„Aktionäre sind dumm und unverschämt. Dumm, weil sie mir ihr Geld überlassen und unverschämt, weil sie auch noch Dividende dafür haben wollen“, diese Meinung äusserte der deutsche Bankier Carl Fürstenberg vor rund 100 Jahren über Anleger. „Dumm“ und „unverschämt“ vielleicht nicht, aber Anleger sind derzeit entweder verwöhnt oder übertrieben ängstlich. Denn betrachtet man sich die aktuelle Berichtssaison, dann werden Titel, die eigentlich mehr oder weniger solide Zahlen und auch keinen katastrophal schlechten Ausblick liefern, abverkauft, und das führt dann nicht selten zu zweistelligen Kursverlusten in wenigen Tagen.
Ein gutes Beispiel dafür ist Feintool aus unserem SPI-Musterdepot. Kam die Aktie des Experten für Feinschneiden und von entsprechenden Komponenten bereits im Oktober und November nach einem zurückhaltenden Ausblick auf das Gesamtjahr unter Druck, so ging es mit dem Kurs nun nach Vorlage der vorläufigen Jahreszahlen nochmals deutlich nach unten. Insgesamt hat der Titel in fünf Monaten bereits um 35% an Wert verloren.
Feintool – das KGV könnte in diesem Jahr einstellig werden …
Dazu müssen Anleger aber wissen: Feintool erhöht den Umsatz. Im vergangenen Jahr kletterten die Erträge um 11,0% auf 679.6 Mio. CHF, und das lag ziemlich in der Mitte der prognostizierten Umsatzspanne. Zudem steigert Feintool den Gewinn. Das Ergebnis je Aktie kletterte im vergangenen Jahr um 6,6% von 6.22 auf 6.63 CHF. Gibt es die Aktie damit bereits auf Basis 2018 schon zum günstigen 10er-KGV, so ist in diesem Jahr eine noch tiefere Bewertung zu erwarten.
So rechnet Feintool-Chef Knut Zimmer für dieses Jahr mit einem Umsatz zwischen 690 und 730 Mio. CHF und einem höheren operativen Gewinn. Ein Ergebnis je Aktie von über 7 CHF und möglicherweise ein einstelliges KGV wären dabei vorstellbar.
… und das KBV ist so tief wie kaum zuvor
Das ist schon kurios. Denn Feintool war Anlegern beispielsweise zwischen 2014 und bis Mitte 2018 noch KGVs von 20 oder gar 30 wert. Was Feintool jetzt aber wirklich günstig macht, ist das Kurs/Buchwert-Verhältnis, kurz KBV. Aktuell notiert die Aktie nur noch um rund 10% über dem Buchwert je Anteil von 65.26 CHF. Im Siebenjahrestief in 2016 notierte der Titel zwar auf demselben Kurslevel wie zurzeit, aber der Buchwert lag damals lediglich bei 51.61 CHF je Aktie. Nicht einmal in den globalen Katastrophenjahren der Finanzmarktkrise 2008 und 2009 war Feintool hinsichtlich KBV so günstig bewertet wie jetzt.
Aber egal, ob das KBV wie in 2014 und 2016 bei 1,6 oder 1,4 oder in 2009 bei 1,2 gelegen hat: Von diesen KBV-Tiefs ging es dann mit der Aktie jeweils innert weniger Monate um 30%, 40% oder auch 50% nach oben. Jetzt, heute, interessiert das offensichtlich aber niemanden. Noch. Doch das wird sich auch wieder ändern. Denn Buchwertspekulationen gehen oft auf, insbesondere bei profitablen Unternehmen mit guter Marktstellung und guten Produkten. Anleger sehen bei der Aktie angesichts der im langfristigen Durchschnitt sehr günstigen KBV- und KGV-Bewertung eine gute Gelegenheit zum Einstieg.
Bellevue Group – schwache Börse bringt Rückgang im verwalteten Vermögen in 2018 …
Irgendwie zu sehr verwöhnt scheinen Anleger bei Bellevue Group. Zwar wurde es beim Finanzdienstleister im vergangenen Jahr nichts aus erhofften Gewinnsteigerungen. Aber trotz des Kurszerfalls an den Börsen im vierten Quartal und damit zusammenhängend einem Rückgang im verwalteten Vermögen um 10% von 12 auf 10.8 Mrd. CHF sowie dem Entfall von transaktions- und performanceabhängigen Einnahmen in Höhe von 14.3 Mio. CHF konnte Bellevue Group den Geschäftsertrag im vergangenen Jahr um 3% auf 102.8 Mio. CHF ausbauen.
