Die Zukunft des Schweizer Hypothekarmarktes

Neue Handelsplattformen lanciert

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Rund 90 Teilnehmende, überwiegend Führungskräfte der Schweizer Regionalbanken, diskutierten beim 5. Branchentalk Regionalbanken von schweizeraktien.net über die Zukunft des Hypothekar- und Immobilienmarktes. Bild: Sandra Blaser, schweizeraktien.net

Die Zukunft des Schweizer Hypothekarmarktes ist ein essentieller Faktor für die Regionalbanken, deren Hauptgeschäft das auf hypothekarisch besicherte Ausleihungen und deren Refinanzierung durch Kundengelder ist. Neben den Banken drängen zunehmend auch weitere Anbieter auf den in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsenen Markt der Hypotheken wie Versicherungen, aber auch Fintechunternehmen. Letztere wollen den Markt mit digitalen Angeboten neu gestalten. Teilweise kommen die neuen Angebote von den Banken selbst, wie etwa der Hypomat von der Glarner Kantonalbank, welcher es den Kunden ermöglicht, die Hypothek direkt online abzuschliessen. Die Vergabe erfolgt allerdings ausschliesslich für Standardfinanzierungen mit einem tiefen Ausfallrisiko für die Bank. Eine derartige Plattform könnte auch von anderen Anbietern genutzt werden. Diese könnten so eine Ausdehnung ihres Geschäftsgebiets erreichen, ohne hierbei grossen Risiken ausgesetzt zu sein. Die Kreditvergaberichtlinien ausserhalb des eigenen Gebiets sind beispielsweise beim Hypomat deutlich strenger als dies bei den übrigen Ausleihungen der Fall ist. Letztere stellen weiterhin das Kerngeschäft dar, wie Martin Dürst, CFO der Glarner Kantonalbank, darlegte.

Funktionierender Immobilienmarkt notwendig

Der Hypothekarmarkt basiert auf einem funktionierenden Immobilienmarkt. Hier sieht denn auch Donato Scognamiglio, Inhaber des Beratungsunternehmens IAZI AG, die grössten Risiken. Der Markt befinde sich seit 20 Jahren in einer Hausse und sei daher sehr anfällig für eine deutliche Korrektur. Auch werde derzeit sehr viel gebaut, was zu einem Anstieg des Leerstands, der in einigen Regionen bereits die Grenze von 10% überschritten habe, führe. Zudem verunmöglichten es die hohen Preise für Immobilien dem Grossteil der Schweizer Wohnbevölkerung, Wohnimmobilien zur Selbstnutzung zu erwerben. Ein funktionierender Markt sei dies nicht. Aber das Problem liege nicht bei den Banken, die eine sehr restriktive Kreditvergabepolitik anwendeten. Vielmehr seien es die institutionellen Anleger, die die Preise nach oben treiben würden mangels Alternativen zur Geldanlage.

Differenzierter sieht Stefan Heitmann, CEO von Moneypark, die Situation im Markt. Bei den Luxusimmobilien habe bereits eine Preiskorrektur von 30% stattgefunden, die belege, dass der Markt sehr wohl funktioniere. Eine Gefahr sieht er bei den Bewertungsmodellen für Immobilien. Neben den beiden Unternehmen IAZI und Wüest & Partner sei mindestens ein dritter Anbieter notwendig.

Nur Standardangebote digitalisierbar

Bei der Lancierung neuer digitaler Angebote muss beachtet werden, dass ein hoher Standardisierungsgrad der Produkte notwendig ist. Für aufwendige Einzelfälle wird weiterhin nur der klassische Hypothekarkredit in Frage kommen. Dies ist besonders bei hohen Krediten an Unternehmen, aber auch bei Privatpersonen mit einer besonderen Situation, der Fall. Auch können bei den digitalen Angeboten die regionalen Besonderheiten wie etwa ein starker Preisanstieg von Immobilien nur beschränkt berücksichtigt werden.

Martin Dürst, CFO der Glarner Kantonalbank. Bild: Sandra Blaser, schweizeraktien.net

Dazu kommt, dass die Beurteilung der Kreditrisiken in Gebieten ausserhalb des eigenen Geschäftsgebiets deutlich schwieriger ist, wie das Fehlschlagen von Expansionsversuchen in der Vergangenheit vor Augen führte.

Als Beispiel kann die Glarner Kantonalbank dienen. Wie CFO Martin Dürst darlegte, ist sein Haus bei der Kreditvergabe im Heimmarkt mit einem Marktanteil von 60% klar die Nummer eins. Möglich sei dies aber nur dank der grossen Kundennähe und der Marktkenntnis. Gleichzeitig sei so das Risiko von Kreditausfällen sehr tief. Die Erweiterung des Angebots mit Hilfe des Hypomaten könne nur für standardisierte Fälle erfolgen, da keine individuellen Sondersituationen von Kunden berücksichtigt werden könnten.

