In rascher Folge hat die expansive Zur Rose Group seit dem IPO Mitte 2017 mehrere Akquisitionen, vor allem in Deutschland, durchgeführt und die Wachstumsrate auf zuletzt 30% p.a. beschleunigt. Zur Finanzierung der jüngsten Akquisition medpex hat Zur Rose nun eine Kapitalerhöhung durchgeführt, die allerdings ohne Verschulden der Gesellschaft, sondern durch menschliches Versagen nicht wie vom Emittenten und den Aktionären erwünscht verlaufen ist.
Die aktuelle Kursschwäche ist jedoch eher auf ein zeitweiliges Aktienüberangebot und vielleicht hastige Angstverkäufe zurückzuführen als auf die tatsächlich beeindruckende Entwicklung des Wachstumsunternehmens Zur Rose. Als Folge der Integration der zugekauften Unternehmen und der Hebung von Synergien, nicht zuletzt in der Logistik, waren die Gewinn- und Margenziele für die kommenden Jahre bereits vor der Kapitalerhöhung angehoben worden.
CEO Walter Oberhänsli setzt die Leser von schweizeraktien.net durch seine gewohnt präzisen Aussagen zu aktuellen und zu erwartenden Entwicklungen bei zur Rose und im Markt des europäischen Apotheken-Versandhandels ins Bild. Bemerkenswert ist die Konsistenz von in den Vorjahren angekündigter Strategie und inzwischen erfolgter Implementierung. Nicht durch Worte, sondern Taten geben sich echte Company Builder zu erkennen!
schweizeraktien.net: Sind Sie mit dem Ergebnis der Kapitalerhöhung nach dem Malheur mit der Hausbank von KWE Beteiligungen AG zufrieden, Herr Oberhänsli?
Walter Oberhänsli: Ja und nein. Erfreulich ist, dass die Kapitalerhöhung vollzogen werden konnte. Der Vorfall betreffend KWE Beteiligungen AG ist für alle Beteiligten sehr ärgerlich. Es ging das Wesentliche unter, dass wir nämlich mit dem Kauf von Deutschlands Nummer 3 der Versandapotheken einen grossen Schritt vorwärts machen und viel Wert für unsere Aktionäre schaffen können. Wir werden alles daransetzen müssen, den Fokus der Aktionäre wieder auf das Geschäft unserer Gesellschaft zu richten.
Bitte erläutern Sie kurz, wie hoch der Nettoerlös für Zur Rose nun ist und wie Sie diese Mittel konkret verwenden.
Der Nettoerlös beträgt rund 190 Mio. CHF. Damit werden wir in erster Linie die Barkomponente des Kaufpreises für medpex finanzieren und den verbleibenden Betrag für weitere Investitionen in das Wachstum und die Expansion der Zur-Rose-Gruppe, in die Umsetzung strategischer Vorhaben sowie für allgemeine Gesellschaftszwecke verwenden.
Durch drei Akquisitionen in Deutschland im letzten Jahr ist der Marktanteil von Zur Rose deutlich angestiegen. Warum ist der deutsche Markt gegenüber Frankreich oder Italien so wichtig?
Die regulatorischen Rahmenbedingungen in Deutschland für den Versand von rezeptfreien und rezeptpflichtigen Medikamenten sind liberaler als in Italien und Frankreich. Deutschland ist mit einem Volumen von knapp 45 Mrd. EUR Europas grösster Medikamentenmarkt. Demgegenüber steht eine Online-Durchdringungsrate im rezeptpflichtigen Geschäft von nur 1 bis 2%. Das Potenzial für E-Commerce liegt auf der Hand – und es dürfte sich weiter akzentuieren, wenn 2020 hoffentlich das elektronische Rezept kommt. Mit unseren etablierten Marken und künftig auch mit medpex verfügen wir über eine hervorragende Ausgangslage, um unsere Marktposition auszubauen.
Was können Sie zum Integrationsprozess der akquirierten Unternehmen sagen? Läuft alles rund?
Ein Kernbereich der Integration ist die Konzentration der Logistikaktivitäten an einem Standort. Anfang November haben wir die Versandaktivitäten von apo-rot in Heerlen integriert. Dort wird derzeit die Logistik durch einen angrenzenden Neubau erweitert. Nach Inbetriebnahme der neuen Anlage 2021 werden wir die Logistikaktivitäten der übrigen akquirierten Unternehmen sukzessive in Heerlen bündeln.
Bei der jüngsten Akquisition Medpex ist ja ein Teil des Kaufpreises abhängig vom Erreichen definierter Meilensteine. Können Sie uns verraten, wie es dazu kam?
Mit dem Earn-out knüpfen wir einen Teil des Kaufpreises an das Erreichen von definierten Wachstums- und Ergebniszielen. Die im Unternehmen verbleibenden bisherigen Inhaber haben damit ein hohes Interesse an einer weiterhin erfolgreichen Wachstumsentwicklung, auch unter neuer Eigentümerschaft.
Je nachdem wird der finale Kaufpreis 0,7 bis 1 Mal dem Umsatz von medpex des Jahres 2018 entsprechen. Wie überzeugen Sie ihre Aktionäre von der Angemessenheit dieser Bewertungsformel angesichts dessen, dass die Zur-Rose-Aktie gegenwärtig an der Börse mit ca. 0,6 Mal des Umsatzes 2018 bewertet wird?
Die Bewertungsparameter von medpex liegen im Rahmen vergleichbarer Transaktionen und reflektieren die Qualität von medpex als rasch wachsendes, nachhaltig profitables Unternehmen. Ein substanzieller Anteil des Kaufpreises wird nur dann fällig, wenn medpex in den kommenden zwei Jahren seinen erfolgreichen Wachstumskurs fortführen und seine Profitabilität aufrechterhalten kann.
