der Medienmitteilung schreibt, seit dem Bundesgerichtsurteil von 2015 zur Einschränkung des OTC-Versandhandels.
Schweizer Geschäftsgang überrascht positiv
Bezüglich der Schweiz sind mit Blick auf die mittelfristigen Aktienperspektiven verschiedene Aspekte positiv zu bewerten. Der Marktanteil im profitablen Kerngeschäft mit den Ärzten, die das Unternehmen ja auch gegründet und finanziert haben, ist um weitere 0,6% auf 23,6% gestiegen. Das ist für Aktionäre beruhigend, denn es handelt sich um wiederkehrende Einnahmen, die durch einen für Wettbewerber tiefen und tiefer werdenden Burggraben geschützt sind! Die für den begrenzten, regulierten und auch gesättigten Schweizer Markt überraschend hohe Wachstumsrate von 6,3% ist das Resultat von gezielten Massnahmen des Managements.
Dazu zählt die 2017 gestartete Kooperation mit Medbase, dem schweizweit grössten Dienstleister in der ambulanten medizinischen Grundversorgung. Zur Rose beliefert alle Medbase-Zentren mit Arzneimitteln. Eine weitere Kooperation mit einem starken Marktführer, der Migros, startete ebenfalls 2017 mit der Eröffnung der ersten Shop-in-Shop Apotheke in der Berner Marktgasse. Scheinbar sind beide Partner hochzufrieden, denn schon im Januar wurde verkündet, im Jahresverlauf 2018 in Basel und Zürich zwei weitere sogenannte Instore-Apotheken zu öffnen sowie zusätzliche Standorte einer Prüfung zu unterziehen. Eine dritte strategische Kooperation betrifft Krankenversicherungen, wobei konkrete Ergebnisse noch nicht genannt werden.
Der Blick auf das Schweizer Geschäft zeigt somit einen gesunden Geschäftsverlauf, sogar eine Beschleunigung, die über dem Marktwachstum liegt, einen Ausbau der Marktanteile sowie ein Management, das mit gewohnter Agilität und kreativen Lösungen Widrigkeiten und Hindernisse zu überwinden versucht – und das meist mit Erfolg.
Starke Signale vom deutschen Markt
Der Geschäftsverlauf in Deutschland verlief als Folge der effektiven, aber auch kostspieligen Marketingoffensive weit stürmischer mit einem Zuwachs von 18,1% auf 483,2 Mio. CHF. Besonders stark fiel das Wachstum im OTC-Bereich mit 38,7% aus. Sowohl im Bereich verschreibungspflichtiger (RX) als auch verschreibungsfreier Arzneimittel beschleunigten sich die Zuwachsraten gegenüber den Vorjahren. Die Anzahl der aktiven Kunden sprang um 32,1% auf 1,843 Mio. Ab 2018 werden auch die beiden zugekauften Unternehmen Eurapon und Vitalsana konsolidiert, die 2017 immerhin auf 85 Mio. Euro Umsatz kamen. Die aus der Integration erwachsenden Synergieeffekte sind für die in der Logistik starke Zur Rose Group auf mittlere Sicht klar positiv zu werten.
Somit wurde das Marktwachstum in Deutschland von 11,8% um mehr als 50% übertroffen, und das rein organisch. Die Zuwachsrate in Deutschland muss 2018 dennoch bei über 30% liegen, inklusive der Zukäufe, um das von Zur Rose genannte Wachstumsziel der Gruppe von über 20% (in Lokalwährung) zu erreichen. Denn ein zweistelliges prozentuales Umsatzwachstum in der Schweiz ist unwahrscheinlich; die Zielgrösse in der bis 2021 reichenden Mittelfristplanung für den Heimatmarkt Schweiz liegt auch im mittleren einstelligen Prozentbereich.
Positive Zwischenbilanz
Eine Zwischenbilanz nach Betrachtung der Wachstumsdynamik in beiden für Zur Rose relevanten Ländern fällt eindeutig positiv aus, sowohl absolut als auch relativ zu den jeweiligen Marktwachstumsraten. Somit sind die beim Börsengang im letzten Jahr kommunizierten Strategien und Ziele auch stringent verfolgt worden. Der Emissionsertrag von 215 Mio. CHF wurde zur Finanzierung der beschleunigten Expansion im grössten europäischen Markt, Deutschland, effektiv eingesetzt – für die Marketingkampagne und auch die beiden Akquisitionen. Im vierten Quartal 2017, dem ersten nach dem Börsengang, nahmen die Wachstumsraten sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland gegenüber den schon starken Quartalen davor nochmals zu. Weiterhin wurde die zum Zeitpunkt des Börsengangs ausstehende Anleihe über 50 Mio. CHF im Dezember vollständig getilgt, was den Effekt hat, dass die Bilanz zum 31.12.2017 gestärkt wurde und nun eine Eigenkapitalquote von 64,4% aufweist.
