Die Online-Apothekengruppe Zur Rose Group AG setzt ihren Wachstumskurs weiter fort. Um die vor Monatsfrist angekündigte Akquisition der deutschen Versandapotheke Medpex finanzieren zu können, benötigt die Gesellschaft frisches Kapital, wie CEO Walter Oberhänsli den Aktionären an der ausserordentlichen Generalversammlung darlegte. Mit der Kapitalerhöhung sollen frische Mittel im Umfang von 200 Mio. CHF in die Kassen des Unternehmens fliessen. Nach einer kurzen Diskussion genehmigten die anwesenden gut 200 Aktionäre die Kapitalerhöhung mit einer überwältigenden Mehrheit von 95%.
Besonderheiten der Kapitalerhöhung
Die Kapitalerhöhung weist entgegen den allgemein üblichen Vorgehensweisen zahlreiche Besonderheiten auf: So werden sowohl die Anzahl der neuen Aktien als auch der Bezugspreis erst zum Ende einer Bookbildungsspanne von sieben Tagen in der Zeit vom 22. November bis zum 29. November festgelegt. Klar ist, dass alle Aktionäre pro Aktie, die sie per Börsenschluss am 21. November besitzen, ein Bezugsrecht erhalten. Dieses Recht gewährt den bestehenden Aktionären die Möglichkeit, pro sieben alte Aktien drei neue Aktien zu zeichnen. Dieses Verhältnis definiert denn auch die maximale Anzahl an neuen Aktien mit 2.67 Millionen Stück. Sämtliche von den Aktionären nicht ausgeübte Bezugsrechte verfallen wertlos. Ein Handel der Bezugsrechte findet nicht statt.
Ausgabepreis nahe am Markt
Bei der Ausgabe aller Aktien müsste der Bezugspreis pro Aktie bei rund 75 CHF liegen. Einen derartig tiefen Preis bei einem aktuellen Börsenkurs von 112.60 CHF will Zur Rose den Aktionären nicht gewähren. VR-Präsident Stefan Feuerstein erklärte auf Nachfrage, dass die Ausgabe der neuen Titel zu Marktkonditionen erfolgen werde. Die Anzahl der auszugebenden neuen Aktien wird vom Marktpreis der Papiere während der Bookbildingphase festgelegt. Theoretisch besteht das Risiko, dass die Anzahl der von den Aktionären gezeichneten Aktien höher ausfällt, als dies für die Erzielung des Mittelzuflusses von 200 Mio. CHF notwendig wäre. Damit rechnet die Gesellschaft jedoch nicht. Alle nicht von den Aktionären ausgeübten Bezugsrechte sollen denn auch Neuinvestoren zur Zeichnung angeboten werden. Gemäss Darstellungen von Zur Rose sind bereits zahlreiche Interessenten für die freie Zeichnung vorhanden.
Elektronisches Rezept wird kommen
Oberhänsli gab die Hoffnung auf die Einführung des elektronischen Rezepts in der Vergangenheit nie auf und war stets von dessen Einführung überzeugt. Nunmehr stehen die Ampeln im wichtigsten Markt Deutschland auf Grün. Der Entwurf eines entsprechenden Gesetzes liegt vor. Im Lauf des Jahres 2019 soll das neue Gesetz in Kraft treten. Das elektronische Rezept bietet für die Zur Rose Gruppe dem VRP zufolge ein erhebliches Potenzial. Dieses ist bislang nicht in den Prognosen der Geschäftszahlen enthalten.
Wachstumsziele bestätigt
Zur Rose hält an den bereits früher kommunizierten Wachstumszielen fest. In der letzten Woche hob das Unternehmen die langfristigen Ziele an. So soll neu die Marge für den Betriebsgewinn vor Abschreibungen (EBITDA) für 2022 um einen Prozentpunkt höher als bisher budgetiert zwischen 5 und 6% liegen. Diese Information erfolgte unmittelbar im Anschluss auf negative Nachrichten aus dem Haus der vom Umsatzvolumen her deutlich kleineren Konkurrenz Shop Apotheke. Die Shop Apotheke teilte mit, dass die eigenen Ziele nicht erreicht werden.
Fazit
Die Geschäftsentwicklung bei zur Rose verläuft mindestens entsprechend den Zielsetzungen. Ein Übertreffen der von der Geschäftsleitung stets konservativen Prognosen würde wenig überraschen. Auch die nun von den Aktionären abgesegnete Kapitalerhöhung wird zumindest für die Gesellschaft trotz aller Widrigkeiten zu einem Erfolg werden. Erinnerungen an den Einstieg der Corisol Holding werden wach: So hat die Corisol Holding die Zahlung der zweiten Tranche von der Einhaltung von Budgetzielen der Zur Rose abhängig gemacht. Analog macht nun zur Rose einen Teil der Kaufpreiszahlung von der Erreichung der Ziele der Medpex abhängig. Neben einer festen Komponente von 100 Mio. CHF wird eine weitere Zahlung von 60 Mio. CHF an die Erfüllung eines Umsatzzuwachses von 20% und eine Betriebsgewinnmarge vor Abschreibungen (EBITDA) von 3% geknüpft.
Etwas überraschend kam im Vorfeld der ausserordentlichen Generalversammlung die Anhebung der Gewinnziele und -margen für die kommenden Jahre. Diese stand sicherlich auch im Zusammenhang mit der kurz zuvor publizierten «Gewinnwarnung» des deutschen Wettbewerbers Shop Apotheke. Es bleibt zu hoffen, dass diese neuen, höheren Ziele wirklich auch erreicht werden können. Sehr unerfreulich wäre es für die Gesellschaft, wenn die Kommunikation der neuen Ziele nur erfolgt wäre, um die Kapitalerhöhung in dem schwerer gewordenen Umfeld durchziehen zu können. Insbesondere die Investmentbanken könnten hier auf das Management Druck gemacht haben, um die Platzierung der Aktien nicht zu gefährden. Auch für die Aktionäre hätte ein niedrigerer Aktienpreis eine grössere Verwässerung zu Folge. Sofern die erhöhten Ziele am Schluss nicht erreicht werden können, hätte das Unternehmen seinen Anteilseignern allerdings einen Bärendienst erwiesen. Gewinner wären in diesem Fall nur die Investmentbanken und Berater, die kurzfristig den «Deal» aufgrund der angepassten «Guidance» durchgezogen und dafür mehrere Millionen Franken kassiert haben. Das Vertrauen in das Unternehmen wäre dann allerdings verspielt.
Die Zeichnung der Kapitalerhöhung ist mit vielen Unsicherheiten behaftet. Aktionäre, die an den langfristigen Erfolg der Zur Rose glauben, können durch die Teilnahme an der Kapitalerhöhung ihren Anteil am Unternehmen ausbauen. Dabei dürfte der Preis der neuen Aktien leicht tiefer als der Börsenkurs ausfallen. Bei einem Verzicht auf die Zeichnung nehmen die Aktionäre eine Verwässerung ihres Anteils zulasten der grössten Aktionäre (zu nennen ist hier insbesondere die Corisol Holding mit einem Anteil von 14.5%), die sich vollumfänglich an der Zeichnung beteiligen, in Kauf. Die Auswirkungen der Ausgabe der neuen Aktien auf den Aktienkurs dürften gering ausfallen, so dass auch diejenigen Aktionäre, die sich nicht an der Kapitalmassnahme beteiligen, keine nennenswerten Verluste erleiden sollten.