Molecular Partners: Short-Attacke trotz positiver Studienergebnisse

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Das an der SIX Swiss Exchange kotierte Biotech-Unternehmen Molecular Partners meldete am 19. Juli positive Ergebnisse für zwei Phase-III-Studien des ersten Produktkandidaten Abicipar zur Behandlung der Makuladegeneration. Die Entwicklung und Kommerzialisierung von Abicipar wird vom Lizenzpartner Allergan betrieben. Doch trotz der guten Nachrichten stürzte der Aktienkurs von Molecular Partners zunächst unter hohen Umsätzen ab.

Mit dem Abschluss der einjährigen Studien und der Veröffentlichung der Ergebnisse rückt Molecular Partners der Zulassung des ersten Produktes einen weiteren Schritt näher. Damit verbunden sind auch Meilensteinzahlungen von insgesamt 360 Mio. USD  sowie eine prozentuale Umsatzbeteiligung, wenn Abicipar auch die letzte Etappe einer weiteren einjährigen Studie meistert. Lizenzpartner Allergan plant, den Antrag auf FDA-Zulassung nach Abschluss dieser letzten Studie im Jahr 2019 zu stellen. Mit einem Entscheid der FDA ist dann voraussichtlich 2020 zu rechnen.

Partner Allergan

Kursverlauf der an der NYSE kotierten Allergan-Aktie in USD. Quelle: moneynet.ch

Die Aktienkursentwicklung der letzten Monate ist bei beiden Aktien nicht zufriedenstellend. Doch während beim Marktführer für Augenheilkunde Allergan viele Produkte und Wettbewerber den Geschäftsgang bestimmen, hängt bei dem Schweizer Lizenzpartner Molecular Partners das Meiste an der Marktzulassung des ersten Produktes. Das zeigt sich schon an den Marktkapitalisierungen von 58 Mrd. USD bei Allergan und 440 Mio. CHF bei Molecular Partners.

Kurse und News

Und wie so oft bei jungen Biotech-Unternehmen, hängt die Aktienkursentwicklung von den wenigen News ab, die im Zusammenhang mit Studien, Partnerschaften, Wettbewerbern und Kapitalbedarf stehen. Und obwohl sich bei Molecular Partners alles in die angestrebte Richtung entwickelt, lagen die durchschnittlichen Aktienumsätze an der SIX im ersten Halbjahr bei weniger als 13’000 Stück pro Handelstag.

Kursverlauf der Molecular-Aktie im letzten Quartal. Quelle: moneynet.ch

Etwa ab Juni gab es zwar einen leichten Anstieg, doch am 19. Juli, dem Tag der Veröffentlichung der Studienergebnisse, schossen die Aktienumsätze auf 411’000 in die Höhe.

Zunächst zog der Kurs an, wie zu erwarten war, doch setzte eine Verkaufswelle ein und drückte die Aktie unter 20 CHF. Auch am 20. Juli lagen die Umsätze mit 235’000 Aktien überdurchschnittlich hoch, wobei sich der Kurs an diesem Tag wieder von seinem Tief löste. Was könnte für den Einbruch verantwortlich sein?

Kritik der Studienmethodik

Wer die meisten Meldungen zu Allergan und Molecular Partners im Zusammenhang mit den beiden Studien liest, wird dort keine Hinweise erhalten, denn es handelt sich zumeist um die verkürzte Medienmitteilung der beiden Unternehmen. In einigen wenigen Fällen wird die Methodik der Studie kritisiert, deren Endziel es „nur“ ist zu zeigen, dass ihr innovatives Produkt nicht weniger effektiv ist gegenüber dem etablierten und bisher verwendeten „Lucentis“ von Novartis. Das wird als zu wenig ambitioniert interpretiert. Es ist jedoch im gegebenen Setting absolut ausreichend, weil die Therapie mit Abicipar zunächst für Patienten vorgesehen ist, bei denen die etablierten Therapien keine dauerhafte Besserung bringen.

Regeneron dreht auf

Andere stören sich daran, dass trotz der fast gleichen Wirksamkeit bei weniger Injektionen mehr Nebenwirkungen aufgetreten sind. Dies ist jedoch nicht selten, weil der Produktionsprozess noch vor seiner Optimierung steht. Zusammengenommen erscheinen diese Punkte weniger stichhaltig. Wichtiger scheint, dass mit „Eylea“ von Regeneron ein weiteres Medikament im Kampf gegen die altersbedingte Makula Degeneration stetig an Marktanteilen gewinnt und auf 4 Mrd. USD Jahresumsatz zusteuert, während das Vergleichsmittel Luceris tatsächlich bereits seit 2014 rückläufige Umsätze verzeichnet und nur noch etwas über 1 Mrd. USD umsetzt.

