Ein Jungunternehmen will den mehr als 500 Milliarden Franken schweren Schweizer Obligationenmarkt aufmischen. Im Spätsommer lanciert Loanboox eine Plattform, mit der die Ausgabe von Anleihen wesentlich schneller und einfacher abgewickelt werden kann als bisher.
„Die Beta-Version steht, und wir haben mehrere Pilotkunden aus dem öffentlich-rechtlichen Sektor, mit denen wir die Plattform testen“, sagte Stefan Feller, Leiter des Kapitalmarktgeschäfts der Zürcher Firma. Loanboox will sich damit einen Teil des lukrativen Kapitalmarktgeschäftes sichern, das bisher fest in den Händen der Banken liegt.
Hat ein Finanzchef einer Stadt, einer Gemeinde oder auch einer Unternehmung einen grösseren Kapitalbedarf, fasst er oftmals die Emission einer Obligation ins Auge. Er greift dann zum Telefon, schreibt eine E-Mail und arrangiert ein Treffen mit einer oder mehreren Banken, die den Verkauf der Papiere an Investoren organisieren. Dies geschieht in der Regel ebenfalls via Telefon, E-Mail oder auf schriftlichem Weg.
Dieses Verfahren, das gegenwärtig drei Wochen bis mehrere Monate in Anspruch nimmt, will Loanboox radikal verkürzen. „Auf der Plattform von Loanboox kann der Prozess in einer Minute mit wenigen Clicks abgeschlossen werden“, sagte Stefan Mühlemann, Gründer und Chef der Firma. Zielgruppe seien Städte, Kantone und grosse Unternehmen mit hoher Bonität. Auf Investorenseite richte sich die Plattform an Versicherungen, Pensionskassen, Asset Manager und auch Banken. „Das meiste, was Gemeinden und andere öffentlich-rechtliche Körperschaften in der Regel brauchen, ist einfache Massenware“, sagte Mühlemann. „Und so etwas gehört auf eine Plattform.“
Emittent platziert Anleihen selbst
Loanboox stellt damit die Rolle der Bank als Vermittler zwischen Geldgebern und Kapitalsuchern infrage. Eine Bank als Zahlstelle ist zwar notwendig, da darüber die Abwicklung der Transaktion und die Verbuchung bei der Schweizer Börse ausgeführt wird, und auch der Handel läuft noch über die Banken. Aber das Emissionsverfahren, das einer Bank leicht mehrere 100’000 Franken einbringen kann, geht an den Instituten vorbei. Via Loanboox verkauft ein Schuldner seine Papiere als Selbstemittent direkt an Kunden und nicht mehr an die Banken, die diese dann ihren Kunden zuteilt.
Ein Emittent muss sich bei Loanboox einmal anmelden und lädt dann Dokumente wie Rechnungsabschlüsse, Rating-Bewertungen, Emissionsprospekte und anderes mehr hoch. In eine Maske trägt er Laufzeit, den gewünschten Emissionsbetrag, die Valuta und den Zeitraum für das Bookbuilding ein. Investoren können nun ihre Zins- oder Renditevorstellung sowie den Betrag eintragen, den sie zeichnen wollen. „Auf der Plattform kann der Prozess von Emittent und Investoren live mitverfolgt werden“, sagte Feller.
Das wenig transparente Softsounding, bei dem die vom Schuldner für eine Emission angefragten Banken bei Investoren auskundschaften, ob sie überhaupt ein Interesse an der Emission haben, entfalle. Das anschliessende Bookbuilding, der eigentliche Zeichnungsprozess, finde ebenfalls auf der Plattform statt. „Bei Loanboox können Investoren mehrere Orders zu verschiedenen Konditionen eingeben“, sagt Mühlemann. Zudem sei das Zuteilungsverfahren klar geregelt. „Der Prozess über uns ist einfacher, günstiger und transparent.“
Eine Kreditanalyse macht Loanboox nicht. „Das müssen die Parteien selbst machen. Wir arbeiten aber mit Independent Credit View zusammen, die diesen Service gegen eine Bezahlung anbietet“, sagte Kapitalmarktchef Feller.
800 Kreditnehmer und rund 300 Kapitalgeber registriert
Bisher vermittelte die 2015 gegründete Loanboox, die zu 80% den Mitarbeitern gehört, Darlehen von Kapitalgebern an öffentlich-rechtliche Körperschaften und staatsnahe Betriebe. Bis Anfang Juni erhielt Loanboox Finanzierungsanfragen von mehr als zwölf Milliarden Franken, von denen jede zweite angeschlossen werden konnte, sagt Mühlemann. Derzeit seien rund 800 Kreditnehmer und rund 300 Kapitalgeber bei Loanboox registriert. Mühlemann schätzt den Markt für Darlehen in der Schweiz auf etwa 200 Milliarden Franken und in Westeuropa auf rund 13 Billionen Franken. Nach Deutschland im Vorjahr peilt Loanboox 2018 eine Expansion nach Österreich und Frankreich und bis 2021 in weitere europäische Länder an. Bei der Anleihenplattform will sich die Firma vorerst auf die Schweiz konzentrieren.