Die im Bau- und Baudienstleistungsbereich tätige Unternehmensgruppe Weiss+Appetito steigerte den Umsatz im 1. Halbjahr 2018 auf 56.8 Mio. CHF. Allerdings ist das operative Ergebnis gegenüber dem Vorjahr tiefer ausgefallen. Der von Januar bis Juni erwirtschaftete Cashflow (EBITDA) beträgt 1.9 Mio. CHF, im Vorjahr lag er noch bei 3.5 Mio. CHF.
Im Gespräch mit schweizeraktien.net äussert sich Andrea Wucher, CEO bei Weiss+Appetito, zu den Gründen für die schwächere Ertragslage, spricht über das schwierige Verhältnis zwischen Bauherren und Bauunternehmen und erklärt das einzigartige Beteiligungsmodell der Mitarbeitenden von Weiss+Appetito an ihrem Unternehmen.
Frau Wucher, Sie sind jetzt gut zwei Jahre als CEO bei der Weiss+Appetito Gruppe tätig. Wie haben Sie diese Zeit als ursprünglich Branchenfremde im Baugewerbe erlebt?
Von Beginn weg habe ich meine Branchenkollegen als offene Persönlichkeiten kennengelernt, die an einer konstruktiven Lösung interessiert sind. Das Umfeld ist geprägt von Machern, die bereit sind, Herausforderungen egal welcher Art anzupacken. Der Konkurrenzkampf zwischen den Unternehmen ist natürlich ebenso hart wie in anderen Branchen.
Was die Baubranche auszeichnet, ist ein hohes Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Kunden, den Mitarbeitern und dem eigenen Unternehmen, man spürt, dass viele Unternehmen aus Familienunternehmen hervorgegangen sind und auch heute noch entsprechend geführt werden.
Sie haben in einem früheren Gespräch gesagt, dass Sie negativ überrascht gewesen seien, wie stark das Verhältnis zwischen Bauherren und Unternehmern von Misstrauen geprägt sei. Können Sie das etwas näher an Beispielen erläutern? Was unternehmen Sie von Ihrer Seite aus, damit sich Bauherren bei Ihnen sicher fühlen?
Generell herrscht im Baugewerbe häufig eine Grundhaltung von gegenseitigem Misstrauen zwischen den Geschäftspartnern. Daher galt es erstmal die Werte, die wir im Unternehmen vertreten, noch stärker nach aussen sichtbar zu machen und die Basis für gegenseitiges Vertrauen weiter zu stärken.
Bewusst verzichten wir z.B. auf eine eigene interne Rechtsabteilung in unserer Gruppe. Der Weg für unsere Mitarbeiter, um den Fall (fachliche und sachliche Auseinandersetzung zwischen den beteiligten Parteien) an den Juristen zu übergeben, ist so nicht die einfachste Lösung. Es ist viel einfacher, sich mit dem Kunden an einen Tisch zu setzen und das Problem im Gespräch und in fairen Verhandlungen gemeinsam zu lösen.
Das erste Halbjahr 2018 lief für Weiss+Appetito durchzogen, Sie verzeichneten zwar ein leichtes Umsatzplus, das EBITDA ging jedoch deutlich zurück. Als Begründung geben Sie laufende Investitionen und das schlechte Wetter im ersten Halbjahr an. Können Sie die Investitionen, die Sie 2018 getätigt haben, konkretisieren?
Die Investitionen sollen unsere Wettbewerbsfähigkeit steigern und stärken. Dazu zählt die gezielte interne und externe Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter. Neue Produkte werden in Pilotprojekten erarbeitet und getestet, die Kosten hierfür sind eine Investition in die Zukunft. Um neue Märkte zu erschliessen, investieren wir gezielt in Markttests und Kommunikation. All diese Projekte werden direkt den laufenden Kosten belastet. Die Investitionen in unseren Maschinenpark und Anlagen basieren auf einer langfristigen Planung und belasten das EBITDA nicht direkt.
Stichwort Automatisierung der Baustelle. Welche konkreten Digitalisierungsschritte sind Sie in den einzelnen Geschäftsbereichen gegangen?
Bis Ende Jahr sind die internen Prozesse wie Arbeitszeiterfassung, interne Bestellprozesse, buchhalterische Prozesse, Projektleitung und Materialbewirtschaftung je nach Sparte bis zu 90% digitalisiert.
Auf den Baustellen arbeiten wir bei der Datenaufnahme bereits heute mit Kameradrohnen und 3D-Scannern. Die Planungs- und Konstruktionsarbeit profitiert so von einer hohen Datenverfügbarkeit und einer hohen Datengenauigkeit.
Wie sieht die Entwicklung in der Telekommunikationssparte aus?
Die Ausrüstung von Mobilfunkanlagen läuft auf einem sehr hohen Niveau, wobei auch hier die Margen unter Druck sind. Das stetige Wachstum des Datenvolumens, das wir unterwegs konsumieren, beschert aber diesem Bereich eine langfristige Auslastung.
W+A will sich als Serviceunternehmen im Bau von Elektroladestationen betätigen. Wie läuft das Geschäft?
Das Geschäft mit Elektroladestationen läuft im Moment harzig. Der Grossteil der Gebäude- und Grundstückseigentümer reagiert immer noch sehr verhalten, wenn es um entsprechende Investitionen in Ladeinfrastruktur geht. Die fehlende Standardisierung, der fragmentierte Anbietermarkt und die Unsicherheit hinsichtlich Elektromobilität als alternatives Antriebssystem hilft hier nicht besonders, das Geschäft zu beschleunigen.