US-Verkäufe von Lucentis und Eylea in Mrd. USD

Quelle: Jacob Bell / BioPharma Dive, data from companies

 

Verschärfte Wettbewerbssituation

In einer Analystenkonferenz gingen die Fragen in Richtung Differenzierung und Vorteile von Abicipar nicht nur vs. Luceris, sondern auch vs. Eylea. Eine weitere Frage ist, wie die Augenärzte, die die Therapien anordnen, wohl entscheiden werden angesichts der leicht unterschiedlichen Profile. Ein wesentlicher Vorteil von Abicipar ist, dass es seltener ins Auge gespritzt werden muss als die Wettbewerbsprodukte – sechs oder acht Mal im Jahr vs. 12 Mal. Doch Regeneron arbeitet ebenfalls an einer Formulierung, die mit acht Injektionen p.a. auskommen soll. Die Wettbewerbssituation bzw. der Blick der Investoren darauf, hat sich somit verändert. Zusammen mit den leicht unter den Luceris-Werten liegenden Vergleichswerten von Abicipar und vor dem Hintergrund einer charttechnisch zumindest angeschlagenen Allergan lässt sich aus der Gemengelage mit der Perspektive eines Baissiers durchaus eine Baisse-Spekulation machen.

Schwache Liquidität als schwache Flanke

Dabei kommen die bei Molecular Partners üblichen niedrigen Aktienumsätze dem Baissier entgegen, denn bereits mit relativ geringen Leerverkäufen von Aktien lässt sich ein entsprechend starker Effekt erzielen. Die durchschnittlichen Aktienumsätze sind schon im letzten Monat bei leicht sinkender Tendenz der Kurse auf 46’000 Stück angestiegen bevor die Aktie dann unter Rekordumsätzen von über 400’000 Stück von 23 CHF auf nur noch 18 CHF abgetaucht ist. Die starke Gegenbewegung am 20. Juli dürfte auf Eindeckungskäufe zurückzuführen sein.

Short-Seller-Community

Da die SIX keine Statistiken zu Leerverkäufen publiziert, sind die Vorgänge rund um die Veröffentlichung kaum transparent darzustellen. Einen Hinweis auf eine Short-Attacke gibt jedoch die Statistik der FINRA, Financial Industry Regulatory Authority. Dort müssen allerdings nur die Mitglieder Leerverkäufe berichten, die an OTC-Märkten getätigt wurden. Zum letzten Stichtag 29. Juni, der veröffentlicht ist, finden sich 233’600 leer verkaufte Molecular Partners Aktien, eine Steigerung um 21’700 gegenüber 14 Tage früher. Per 31. Mai allerdings lag die Leerverkaufsquote noch, wie zuvor, bei null! D.h., dass es sich um eine sorgfältig aufgebaute Leerverkaufsposition handelt. Die Falle musste am 19. Juli zuschnappen. Wie viele leer verkaufte Aktien die FINRA-Statistik per Mitte Juli und dann wieder Ende Juli ausweisen wird, bleibt abzuwarten. Den Leerverkäufern geht es darum, mit geringem Risiko schnell hohe Gewinne zu realisieren, das heisst, sich wieder einzudecken, wenn die Aktie tief genug gefallen ist. Es ist eine eigene Community, die sich auf entsprechenden Plattformen rege austauscht. Auch Hedge Funds sind aktiv, und somit entsteht ein Dunstkreis aus semi-professionellen Spekulanten, Hedge Fonds und spezialisierten Newslettern, die nicht selten ihre eigene Suppe kochen. Oft geht es gar nicht mehr um Fakten und Argumente, sondern um Gerüchte, Indiskretionen und kursbewegende Meldungen – für kurzfristige Trading-Chancen.

Fazit

Alles in allem sind das Kurskapriolen, wie sie bei Biotech-Aktien junger Unternehmen ganz typisch sind. Aus Anlegersicht haben Allergan und Molecular Partners die Ziele der Studien erreicht. Damit sind auch noch alle Optionen offen für die spätere Ausweitung der Indikationen. Nichtsdestotrotz hat sich ebenfalls gezeigt, dass sich die Wettbewerbssituation verschärft und insbesondere Regeneron weiterhin hohe Marktanteile aufbaut, bevor Abicipar auf den Markt kommt. Dennoch bleibt das Rennen offen.

Die Aktie von Molecular Partners  notierte zuletzt bei 21.05 CHF.

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