Weiss+Appetito: Rückschritt in Sachen Erneuerung

Acht Partner wollen in den Verwaltungsrat

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Die in baunahen Bereichen tätige Weiss+Appetito-Gruppe mit Sitz in Bern hat eine historisch gewachsene Aktienstruktur, die sich aus zwei Aktiengattungen zusammensetzt: den Namenaktien «A» (nominal 39 CHF) und die Namenaktien «B» (nominal 9.75 CHF), die auch als Stimmrechtsaktien bezeichnet werden. Während die Namenaktien «A» ausserbörslich auf OTC-X gehandelt werden, sind die Namenaktien «B» den «Partnern» der Weiss+Appetito-Beteiligungs AG vorbehalten. Die Ernennung neuer Partner erfolgt durch die bestehenden Partner. Aufgrund der unterschiedlichen Nominalwerte der zwei Aktienkategorien können die max. 10 «Partner» mit nur knapp 24% des Kapitals 55% der Stimmen kontrollieren. Die übrigen Aktionäre sind somit von den Entscheidungen des Partner-Gremiums abhängig, die ihre Aktien in der Weiss+Appetito Beteiligungs AG gebündelt haben. Bisher stellte die Beteiligungs AG allerdings nur zwei Mitglieder des Verwaltungsrats der Weiss+Appetito Holding. Als unabhängiger Verwaltungsrat führt der Architekt und Betriebswirtschaftsingenieur Daniel Kramer seit 2014 den Verwaltungsrat.

Über die Beteiligungs AG sind die Partner an der Weiss+Appetito Holding beteiligt. Abb.: weissappetito.ch

VR-Präsident und CEO treten überraschend ab

Doch mit dieser Struktur ist nun Schluss. Wie gestern bekannt wurde, wollen an der nächsten Generalversammlung nun alle aktuell 8 Partner in den Verwaltungsrat gewählt werden. Diese Entscheidung wird damit begründet, dass die «Partner» die Zukunft der Gesellschaft so noch aktiver mitgestalten möchten. Für Daniel Kramer war klar, dass er diesem neu zu besetzenden Verwaltungsrat als unabhängiger Präsident aus Compliance-Überlegungen nicht mehr vorstehen möchte, wie er gegenüber schweizeraktien.net erklärte. Eine Missstimmung oder gar einen Machtkampf habe es laut Kramer allerdings zu keiner Zeit gegeben. «In den letzten Jahren sind einige neue Partner ernannt worden, die nun auch gerne die Zukunft der Gruppe mitgestalten möchten». Dass sich Andrea Wucher, bisher CEO der Gruppe, entschieden habe, das Unternehmen per Ende Mai 2019 zu verlassen, sei unabhängig von seinem Entscheid erfolgt, so Kramer. Allerdings räumt er ein, dass eine Führung des Unternehmens durch einen CEO, der gleichzeitig Vorgesetzter der Spartenleiter sei, die ihn aber über den Verwaltungsrat wiederum kontrollieren, schwierig und demzufolge der Entscheid von Andrea Wucher nachvollziehbar sei.

Erfreuliches 2018

Operativ lief es 2018 nach Auskunft von Daniel Kramer erfreulich. Der Umsatz habe ebenso wie der Deckungsbeitrag gegenüber dem Vorjahr zugelegt. Allerdings werde der Gewinn etwas niedriger als im Vorjahr, allerdings im Rahmen der Ankündigung Mitte 2018, ausfallen.

Fazit

Die jüngsten Nachrichten aus der Weiss+Appetito-Gruppe sind für die Minderheitsaktionäre nicht erfreulich. Während man eigentlich ein Aufbrechen der nicht mehr zeitgemässen Aktionärsstruktur gerade von einer neuen Kader-Generation hätte erwartet dürfen, so ist der nun gewählte Weg ein Rückschritt. Nach dem heutigen Stand wird in dem neuen Verwaltungsrat kein unabhängiges Mitglied mehr vertreten sein. Allein dies entspricht schon nicht den heute üblichen Grundsätzen guter Unternehmensführung. Hinzu kommt, dass damit auch kein Vertreter der Minderheitsaktionäre – die immerhin mehr als drei Viertel des Kapitals der Gesellschaft stellen – in dem Gremium Einsitz nimmt. Wie bei einigen anderen ausserbörslich gehandelten Gesellschaften (z.B. Loeb, Weleda PS) sind die Minderheitsaktionäre Anteilseigner 2. Klasse.