Konsistente Wachstumsstrategie
Dass das gesteigerte Wachstumstempo zur Sicherung der Wettbewerbsposition und zum Ausbau der Marktanteile zulasten der Profitabilität gehen wird, zumindest vorübergehend, kann für die neuen Aktionäre nicht überraschend kommen, denn es wurde ja vom Management schon vor dem IPO, das sogar teilweise damit begründet wurde, und auch danach stets offen kommuniziert. So stiegen allein die Kosten für Inserate gegenüber 2016 um 51,6% oder 11,4 Mio. CHF auf 33,6 Mio. CHF. Das entspricht 3,5% vom Umsatz und bleibt somit immer noch überschaubar. Mehr Wachstum, Expansion, M&A-Aktivitäten, deren Integration, das IPO und die erhöhten Anforderungen an ein börsenkotiertes Unternehmen – das alles braucht auch mehr Personal. Konsequenterweise stiegen die Personalkosten um 20,3% auf 71,7 Mio. CHF, oder 7,5% des Umsatzes. Die negativen Grössen bei EBITDA, EBIT und Gewinn bzw. Verlust kommen nicht überraschend, sondern sind vielmehr Ausdruck und Nachweis der angekündigten Wachstumsstrategie. Bereinigt um IPO- und M&A-Kosten, Restrukturierungen und sonstige Sonderfaktoren bleiben jedoch alle Gewinn- bzw. Verlustgrössen im Rahmen der Ankündigungen und sind nicht dramatisch.
Störfeuer von politischer Seite
Was zwar nicht zu erwarten war, aber womit durchaus gerechnet werden musste, sind populistische Massnahmen wie das immer wieder ins Spiel gebrachte Verbot des Apothekenversandhandels in Deutschland, wie es nun die Grosse Koalition aus CDU/CSU und SPD auch in ihren Koalitionsvertrag geschrieben hat. Ob es zur Umsetzung kommt, ist offen und darüber hinaus auch fraglich, schon weil es in fundamentalen Konflikt mit EU-Recht tritt. Dennoch: Auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand, und mit dieser Unsicherheit müssen Investoren bei diesem Investment eben rechnen. Wahrscheinlich ist das Verbot nicht durchzusetzen, aber eine sichere Prognose gibt es nicht.
Internationale Expansion als Treiber bei Konkurrent Shop-Apotheke
Ein Blick auf den in Frankfurt börsenkotierten Wettbewerber Shop-Apotheke zeigt ein mit 60% höheres Umsatzwachswachstum, das allerdings durch Konsolidierung per 8. November 2017 der übernommenen ehemaligen Muttergesellschaft Europa Apotheek z.T. auch anorganisch begründet ist. Der 2017 erreichte Umsatz beträgt 284 Mio. Euro und damit weit weniger als der von Zur Rose. Wachstumsträger sind vor allem EU-Länder wie Italien, Frankreich, Belgien und Spanien. Insgesamt verzeichnet das Segment „International“ ein Wachstum um 143% auf 73,7 Mio. Euro. In Deutschland kommt Shop-Apotheke auf 209,5 Mio. Euro. Ziel für 2018 sind auf Konzernebene 530-560 Mio. Euro. Das EBITDA soll 2018 mit 2 Mio. Euro erstmals leicht positiv ausfallen.
Fazit
Zur Rose ist operativ auf richtigem Weg und exekutiert die Strategie getreu den im Zusammenhang mit dem Börsengang gemachten Ankündigungen. Die Aktie war beim IPO ambitioniert bewertet, und die neuen Aktionäre mussten neben den Chancen auch die Risiken ins Kalkül ziehen. Jetzt ist eben Geduld gefragt, bis sich die mit den Mitteln aus dem Börsengang finanzierte Wachstumsstrategie auch auf Gewinnebene niederschlägt. Das kann durchaus noch dauern, doch die Zeit bis dahin kann auch positive Überraschungen bringen, bspw. das Verwerfen des in Deutschland geplanten Apotheken-Versandhandelsverbotes oder den Einstieg in weitere europäische Märkte.