Was übersehen die Marktteilnehmer vielleicht, bedenkt man, dass, auch wenn der Vergleich hinkt, Amazon trotz Korrektur ein KUV 2018 von über 3 Mal zugestanden bekommt? Die Wachstumsraten mit rund 30% p.a. sind ja gleich.
In der Tat zeigt sich, dass andere Unternehmen aus dem Bereich E-Commerce aktuell höhere Bewertungen aufweisen als Zur Rose. Wir sind der Meinung, dass Medikamente besonders gut für E-Commerce geeignet sind. Hierfür spricht der hohe Wert, die allgemein geringe Retourenquote, die Vorselektion der verschreibungspflichtigen Produkte durch das ärztliche Rezept sowie die geringe Grösse und das geringe Gewicht der Produkte. Die Bewertungslevels der dominierenden E-Commerce-Players reflektieren das „Winner-takes-it-all“-Prinzip, nach welchem wir unsere Wachstums- und insbesondere Konsolidierungsstrategie ausrichten. Die Kombination aus kritischer Masse bei führendem Marktanteil ist dabei entscheidend.
Wie entwickelt sich Ihr Joint Venture mit dem Krankenversicherer KPT, wie nehmen die Zielgruppen das Angebot an?
Die Akzeptanz im Markt ist gross; das Angebot ist ja im Sinne des Prämienzahlers. Der Kunde profitiert von der Prämienreduktion und spart bei den Medikamentenkosten. Bei rezeptpflichtigen Medikamenten ist der Bezug über den Versand im Durchschnitt 12% günstiger. Wir glauben, dass sich solche Versicherungsmodelle langfristig im Markt behaupten werden, denn sie sind ein Beitrag an die Senkung der Gesundheitskosten.
Im August hat Zur Rose ja auch das spanische Unternehmen Promofarma übernommen. Damals wurde in der Medienmitteilung hervorgehoben, dass es ein E-Commerce- und Technologieunternehmen ist und dass Sie mit der Plattformtechnologie die internationale Expansion vorantreiben wollen. Können Sie das bitte näher erläutern?
Promofarma erlaubt einen schnellen Einstieg in neue Märkte über das Marktplatz-Modell. Zunächst fokussieren wir uns auf Frankreich und Italien. Gleichzeitig wollen wir das grosse Tech-Know-how von Promofarma für den Aufbau einer E-Health-Plattform nutzen. Unsere Vision ist es, über eine Plattform verschiedene Gesundheitsdienstleistungen – auch von Dritten – anzubieten.
Beim elektronischen Rezept gibt es neue Entwicklungen mit Blick auf Deutschland. Was können Sie uns dazu sagen?
Im November 2018 wurde im Entwurf der AMG-Novelle ein Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) im Referentenentwurf vorgestellt. Gemäss Entwurf wird das elektronische Rezept mit Inkrafttreten des Gesetzes legalisiert. Es wird bereits im kommenden Jahr Möglichkeiten geben, mit Modellversuchen das elektronische Rezept umzusetzen. Das ist ein grosser Schritt nach vorne, und wir sind dank langjähriger Erfahrungen mit dem elektronischen Rezept in unserem Heimmarkt Schweiz bestens positioniert, um von den erwarteten Entwicklungen zu profitieren und diese auch mitzugestalten.
Das Apotheken-Versandhandelsverbot der GroKo ist ja wohl vom Tisch, oder?
Es macht wenig Sinn, darüber zu spekulieren, wie es in diesem Punkt weitergeht. Allerdings nehmen wir die Äusserungen zur Kenntnis, die man seit dem Apothekertag im Oktober von Teilen der Verbandsvertreter hören kann.
Digitalisierung und Big Data sind ein wesentlicher Bestandteil ihrer Marktstrategie. Können Sie Ihre 360 Grad Big Data Initiative kurz darstellen?
Unsere Vision ist es, die führende E-Health-Plattform Europas zu etablieren. Hierzu planen wir die Einbettung aller unserer bestehenden Services sowie Angebote von Drittanbietern. Es ist unser Ziel, aus den gewonnenen Daten einen Mehrwert für die Patienten und die Gesundheitssysteme zu schaffen.
Im Vorfeld der ao. GV haben Sie Gewinnziele und -margen für die kommenden Jahre angehoben. Heisst das, dass sich der Ausblick zuletzt konkret und merklich verbessert hat?
Die Erhöhung der Gewinnmarge ergibt sich aus dem beschleunigten akquisitorischen Wachstum. Hier sind drei Faktoren entscheidend: Skaleneffekte durch die Bündelung der Logistikstandorte in Heerlen ab 2021, die Erhöhung der Einkaufsmacht und eine grössere Effizienz der Organisation.
Was sind nun Ihre Prioritäten für 2019?
Zum einen wollen wir die Integration und die Hebung von Synergien aus den akquirierten Unternehmen vorantreiben. Zum andern steht in Deutschland das elektronische Rezept vor der Tür, und wir werden uns bestmöglich hierauf vorbereiten.
Wenn Sie noch eine etwas persönlichere Frage erlauben, was wünschen Sie sich für 2019?
Dass der ewig auf sich wartende Changeprozess im deutschen Apothekenmarkt mit der Einführung des elektronischen Rezepts zum Durchbruch kommt.
Vielen herzlichen Dank für die informativen und erfrischenden Antworten, Herr Oberhänsli. Und weiterhin gutes Gelingen!