Bergbahnen Wildhaus: Kein Frieden im Toggenburger „Bergbahnkrieg“ in Sicht

Solider Geschäftsverlauf, Gewinn und Umsatz steigen leicht an

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Alpenidylle in Wildhaus. Bild: wildhaus.ch

Seit einem feindlichen und in seiner Entstehungsgeschichte zumindest „unkonventionellen“ Übernahmeversuch der benachbarten Toggenburg Bergbahnen AG Mitte 2017 ist es im ansonsten eher beschaulichen Wildhaus vorbei mit der Ruhe – zumindest aus Sicht der dort beheimateten Bergbahnen Wildhaus AG, deren Aktien auch auf der OTC-Plattform der Berner Kantonalbank (BEKB) gelistet sind. (Zum Hintergrund: St. Galler Tagblatt vom 4.6.2017, 20min.ch vom 7.6.2017; zu den massgeblich beteiligten Protagonisten: St. Galler Tagblatt vom 5.12.2017).

Und das, obwohl die Zahlen der lokalen Bergbahnunternehmung im abgelaufenen Geschäftsjahr durchaus solide ausgefallen sind und für Zufriedenheit sorgen könnten.

Solider Geschäftsverlauf 2017/2018: Umsatz und Betriebsgewinn steigen leicht

Der Verkehrsertrag aus dem Wintergeschäft legte in einem schneereichen Winter um rund 5,6% auf etwa 3.4 Mio. CHF zu. Der (noch) bestehende Tarifverbund mit der benachbarten Toggenburg Bergbahnen AG und der darauf basierende „Verteilschlüssel“ verhinderte dabei ein noch besseres Ergebnis für die Bergbahnen Wildhaus AG, wie die Gesellschaft in ihrem Geschäftsbericht 2017/2018 mitteilt. Das Sommergeschäft verbesserte sich – von tiefer Basis aus – mit neuen Angeboten um immerhin fast 10% auf etwas mehr als 0.3 Mio. CHF. Auf das Wintergeschäft entfielen 2017/2018 rund 91% des Verkehrsertrags, 9% entsprechend auf das Sommergeschäft. Insgesamt erhöhte sich der Verkehrsertrag um knapp 6%. Auf Abschreibungen entfielen rund 800’000 CHF nach 924’000 CHF im Vorjahr. Die tieferen Abschreibungen im Vergleich zum Vorjahr führten zu einem um rund 16% auf 225’000 CHF verbesserten Betriebsergebnis (EBIT). Das Betriebsergebnis vor Steuern verbesserte sich um 18% auf knapp 200’000 CHF.

Ausserordentliche Beratungsaufwendungen, mutmasslich im Umfeld des unerwünschten Übernahmeangebots der Toggenburg Bergbahnen AG entstanden, erhöhten den ausserordentlichen Aufwand im Vergleich zum Vorjahr um fast 50% auf 85’000 CHF, so dass sich das Jahresergebnis vor Steuern (EBT) mit 114’000 CHF im Bereich des Vorjahres bewegte. Auch der Reingewinn nach Steuern lag mit etwa 107’000 CHF auf dem Niveau von 2016/2017.

In der Bilanz fällt die komfortable Position der Flüssigen Mittel auf. Diese Position ist – auch dank jüngster Kapitalerhöhungen – per 31. Mai 2018 mit rund 3.9 Mio. CHF dotiert. In einer Nettobetrachtung ist die Gesellschaft frei von Finanzschulden. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass die aktuell hohe Liquidität für das Projekt „Wildhaus 2.0“ vorgesehen ist und letztlich in Investitionen in die Infrastruktur münden wird. Um das ambitionierte „Wildhaus 2.0“ realisieren zu können, führt die Gesellschaft auch weiterhin Kapitalerhöhungen durch.

Insgesamt hinterlässt die Bilanz einen soliden Eindruck. In den noch mit 9.4 Mio. CHF bilanzierten Sachanlagen dürften mit Blick auf die Abschreibungsrechnung der Vergangenheit auch „stille Reserven“ enthalten sein, wobei die Erfahrung lehrt, dass hohe Anschaffungskosten (Investitionen) der Vergangenheit kein Garant für die Werthaltigkeit in der Zukunft sind.

Das bilanziell ausgewiesene Eigenkapital lag zum Stichtag 31. Mai 2018 bei knapp 10.7 Mio. CHF oder etwas mehr als 300 CHF je Wildhaus-Aktie.