Daher überrascht es auch nicht, dass die Namenaktien «B» derzeit zu Kursen von 326 CHF auf OTC-X gehandelt werden. Dies entspricht einem Abschlag von mehr als 35% auf den Buchwert von 503 CHF pro Aktie (per Ende 2017). Auch das Kurs-/Gewinn-Verhältnis ist mit geschätzten 7 bis 8 für 2018 sehr günstig. Bei einer gleichbleibenden Ausschüttung von 8 CHF je Namenaktie «B» liegt die Dividendenrendite nur bei 2.4%. Angesichts der schwierigen Aktienstruktur ist diese niedrige Bewertung sicherlich gerechtfertigt. Insgesamt bleiben die Aktien der Weiss+Appetito-Gruppe trotz der guten operativen Entwicklung nur etwas für Investoren, die sich mit diesem «2-Klassen-Aktionariat» anfreunden können. Vorteil dieser Konstellation: auch die Kadermitglieder bzw. «Partner» haben aufgrund ihres Aktienbesitzes ein grosses Interesse an einer langfristig guten operativen Performance. Ob und wie der Minderheitsaktionär daran partizipieren kann, ist derzeit allerdings offen.

1 Kommentar

  1. Besten Dank für diesen Beitrag!

    Ja, die jüngsten Entwicklungen bei der Weiss + Appetito AG erscheinen auf „struktureller Ebene“ aus der Sicht unabhängiger „Minderheitsaktionäre“, die in Summe immerhin rd. 76% des Kapitals – und damit sogar die Kapitalmehrheit (nicht aber die Stimmrechtsmehrheit) – stellen, als ein grosser Rückschritt in Sachen „moderner Unternehmensführung“.

    Völlig losgelöst von der Frage, ob alle vorgeschlagenen Kandidaten – obwohl „Partner“ – auch als Verwaltungsräte für diese strategische Leitungsposition auf Holding-Ebene in einer durchaus komplexen Organisation mit aussenstehenden Aktionären geeignet sind, erscheint ein achtköpfiger Verwaltungsrat für ein Unternehmen der Grösse der Weiss + Appetito AG definitiv nicht zu klein, eher im Gegenteil.

    Es ist vor diesem Hintergrund mehr als nur bedauerlich, dass die neue Führungsstruktur auf Stufe Verwaltungsrat keinen unabhängigen Kandidaten mehr vorsieht – bei immerhin acht Personen in diesem Gremium, das zwar die Stimmenmehrheit kontrolliert, nicht aber die Kapitalmehrheit! Kapitalmässig sind die W+A-Partner skurrilerweise ja sogar mit 24% in der Minderheit.

    Selbst bei der erwähnten Weleda AG mit ihrer alles andere als trivialen Kapital-/Stimmrechtsstruktur gibt es gleich mehrere unabhängige Verwaltungsräte, die nicht mit den Hauptaktionären AAG und Klinik Arlesheim verbunden sind.

    Aus den genannten Gründen wäre es aus einer Aktionärsperspektive „2. Klasse“ wünschenswert, wenn die Weiss + Appetito AG ihren aktuellen Plan zur Neubesetzung des Verwaltungsrats mit Blick auf die GV nochmals in den Details überdenkt und mindestens einen unabhängigen Kandidaten für den VR nominiert, der nicht zugleich Partner ist, sondern – völlig unabhängig von seiner „Partner-Rolle“ – die Interessen aller Share- und Stakeholder im Blick hat.

    Ob acht oder neun Verwaltungsräte an Bord sind, sollte bei diesen Grössenordnungen „eigentlich“ keine Rolle mehr spielen…

    Insbesondere die grösseren Aktionäre innerhalb des Streubesitzes sollten mindestens auf einen unabhängigen Kandidaten im Verwaltungsrat der Weiss + Appetito AG drängen – und den aktuellen „Rückwärts-Kurs“ der Gesellschaft durchaus auch kritisch hinterfragen.

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