Neue Plattformen

Neben dem Hypomat wurden am Branchentalk Regionalbanken zwei weitere Zukunftsmodelle für den Hypothekarmarkt vorgestellt.

Dies ist zum einen eine Vermittlungsplattform für Hypotheken von Moneypark. Moneypark wurde 2012 gegründet und ist eigenen Angaben zufolge bereits jetzt der grösste unabhängige Hypothekenvermittler. Das Unternehmen weist sehr starke Zuwächse auf und war im Jahr 2017 mit einem Hypothekarvolumen von über 2 Mrd. CHF bereits der viertgrösste Anbieter der Schweiz. Moneypark ist ausschliesslich als Vermittler und Berater tätig und vergibt selbst keine Hypotheken. Das Unternehmen kooperiert mit mehr als 100 Banken, Versicherungen und Pensionskassen, deren Angebote für die Kunden verfügbar sind.

Schweizer Hypothekarmarkt bankendominiert

Die aktuelle Situation am Schweizer Hypothekarmarkt ist für den CEO von Moneypark, Stefan Heitmann, als „eine Insel der Glückseligkeit“ aus der Sicht der Banken zu betrachten. So wollen über 80% der Immobilienkäufer ihre Hypothek bei einer Bank abschliessen. Dies zeigt die starke Verankerung bei den Banken, die im europäischen Ausland deutlich geringer ausfällt. So möchten etwa in Deutschland mehr als zwei Drittel aller Interessenten ihre Finanzierung nicht mehr bei einer Bank durchführen.

Beratung bleibt wichtig

Eine klare Absage erteilt Moneypark der digitalen Vergabe von Krediten ohne vorherige Beratung der Kunden. Die Beratung bleibt weiterhin an erster Stelle und wird von Experten bei Moneypark durchgeführt. Das Unternehmen nimmt dabei alle wichtigen Daten des Kunden auf und gibt diese an die möglichen Kreditgeber weiter, um verschiedene Offerten einholen zu können. So können die für den Kunden und die Banken aufwendigen mehrfachen Datenerhebungen, die bei der bisherigen Offerteinholung notwendig waren, eingespart werden.

Win-Win-Situation für Kreditgeber und Kunde

Moneypark übernimmt aber auch gleichzeitig eine Filterfunktion: So werden die Wunschvorstellungen der Kreditinteressenten an die Finanzierungsmöglichkeiten angepasst. Das Ziel des neuen Angebots ist es, die für den Kunden beste Lösung mit dem geringstmöglichen Aufwand zu finden. Der Kunde kennt seine Möglichkeiten und kann gezielt nach für ihn geeigneten Objekten Ausschau halten, während sich der Kreditgeber  auf die Prüfung der Vergabe des Kredits für das Objekt beschränken kann. Die notwendige Vorabklärung der Finanzierungsmöglichkeiten des Kunden entfällt.

Hypothekarbörse lanciert

Mit der neuen Hypothekenbörse Mortgage Exchange (Mex), die Moneypark am Branchentalk erstmals präsentierte, solle der Hypothekarmarkt revolutioniert werden, informierte Heitmann. Mit dieser Plattform können ähnlich gelagerte Hypotheken zu einem Pool verbunden werden. Auf der einen Seite können institutionelle Investoren direkt in den privaten Immobilienmarkt investieren, indem sie Geld zur Vergabe an die Endkunden zur Verfügung stellen. Die Hausbesitzer erhalten eine neue Möglichkeit der Finanzierung. Finanzierungen, wie etwa der Kauf einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus, dessen Wohnungen eine starke Ähnlichkeit aufweisen, können so gebündelt werden. Statt mehrerer verschiedener Einzelkredite können die Transaktionen zu einem Pool zusammengefasst werden. Der Vertragsabschluss erfolgt dabei für den Endkunden direkt über Moneypark.

Erleichterte Kreditvermittlung

Ein anderes Paradigma verfolgt die im 2017 gegründete SCEx AG, die vom ehemaligen CEO der Bank Cler, Hanspeter Ackermann, geleitet wird. Die erstmals öffentlich präsentierte Plattform Credit Exchange will die Trennung zwischen dem Vertrieb von Krediten und der Vergabe erreichen. Die Plattform richtet sich ausschliesslich an Kreditgeber und steht den Retailkunden nicht zur Verfügung. Die beteiligten Partnerbanken können ihre Angebote allen Instituten, die ebenfalls am System beteiligt sind, zum Vertrieb anbieten.