Der bei Bergbahnen vielbeachtete Cashflow lag bei rund 1 Mio. CHF oder 15% des Ertrags bzw. 7% des Gesamtkapitals. Diese Werte signalisieren für die Zukunft noch weiteres Optimierungspotenzial mit Blick auf andere Unternehmen der Branche. Verbesserungspotenziale orten wir aus einer Aussenperspektive auch noch im Bereich des Betriebsaufwands (Bahn+Gastronomie): Betriebs- und Materialaufwand im Bahnbetrieb summierten sich 2017/2018 – vor Abschreibungen – auf fast 3.2 Mio. CHF oder fast 85% des Verkehrsertrags (ohne Nebenerträge/Gastronomie). Einem Gastronomieertrag von fast 2.7 Mio. CHF standen Aufwendungen von über 2.4 Mio. CHF gegenüber.

„Toggenburgerkrieg 2.0“

Die Fronten sind seit dem Tag, als die Toggenburg Bergbahnen AG ihr „feindliches“ Inserat (!) eines Übernahmeangebots zu 25 CHF in lokalen Medien geschaltet haben, verhärtet. Eine zwischenzeitlich angestrebte Lösung auf dem Verhandlungswege ist geplatzt, und selbst das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) hat bei seinen Vermittlungsversuchen jüngst kapituliert – und die beteiligten Parteien aufgefordert, „in den kommenden Monaten“ eine eigene Lösung „im Interesse der Tourismusregion Toggenburg“ zu finden.

Nach einer solchen Lösung sieht es – Stand heute – jedoch nicht aus. Bei der Lektüre des aktuellen Geschäftsberichts 2017/2018 der aus der direkten Nachbarschaft unsanft attackierten Bergbahnen Wildhaus AG wähnt man den Konflikt mit den Toggenburg Bergbahnen AG zwischenzeitlich bereits auf einer militärischen Ebene angekommen. Von zementierten „feindlichen Absichten“ ist dort die Rede – von Destruktion und Annexion. Auch der Begriff „militärisch“ taucht dort, wörtlich, auf. Die Gesellschaft ist dabei von Beginn an – nicht überraschend – in den Abwehr- und Stellungskampf gegangen. Geschichtlich interessierte Kleinaktionäre könnten sich beinahe an den „Toggenburgerkrieg“ erinnert fühlen, wenngleich die Beweggründe und Motive heute natürlich andere sind als damals. Spaltete einst noch die Religion das Toggenburger Land, sind es heute eher technokratische und weltliche Begriffe wie „Verteilschlüssel“, „Tarifverbund“ oder „Quersubventionierung“. Wie sich die Zeiten doch geändert haben.

Gefechtslage im Tarifdschungel bleibt für Aussenstehende unübersichtlich

Für Aussenstehende ist die Gefechtslage im Toggenburger Tarif- und Verteildschungel, um im militärischen Jargon des Verwaltungsratspräsidenten zu bleiben, bestenfalls unübersichtlich, die (historischen) Frontenverläufe bisweilen diffus und für fremde Dritte ohne Detailkenntnisse der lokalen „Militärtopografie“ zudem auch voller Minenfelder, Sprengsätze und Blendgranaten. Selbst „Blindgänger“ lauern am Wegesrand, wenn man manche Berichte auf sich wirken lässt. Jede Seite hat dabei stets ihre eigene Sicht der Dinge und ihre Interpretation der Ereignisse.

Also grundsätzlich kein leichtes Terrain, in das sich ein ziviler (und neutraler) Autor von schweizeraktien.net ungeachtet eigener, länger zurückliegender Erfahrungen in militärischer Gebirgsausbildung („Trockentraining“) ausserhalb der Toggenburger Bergwelt ohne Not begeben möchte. Auch deshalb soll der schon länger schwelende Konflikt als solcher an dieser Stelle nicht in all seinen Facetten beleuchtet oder gar bewertet werden. Interessierte Leser verweisen wir an dieser Stelle auf „Dr. Google“ und die reichlich vorhandene Internet-Literatur zum Thema.

„Unkonventionelles“ Übernahmeverfahren als Stein des Anstosses

Gleichwohl erlauben wir uns abschliessend, einzelne Aspekte aus einer neutralen Aktionärsperspektive zu kommentieren – verbunden mit der vermutlich nur vagen Hoffnung, dass die Parteien letztlich doch noch in Gesprächen einen vernünftigen Weg finden, die aus unserer Perspektive im Kern sinnvolle Fusion zweier benachbarter Bahnen im Rahmen einer einvernehmlichen Lösung „auf Augenhöhe“ und unter Einbindung auch der Interessen aller Streubesitzaktionäre beider Bahnen mittel- bis langfristig zum beiderseitigen Vorteil und auch zum Vorteil der Tourismusregion Toggenburg realisieren zu können. Folgende Punkte stehen dabei im Mittelpunkt:

