Kaum zu glauben, aber seit Anfang 2017 stieg die Straumann-Aktie um 100%, die von Tecan und Coltene kletterten um jeweils 50%, und auch die Neuemission Medartis erfreute die Aktionäre mit einer positiven Entwicklung der Aktie. Nur Ypsomed zeigt ein negatives Vorzeichen, doch das hat spezifische Hintergründe, und das Tief hat die Aktie bereits hinter sich gelassen. Wie sind nun die weiteren Perspektiven der hochbewerteten Branchenvertreter angesichts der fortgeschrittenen Hausse einzuschätzen?
In der Evaluierung der an der SIX Swiss Exchange kotierten Medizintechnik-Aktien im Januar 2017 sowie einem Update im August war auf schweizeraktien.net bereits einerseits auf die hohen Gewinnwachstumsraten der börsenkotierten Medtech-Aktien hingewiesen worden, andererseits aber auch auf die bereits damals hohen Bewertungen. M&A war der Aufhänger der Story, und Übernahmen gab es auch reichlich, allerdings, und wie erwartet, nicht bei den an der SIX gehandelten Unternehmen, sondern vielmehr durch sie.
Straumann: organisches Wachstum und Akquisitionen
Ein nicht unerheblicher Anteil der beeindruckenden Wachstumsraten beispielsweise von Straumann kommt durch Akquisitionen zustande. Der Umsatz des Dental-Konzerns belief sich im ersten Halbjahr 2018 auf 681.5 Mio. CHF oder 25,4% mehr als im Vorjahreszeitraum. Beachtliche 17,9% entfallen auf organisches Wachstum, der Rest auf Akquisitionen. Dabei ist zu beachten, dass die starken Umsätze in Nordamerika (190.1 Mio. CHF), Lateinamerika (62.5 Mio. CHF) und Asien-Pazifik (124.9 Mio. CHF) ganz wesentlich Folge von früher getätigten Übernahmen in Verbindung mit Erweiterungsinvestitionen sind.
Mit mehr als 20 Tochtergesellschaften von Portugal bis Polen und Türkei bis China profitiert Straumann von dem steigenden Lebensstandard und verbesserter Gesundheitsinfrastruktur in weiten Teilen der Welt. Schöne und gesunde Zähne zählen in fast allen Kulturen zu den begehrenswerten Zielen, die für breite Teile der Bevölkerung mehr und mehr auch finanziell erreichbar sind.
Das EBITDA stieg um 29%, die EBITDA-Marge beträgt nun 30%. Wegen Sonderfaktoren wie Akquisitionen war der ausgewiesene Reingewinn zwar leicht rückläufig, auf bereinigter Basis stieg er jedoch um 20% auf 140 Mio. CHF. Die Nettogewinnmarge beträgt somit 21%! Rechnet man den Gewinn je Aktie im ersten Halbjahr von 8.63 CHF auf das Gesamtjahr hoch, liegt das aktuelle KGV bei 47, das KUV erreicht fast 10. Da sich das Wachstum bei Straumann mit zunehmender Grösse sogar beschleunigt, ist ein Ende des Höhenflugs nicht unbedingt in Sicht, wenngleich eine Korrektur nach dem exorbitanten Kursanstieg nicht überraschen sollte. Im Ausblick des Halbjahresberichts prognostiziert Straumann ein jährliches Wachstum des globalen Dentalmarktes von 4% bis 5% und ist zuversichtlich, das Marktwachstum deutlich zu übertreffen.
Medartis mit beschleunigtem Wachstum
Auch die dem Hause Straumann entstammende, wenngleich eigenständige Medartis, die seit dem erfolgreichen IPO im März 2018 die SIX bereichert, meldete für das erste Halbjahr imponierende Wachstumsraten. Der Umsatz stieg um 23% auf 61 Mio. CHF. Um die Kosten des Börsengangs bereinigt nahm das EBITDA um 5% auf 9 Mio. CHF zu. Hier schlagen sich die Investitionen in den Geschäftsausbau nieder, der Betriebsaufwand stieg um 27% auf 45.2 Mio. CHF (IPO-bereinigt), der Mitarbeiterstand erhöhte sich deutlich von 389 im Juni 2017 auf 510 im Juni 2018. Laut CEO Willi Miesch erzielte Medartis „weiterhin ein über Regionen und Märkte hinweg breit abgestütztes Wachstum.“ In den Regionen Europa, Nah-Ost, Afrika (EMEA) sowie Nordamerika lag das Umsatzwachstum in Lokalwährungen bei jeweils 15%, in Asien-Pazifik bei 18% und in Lateinamerika infolge einer Übernahme im Vorjahr bei 97%. Im Ausblick erwartet Medartis, 2018 mit einem Wachstum im oberen Zehnprozentbereich stärker als der Markt zuzulegen. Insbesondere sollen die Aktivitäten in den USA, Brasilien und Japan verstärkt werden.
Da die Weltmarktanteile von Medartis gering sind, die Produkte aufgrund ihrer hohen Qualität und Zuverlässigkeit jedoch Zahnärzte und Kieferchirurgen regelmässig ins Schwärmen bringen, ist kein Grund erkennbar, wieso Medartis nicht längerfristig deutlich über dem Marktdurchschnitt wachsen sollte. Die Bewertung der Aktie war beim Börsengang ambitioniert – und bleibt es. Dennoch können Aktien von Premiumanbietern und Innovationsführern durchaus auch über längere Zeiträume ihre Bewertungsprämie aufrechterhalten, sofern entsprechende Wachstumsraten erzielt werden.
Coltene vor Umsatzsprung in neue Dimensionen
Überzeugende Zahlen präsentierte auch Coltene, die ebenfalls im Bereich Dentalmedizin tätig ist. Der Anbieter von Verbrauchsmaterialien steigerte im ersten Halbjahr den Umsatz um 9,7% auf 85.6 Mio. CHF und das EBIT um 17,8% auf 11.3 Mio. CHF. Der Reingewinn nahm um 14,8% auf 6.9 Mio. CHF zu. Ein Drittel des Umsatzzuwachses entfällt auf zwei kleinere Akquisitionen im Vorjahr. Ende des ersten Halbjahres kündigte Coltene nun zwei weitere Übernahmen in Kanada und Frankreich an. Die beiden Firmen erzielten 2017 gemeinsam 97 Mio. CHF Umsatz und werden das Wachstum erheblich beschleunigen. Der Schwerpunkt liegt auf Infektionskontrolle, komplementär zum bisherigen Spektrum von Coltene. Die Akquisition soll bis Ende des Jahres abgeschlossen werden. Damit verfügt Coltene über Produktionsstätten in der Schweiz, Deutschland, USA, Brasilien, Kanada und Frankreich.
Die Dividende wurde von 2.20 CHF je Aktie für 2013 auf zuletzt 3 CHF angehoben. Da der Kurs unter dem 2012 angetretenen CEO Martin Schaufelberger (siehe Interview im Juni 2017) kontinuierlich mit den Steigerungen der Gewinne klettert, ist die Dividendenrendite trotz der Anhebungen der Ausschüttung von über 4% auf inzwischen 2,6% gefallen. Doch relativ zu den anderen Dental- und Medtech-Aktien an der SIX ist diese Höhe trotzdem relativ attraktiv, denn bei Straumann, Sonova & Co. liegt der Vergleichswert bei weniger als 1%.