Es war einer der weltweit grössten Börsengänge des Jahres 2017. Hauptaktionär Toshiba und der halbstaatliche Co-Investor INCJ platzierten 100% der Aktien und nahmen 2,3 Mrd. CHF ein. Und obwohl L+G gute Halbjahreszahlen und einen Jahresabschluss per März 2018 vorlegte, der eher positiv überraschte, erreichte die Aktie Anfang Juni mit 65.50 CHF ein neues Tief. Bringt die am 8. Juni bekannt gegebene Beteiligung von 10,52% der Beteiligungsgesellschaft des Lego-Erben, Kirkbi, nun die Trendwende?
Ein grosser Investor, der mehr als 10% des Aktienkapitals auf ermässigtem Kursniveau einsammelt, ist auf jeden Fall ein gutes Zeichen und zeugt von einem hohen Vertrauen in die Zielgesellschaft und deren weitere Wachstumsperspektiven. Um eine Trendwende in der Aktienkursentwicklung herbeizuführen, müsste aber das Engagement erweitert werden, bis alle Aktien von abgabewilligen Aktionären aus dem Markt genommen sind. Wie es scheint, ist die Kursentwicklung von L+G derzeit nicht von den vor kurzem publizierten und durchaus überzeugenden Zahlen des Geschäftsjahres 2017/2018 getrieben, sondern vielmehr von dem Ungleichgewicht im Verhältnis von Angebot und Nachfrage bei den L+G-Aktien.
Hohes Platzierungsvolumen beim IPO sorgt für Angebotsüberhang
Dafür ist zumindest teilweise die Vollplatzierung der Aktien beim IPO verantwortlich zu machen. Viele Investoren, institutionelle wie private, hatten zu hohe Erwartungen an die After-Market-Performance der Aktie und sind über die Monate wohl frustriert nach und nach ausgestiegen. Bei 2,3 Mrd. CHF Platzierungsvolumen reicht es dann eben nicht aus, wenn ein, zwei Fonds oder Vermögensverwalter Aktien kaufen, um den Überhang aus dem Markt zu nehmen. Auf die Risiken im After-Market infolge der beim IPO verfolgten Preisoptimierungsstrategie seitens Toshiba war seinerzeit explizit in der IPO-Einschätzung auf schweizeraktien.net hingewiesen worden.
Börsenkotierter Wettbewerber Itron auf Talfahrt
Dass die schlechte Aktien-Performance jedoch nicht allein L+G-spezifisch ist, zeigt sich an der Kursentwicklung des einzigen börsenkotierten Wettbewerbers, der amerikanischen Itron (Kürzel: ITRI), die bereits vor dem L+G-IPO in einer ersten Einschätzung als Vergleichswert bemüht worden war. Stand die Aktie im Juli 2017 noch bei 70 USD und kletterte dann sogar auf 79 USD, so folgte 2018 eine Talfahrt bis auf aktuell 58 USD. Das historische Hoch hatte im Jahr 2008 bei 100 USD gelegen. Die Umsatzentwicklung hat in den letzten fünf Jahren stagniert und lag 2017 bei knapp über 2 Mrd. USD. Das EBITDA erreichte 228 Mio. USD, der Nettogewinn 57 Mio. USD. Daraus resultieren ein KGV von über 40x und ein KUV von 1,33x.
L+G mit solidem Zahlenwerk in 2017/2018
Die Zahlen von L+G liegen fast auf gleicher Höhe. Der Umsatz im Geschäftsjahr 2017/2018 belief sich auf 1,74 Mrd. USD, ein Plus von 4,7%. Das um Sonderfaktoren bereinigte EBITDA lag bei 212 Mio. USD, unverändert zum Vorjahr. Die EBITDA-Marge war leicht rückläufig und liegt mit 12,2% nicht weit von derjenigen bei Itron entfernt. Positiv zu werten ist der um 18,8% auf 1,57 Mrd. USD gesteigerte Auftragseingang, wenngleich das Tempo im ersten Geschäftshalbjahr mit 29% Steigerung höher war. Weiterhin bemerkenswert ist der Fortschritt bei der Rückführung der Netto-Verbindlichkeiten auf gerade noch 40,5 Mio. USD per 31. März 2018, von 126,8 Mio. USD ein Jahr zuvor und 229,1 Mio. USD per 30. September 2016. Der Free Cashflow stieg auf 87,5 Mio. USD von 53,1 Mio. USD im Vorjahr. Das Dividendenversprechen beim IPO, ca. 70 Mio. USD für Ausschüttungen zur Verfügung zu stellen, wird somit eingehalten werden.