  • Das Angebot von 25 CHF je Wildhaus-Aktie bzw. 10:1 im Umtausch in Toggenburg Bergbahnen-Aktien erscheint mit Blick auf die bekannten Geschäftszahlen der Bergbahnen Wildhaus AG aus wirtschaftlicher Sicht in jeder Hinsicht unangemessen. Der Ball läge bei den Toggenburg Bergbahnen AG, anhand eines nachvollziehbaren und transparenten Gutachtens einer anerkannten und insbesondere auch unabhängigen Prüfungsgesellschaft, soweit es diese überhaupt gibt, gegenüber den Aktionären der Zielgesellschaft zu dokumentieren, dass dieser Preis doch fair und angemessen ist. Die praktisch beliebige Dehnbarkeit von Unternehmenswertgutachten in beide Richtungen ist dem Verfasser dabei bekannt, einschliesslich der Methodenwahl…
  • Ein „Übernahmeangebot“ an die Aktionäre einer Zielgesellschaft mittels Zeitungsinserat – und wohl auch mit flankierenden Flyern – mag in anderen Rechtsräumen vielleicht funktionieren, sollte in einem Rechtsstaat wie der Schweiz aber nicht zum Übernahmestandard bei geplanten Übernahmen/Fusionen werden – insbesondere dann nicht, wenn die Parteien auf „engstem, Raum“ miteinander harmonieren sollten und beide wirtschaftlich in einem herausfordernden Marktumfeld „nicht eben auf Rosen gebettet“ sind. Der nicht schlafende Wettbewerb sitzt hier nicht primär vor der eigenen Haustüre, sondern in der ganzen Schweiz – und im benachbarten Ausland (Österreich). Die Destination Toggenburg wird von diesem seit mehr als einem Jahr andauernden Streit kaum profitieren…
  • Für Fusionen unter Kapitalgesellschaften – insbesondere auch solchen mit aussenstehenden Aktionären – hat die Schweiz die Rechtsgrundlage des Fusionsgesetzes (FusG) geschaffen, Schutzmechanismen zugunsten der Streubesitzaktionäre inklusive. Allerdings setzt das FusG hinsichtlich der Hürden für eine Fusion bestimmte (Zustimmungs-)Schwellen voraus und weitere Mindeststandards für den Fusionsprozess. Es liegt also am Bieter selbst, die Aktionäre einer Zielgesellschaft von der Vorteilhaftigkeit eines etwaigen Angebots zu überzeugen. Das ist gut so und darf im Interesse eines funktionierenden Kapitalmarkts und der Rechtssicherheit nicht – auch nicht im Toggenburg – ausgehöhlt werden.
  • Ob eine Fusion zustandekommt oder nicht, obliegt am Ende in erster Linie der Zustimmung der Aktionäre der Zielgesellschaft – und nicht den Wunschvorstellungen eines Bieters.
  • Kapitalgesellschaften, die andere Kapitalgesellschaften mit Streubesitzaktionären im Rahmen einer Fusion – davon ist die Bergbahnen Toggenburg AG rein formal mutmasslich noch weit entfernt – übernehmen möchten, müssen sich an die Mindeststandards des FusG halten. Dies impliziert insbesondere auch die Veröffentlichung und Offenlegung von nachvollziehbaren, detaillierten und transparenten Bewertungsgutachten zur Unternehmenswertermittlung, im Fall eines Tauschangebots übrigens auch jener des Bieters – was es für manch einen Bieter vermutlich schwieriger macht, diesen vom Gesetz vorgesehenen Weg einzuschlagen.
  • Es ist – grundsätzlich – jedem Unternehmen und Unternehmer freigestellt, freiwillige Übernahmeangebote zu veröffentlichen, die auch als solche zu deklarieren sind. Ebenso ist es jedem Aktionär freigestellt, eine freiwillige Offerte anzunehmen – oder nicht. Kein Aktionär ist gezwungen, eine freiwillige Offerte anzunehmen – insbesondere, wenn sie hinsichtlich ihrer Angemessenheit abwegig erscheint. Erst bei einem Going Private (Squeeze Out/Kraftloserklärung) oder einer wirksamen Fusion ist ein Aktionär im Rahmen einer Zwangsmassnahme gezwungen, seine Aktien an einen Bieter abzugeben – ob er will oder nicht.
  • Für ein glaubwürdiges Übernahmeangebot, das auf eine Fusion beider Gesellschaften mit Umtausch in Aktien des Bieters zielt, müsste der Bieter auch eine Unternehmensbewertung (Fairness Opinion) für beide Unternehmen bei einem unabhängigen Gutachter in Auftrag geben – ein Zeitungsinserat mit einer einseitigen Preisvorstellung ist hierfür kein Ersatz und hat letztlich eher „folkloristischen“ Charakter.