Es fällt auf, dass Weiss+Appetito, auch wenn „nur“ auf OTC-X gelistet, interessierten Anlegern lediglich wenige Informationen zum Geschäftsverlauf z.B. auf der Homepage anbietet. Auch gibt es keine Übersicht in Form einer Medienseite. Warum gehen Sie so zurückhaltend mit Informationen zu Ihrem Unternehmen um?
Unser Geschäft ist stetig und eher weniger dynamisch. Die halbjährige Kommunikation an unsere Aktionäre finden wir deshalb besser, als monatlichen Ankündigungsjournalismus zu betreiben. Wir kommunizieren gerne, wenn wir etwas zu sagen haben, ansonsten wollen wir die Zeit unserer Aktionäre nicht vergeuden. Selbstverständlich erhalten alle unsere Aktionäre unsere Kundenzeitschrift «Splitter», in der wir zusätzlich zweimal im Jahr ausführlich und sehr breit über Projekte aus all unseren Sparten und über Interessantes aus dem Unternehmen berichten.
Im Zusammenhang mit der komplexen Struktur der vielen Töchter sei die Frage erlaubt, ob diese noch zeitgemäss ist und welche Synergien es gäbe, wenn man diese zusammenlegte?
Die Synergien zwischen den Töchtern ergeben sich vor allem im operativen Bereich. Durch organisatorische, räumliche und personelle Nähe versuchen wir, diese zu nutzen. Die formaljuristische Zusammenlegung würde nur wenig Synergiepotenzial schaffen. Gleichzeitig sind viele unserer Tochterunternehmen unter ihrem Firmennamen schweizweit bekannt und geniessen einen ausgezeichneten Ruf. Wir sehen aktuell keinen Grund, diesen Markenwert zu verwässern.
Wäre es auch denkbar, dass Sie die Performance Ihrer sechs Geschäftsbereiche gesondert ausweisen?
Dies ist im Moment weder geplant noch ein Thema. Aufgrund der Diversität unter den Geschäftsbereichen ist eine Vergleichbarkeit der Performance auch schwierig herzustellen.
Können Sie uns die Vorteile, aber auch die Nachteile des Mitarbeiter-Beteiligungsmodells bei Weiss+Appetito etwas genauer erläutern?
Die Vorteile sind sicher die hohe Identifikation mit dem Unternehmen, der bewusste Umgang mit Ressourcen als Miteigentümer und das unternehmerische Denken, das auf diese Weise im Unternehmen weit verbreitet ist. Die Stimmrechtsverteilung gibt uns natürlich eine hohe Beständigkeit in der strategischen Ausrichtung und langfristigen Planung.
Unser Organisationsreglement sieht vor, dass alle Kadermitarbeiter mit einem Mindestpaket an Aktien ins Unternehmen investieren. Für jüngere Führungskräfte ist diese recht hohe Anfangs-Investition manchmal eine Herausforderung. Wir unterstützen sie von Unternehmensseite aber und haben bis anhin immer gute Lösungen gefunden.
Der Aktienkurs von Weiss+Appetito hat seit Ihrem Amtsantritt deutlich zugelegt. Die Umsätze auf OTC-X sind im Vergleich zu den Vorjahren recht hoch. Worauf führen Sie diese Entwicklung zurück. Haben die eigenen Mitarbeiter die Attraktivität der Aktie entdeckt?
Das ist wohl ein Teil und freut mich natürlich sehr. Wir haben auch mehrere institutionelle Investoren, die die Aktie als ideale Ergänzung in ihrem Portfolio betrachten. Ich glaube, es ist uns in den letzten beiden Jahren gelungen, unserem Publikum aufzuzeigen, dass die Weiss+Appetito Gruppe ein Unternehmen ist, das für die anstehenden Herausforderungen gut gerüstet ist und seine Hausaufgaben gemacht hat.
Lassen Sie uns noch auf das Gesamtjahr schauen. Gehen Sie davon aus, dass Sie Umsatz und Gewinn 2018 steigern können?
Beim Umsatz werden wir wohl bis Ende Jahr eine Steigerung gegenüber 2017 sehen. Beim Gewinn werden wir aber das Jahr 2017, das ein sehr gutes Jahr war, nicht übertreffen können. Der Gewinn im 2018 wird wohl eher im Rahmen von 2016 und somit im Rahmen des Budgets liegen.
Wollen Sie in Zukunft rein organisch weiterwachsen oder können Sie sich weitere Übernahmen vorstellen? Wenn ja, in welchen Bereichen?
Wir wollen sowohl organisch weiterwachsen als auch durch Übernahmen. Die Ergänzung und der Ausbau unserer Produktpalette durch Eigenentwicklungen war schon immer eine Stärke der Weiss+Appetito Gruppe. Gleichzeitig prüfen wir Übernahmen, wenn sie für einen Bereich im Sinne der vertikalen oder horizontalen Integration Sinn machen und wir somit unseren Marktanteil vergrössern oder in neue Märkte vordringen können. Die Firma Pegrila, die wir Anfang 2017 übernehmen konnten, ist ein schönes Beispiel dafür. Generell möchten wir in allen Bereichen weiterwachsen.
Frau Wucher, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Die Aktien der Weiss+Appetito Holding werden an der OTC-X der Berner Kantonalbank (BEKB) zum Kurs von 385 CHF gehandelt.