Mondpreise im Secondary Private Equity Markt
Es gibt jedoch weitere Ereignisse, die eine Rolle bei der Entwicklung der L+G-Aktie spielen mögen, in der börsennahen Berichterstattung jedoch übersehen werden, weil es sich um gleich zwei Transaktionen von Wettbewerbsunternehmen handelt, bei denen von Privatinvestoren an Privatinvestoren verkauft wurde: im sogenannten Secondary Market. Bereits 2017 verkaufte die Private Equity Gesellschaft CVC den in Deutschland beheimateten Konkurrenten Ista an eine Unternehmensgruppe um den Milliardär Li Ka Shing in Hongkong. Der Preis betrug 5,8 Mrd. Euro inkl. Übernahme der Schulden. Es war eine heiss umkämpfte Transaktion, bei der letztlich der höchste Bieter den Zuschlag bekam. 2016 hatte Ista Umsätze in Höhe von 850 Mio. Euro erreicht, so dass das KUV der Transaktion bei 6x lag, das EBITDA-Multiple wurde mit 14,6x berechnet. Li Ka Shing ist seit Jahrzehnten ein smarter Geschäftemacher und hat beispielsweise bei Mannesmann Mobil ein Vermögen verdient. Er ist definitiv nicht bekannt dafür, zu viel zu bezahlen. Orientiert man sich an der Ista-Transaktion, so erscheinen die börsenkotierten Wettbewerber Itron und L+G deutlich unterbewertet.
Partners Group setzt auf Techem
Auch die zweite Transaktion in dem Umfeld, der Verkauf der ebenfalls in Deutschland beheimateten Techem durch die australische Macquarie an ein von der Schweizer Partners Group angeführtes Konsortium von Private Equity Investoren für 4,6 Mrd. Euro legt nahe, dass die börsenkotierten Itron und L+G zu tief bewertet sind. Macquarie hatte Techem zwischen 2006 und 2009 für insgesamt etwa 1,5 Mrd. Euro übernommen und seitdem 1 Mrd. Euro investiert. Im Zusammenhang mit diversen Finanzierungsoperationen flossen schon beträchtliche Summen an Macquarie als Ausschüttungen zurück. Insgesamt dürfte der Gewinn des Engagements bei einem Vielfachen der Investitionssumme liegen. Techem hat im Geschäftsjahr 2016/2017 einen Umsatz von 782,7 Mio. Euro erzielt, also liegt bei dieser Transaktion das KUV bei ebenfalls grosszügig bemessenen 5x. Auch dieser Verkaufsprozess war von zahlreichen Bietern geprägt, darunter auch CVC, die letztes Jahr Ista veräussert hatte. Techem liest den Stromverbrauch bei insgesamt 11 Mio. Wohnungen ab, davon die Hälfte in Deutschland. Die Partners Group und ihre Co-Investoren, Pensionskassen aus Kanada, wollen Techem nun internationalisieren. Daraus lässt sich eine Verschärfung des Wettbewerbs ablesen. Während die privat gehaltenen Konkurrenten für eine Zeit durchaus Wachstum vor Gewinn stellen können, wird dies bei börsenkotierten Unternehmen schnell mit fallenden Kursen bestraft.
Fazit
Für 2018 wird der Smart-Metering-Markt weltweit auf ein Volumen von rund 14 Mrd. USD geschätzt. Wie es scheint, zählen L+G und Intron mit höheren Marktanteilen zu den grösseren Playern. Es folgen u.a. Honeywell, Centrica (UK), Osaki (Japan), Echelon und Xylem mit höheren Umsätzen und Marktanteilen als Ista und Techem. Es ist klar, dass ein heftiger Kampf um die grossen Projekte und neuen Märkte wie Indien und Lateinamerika entbrannt ist. Ebenso klar scheint, dass ein rundes Dutzend Wettbewerber auf mittlere und längere Sicht zu viele sind. Denkbar ist, dass sich im harten Verdrängungswettbewerb eine Handvoll Unternehmen durchsetzt. Ebenso wahrscheinlich ist aber auch, dass die Anzahl durch M&A-Transaktionen abnimmt. So oder so: L+G ist für beide Szenarien gut positioniert und dürfte am Ende zu den Überlebenden zählen. Ob allerdings die Aktionäre in absehbarer Zeit auch zu den Gewinnern zählen werden, scheint angesichts der Gemengelage weniger klar. Gefragt sind für den Moment erst einmal Geduld und ein langer Atem.
Die L+G-Aktie ist an der SIX Swiss Exchange kotiert und notierte zuletzt bei 69.65 CHF.