Soweit zu überblicken, hat die Toggenburg Bergbahnen AG mit ihrer eher „hemdsärmeligen“ Annonce eines Erwerbsangebots zu 25 CHF im Juni 2017 weit unter den bis dahin (und danach) am Markt beobachtbaren OTC-X-Preisen bis heute keinen „offiziellen“, strukturierten Übernahmeprozess angestossen, wie er in vergleichbaren Fällen auch in der Schweiz nicht unüblich ist. Solange sich die Toggenburg Bergbahnen AG hier „nur“ im Bereich „freiwilliger Angebote“ bewegt, ist dies rein formal nicht zu beanstanden – auch wenn die Praxis, gerade auch in der unmittelbaren Nachbarschaft, eine andere sein sollte und dabei die Emotionen hochkochen. Bei einem Übernahmeangebot, das auf die Kontrollschwelle und eine spätere Fusion auf die Toggenburg Bergbahnen AG zielt, müsste der Prozess jedoch anders strukturiert sein, als er bisher aufgesetzt wurde.

Dafür ist es der Toggenburg Bergbahnen AG – immerhin – zweifelsfrei gelungen, Verunsicherung unter den Bergbahnen-Wildhaus-Aktionären zu schüren. Ob diese unorthodoxe Strategie der Toggenburg Bergbahnen AG aber schliesslich auch von Erfolg gekrönt sein wird, bleibt abzuwarten. Das „letzte Wort“ ist in diesem Konflikt sicherlich noch nicht gesprochen – und eine Fusion zu einer „Toggenburg Bergbahnen AG“, die diesen Namen auch verdient hätte, erscheint aus einer Aussenperspektive heute sinnvoller denn je. Vielleicht ist sie aber auch nach der Vorgeschichte unrealistischer denn je.

Fazit

Nach Informationen von schweizeraktien.net hat die Bergbahnen Wildhaus AG keine Grossaktionäre im eigentlichen Sinne, was eine Übernahme nicht gerade vereinfacht. Hinzu kommt die Vinkulierungspraxis der Namenaktien: Die Übertragung der Anteile setzt grundsätzlich die Zustimmung des Verwaltungsrats voraus.

Das nach verschiedenen Kapitalerhöhungsrunden auf 6.84 Mio. CHF angewachsene Aktienkapital der Bergbahnen Wildhaus AG, eingeteilt in 34’208 Namenaktien zu je CHF 200.00 nominal, verteilt sich auf über 2’000 Aktionäre.

Es gilt aus Sicht der Toggenburg Bergbahnen AG also, diese Aktionäre mehrheitlich von der Vorteilhaftigkeit eines Übernahmeangebots zu 25 CHF überzeugen.

Zuletzt wurden die wenig liquiden Aktien der Bergbahnen Wildhaus AG Ende 2017 zu 180 CHF gehandelt und aktuell zu 170 CHF gesucht (ohne Briefkurs). Die Kapitalerhöhungen fanden zu 200 CHF statt. Die „Marktkapitalisierung“ auf Basis des Kapitalerhöhungspreises beträgt demnach 6.8 Mio. CHF bei einem ausgewiesenen Eigenkapitalwert von knapp 10.7 Mio. CHF.

Die „Offerte“ der Toggenburg Bergbahnen AG via Zeitungsinserat aus dem Jahr 2017 bewertet die Bergbahnen Wildhaus AG auf Basis eines Angebotspreises von 25 CHF je Aktie lediglich mit rund 850’000 CHF.

Die diesjährige Generalversammlung findet am Samstag, 8. September 2018, in Wildhaus statt. Teilnehmende Aktionäre erhalten neben einer Retourfahrt am Tag der Generalversammlung einen Konsumationsgutschein im Wert von 18 CHF, der wahlweise in den Berggasthäusern Oberdorf oder Gamsalp eingelöst werden kann. Zusätzlich profitieren die Aktionäre in Abhängigkeit ihres Aktienbesitzes von Aktionärsbons in Höhe von zuletzt 2% des Nominalwertes einer Aktie (=4 CHF), die als „Wertgutscheine“ auf Leistungen der Gesellschaft an die Aktionäre abgegeben werden.

Strukturell bedingt eignet sich die Wildhaus-Aktie heute praktisch nur für Anleger mit regionalem Bezug, die die gebotenen Vergünstigungen auch nutzen können.

Transparenzhinweis: Der Verfasser ist Aktionär der Bergbahnen Wildhaus AG und der Toggenburg Bergbahnen AG.

Hinweis in eigener Sache: schweizeraktien.net veranstaltet am 30. Oktober wieder den Branchentalk Tourismus. Dieser findet im Hotel Rigi Kaltbad statt. Weitere Informationen finden Sie hier.

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