Credit Exchange als Börse

Die Credit Exchange bietet den Kunden erhebliche Vorteile, wie der CIO der Mobiliar, Sven Rump, darlegte. Die Mobiliar gehört zusammen mit Swisscom, der Vaudoise Versicherungsgruppe und der Clientis Zürcher Regionalbank zu den Besitzern und Kunden der neuen Plattform. Alle Partner sind mit je 25% beteiligt, wodurch eine breite Abstützung sichergestellt ist.

Sven Rump, CIO der Mobiliar. Bild: Sandra Blaser, schweizeraktien.net

Rump legte die Interessen der Mobiliar als Kunde der Plattform dar. Die Plattform stelle ähnlich einer Börse eine Handelsplattform dar, die ausschliesslich von den Abschlüssen lebt. Die Plattform schaffe einen transparenten Markt, der es den Kunden wie Mobiliar erlaube, die jeweiligen Risiken bei Vertragsabschlüssen effizient zu steuern und die Verwaltung zu vereinfachen. Profitieren könnten aber auch die Retailkunden, da ihnen der Berater der Mobiliar verschiedene Angebote vorlegen könne, ohne dass der Kunde verschiedene Anbieter selbst aufsuchen müsse. Für den Kunden bleibe die Mobiliar der Ansprechpartner, unabhängig vom jeweiligen Finanzierer.

Kosteneinsparung

Rump strebt mit der Plattform in erster Linie eine deutliche Kosteneinsparung an. Die Mobiliar hat alle notwendigen Kundendaten und kann anhand dieser die passenden Angebote auswählen. Der für die Kreditgeber aufwendige Vertrieb der Produkte entfällt, was zu einer deutlichen Kostensenkung führt.

In einem weiteren Schritt können die über die neue Plattform abgeschlossenen Verträge dort auch gehandelt werden. Es ist insbesondere möglich, eine Preisfeststellung für die Hypotheken zu machen und diese auch weiterzuverkaufen. Neben der höheren Transparenz wird so auch die Sicherheit für alle Beteiligten erhöht. Ein Kunde der Mobiliar, der in Zahlungsschwierigkeiten gerät, kann durch die Mobiliar mit dem Verkauf seiner Finanzierung unterstützt werden. Analog kann etwa ein Finanzgeber einen Kredit, der nicht mehr seinen Richtlinien entspricht, an einen anderen Anbieter transferieren.

Unterschiedliche Ausrichtungen der Handelsplattformen

In der Podiumsdiskussion wurden die unterschiedlichen Ausrichtungen der beiden Plattformen verdeutlicht: So sind bei der Mex ausschliesslich die Endkunden Zielgruppe, während dies bei der Credit Exchange die Business Partner sind. Damit sind aber die Unterschiede nicht erschöpft. So steht bei Mex der Sekundärmarkt (Handelbarkeit abgeschlossener Verträge) keinesfalls im Vordergrund und spielt allenfalls eine untergeordnete Rolle. Für die Credit Exchange stellt der Sekundärmarkt einen sehr wichtigen Systembestandteil dar.

Angebotserweiterung

Donato Scognamiglio betrachtet die beiden Modelle als eine wertvolle Ergänzung des aktuellen Angebots im Hypothekarmarkt. Es sei gut, dass es Bewegung im Markt gebe und neue Angebote lanciert würden. Er sei auch offen für weitere Bewertungsmodelle am Immobilienmarkt, die mit der Digitalisierung des Angebots möglich werden.

Christoph Müller, CEO der Ersparniskasse Affoltern im Emmental. Bild: Sandra Blaser, schweizeraktien.net

Keine Angst vor den neuen Möglichkeiten zeigte Christoph Müller, CEO der Ersparniskasse Affoltern im Emmental. Für ihn steht es nicht im Vordergrund, jetzt unbedingt wachsen zu müssen. Der elektronischen Vergabe von Hypotheken durch den Hypomat erteilt der Regionalbanker eine klare Absage. Bei seinem Institut werden die Ausleihungen durch Gelder aus der Region finanziert. Die Kundengelder werden der Bank im Vertrauen, dass diese in der Region eingesetzt werden, angedient. Die neuen Vertriebskanäle wie Moneypark will Müller erst einmal beobachten und dürfte mit diesem Statement die Meinung vieler Regionalbanker teilen. Sein Haus strebe auch nur ein langsames Wachstum an, das sich dann auch positiv in der Erfolgsrechnung niederschlage. Bei Moneypark stehe das schnelle Wachstum an vorderster Stelle, ohne dass sich dies positiv in der Erfolgsrechnung niederschlage, was Müller vorsichtig agieren lässt. Auch müssten die Anbieter erst beweisen, dass sie auch beim Auftreten von Schwierigkeiten funktionieren.

Fotogalerie 5. Branchentalk Regionalbanken

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