Allerdings stiegen die Kosten etwa durch einen höheren Personalbestand in der Vermögensverwaltung und auch bedingt durch extra Aufwendungen für die gesetzlich verordneten Bestimmungen von MiFID II. Der Geschäftsaufwand kletterte so insgesamt um 9% auf 79.1 Mio. CHF. Dadurch rutschte der Jahresüberschuss um 7% von 21.5 auf 20 Mio. CHF oder von 1.60 auf 1.49 CHF je Aktie.
… aber im Januar ging das Volumen schon wieder nach oben
Das mag zwar ein kleiner – wahrscheinlich vorübergehender – Schönheitsfehler sein, aber die Dividende bleibt stabil bei 1.10 CHF je Aktie. Mit einer Rendite von 5,3% ist Bellevue Group ganz klar ein Wert zum Kaufen und liegen lassen.
Dazu kommt: Im Januar verzeichnete der Finanzkonzern aus Küsnacht bereits wieder einen Anstieg im verwalteten Vermögen auf 11.8 Mrd. CHF. Möglicherweise gibt es bereits an der Generalversammlung am 19. März oder später bei Publikation der Halbjahreszahlen am 26. Juli positive Überraschungen zum Geschäftsgang.
Leonteq – Erträge steigen, Kosten fallen …
Etwas erstaunlich ist die Kursentwicklung bei Leonteq. Auf Monatssicht hat die Aktie des Emissionshauses und Finanzdienstleisters um 12.8% an Wert verloren. Dabei waren die Anfang Februar präsentierten Jahreszahlen wirklich überzeugend. So stieg insbesondere der Erfolg im mit weitem Abstand wichtigsten Geschäftsfeld, dem Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft, im vergangenen Jahr um 10% von 247.0 auf 272.5 Mio. CHF. Beim zweitgrössten Standbein, dem Handelsgeschäft, drehte der Erfolg von -25.8 auf 21.4 Mio. CHF.
In Summe konnte der Finanzkonzern aus Zürich seinen Betriebsertrag um 31% auf 282.4 Mio. CHF ausbauen. Da wichtige Kostenpositionen wie insbesondere der Personalaufwand mit plus 2% weit unterproportional gestiegen und wie beispielsweise Abschreibungen sogar gefallen waren, reduzierte sich der Geschäftsaufwand bei Leonteq im vergangenen Jahr um 2% auf .Mio. CHF.
… der Gewinn explodiert auf ein Rekordniveau
Ergebnis vor Steuern und Jahresüberschuss explodierten dadurch jeweils in etwa auf das Vierfache. Das Ergebnis je Aktie ging so mit einem Anstieg von 1,45 auf 5.33 CHF fast schon durch die Decke und erreichte ein Rekordniveau. Aber selbst ein 7er-KGV scheint Anlegern zu riskant. Nach Vorlage der Zahlen rutschte Leonteq um mehr als 10% nach unten.
Börsianer waren offensichtlich enttäuscht vom Ausblick. Leonteq spricht darin von einem verhaltenen Jahresauftakt. Immerhin scheint das Management dennoch zuversichtlich. Denn die Anzahl der Mitarbeiter soll in diesem Jahr um 5% steigen. So oder so: Leonteq hat in den Jahren 2014 und 2015 je Aktie 4.36 und 4.31 CHF verdient. Damals notierte die Aktie bei 100, 150, ja sogar bei 200 CHF. Heute kostet Leonteq 41.50 CHF.
Valiant – die Zinsmarge steigt…
Nach diesen drei irrationalen Titeln kurz noch zu einem Wert, bei dem die Vernunft wieder die Oberhand zu gewinnen scheint: Valiant. Die Aktie der Bank konnte in den letzten vier Wochen um rund 10% zulegen. Grund waren die Geschäftszahlen. So konnte das Geldhaus seine Zinsmarge im vergangenen Jahr von 1,10% auf 1,12% ausbauen.
Unter dem Strich hiess das: Die Erträge der Bank kletterten um 4,1% auf 404.1 Mio. CHF. Andererseits blieben die Kosten konstant, und dadurch verbesserte sich das Kosten-Ertrags-Verhältnis von 58,3% auf 55,9%, und der Gewinn kletterte um 0,9% auf 120.3 Mio. CHF.
… und die Dividende wird schon wieder erhöht
Anleger freuen sich über den Dividendenvorschlag. Die Ausschüttung soll zum vierten Mal in Folge von 4 auf nun 4.40 CHF je Aktie erhöht werden. Mit einer Dividendenrendite von 4% und einem Discount zum Buchwert von rund 20% ist die Aktie aber trotz der jüngsten Kurssteigerungen immer noch günstig zu haben. Angesichts der Kurssteigerungen hatten Anleger offensichtlich einen weiteren Spruch von Carl Fürstenberg in Erinnerung: „Der Reingewinn ist der Teil der Bilanz, den der Vorstand beim besten Willen nicht mehr vor den Aktionären verstecken kann.“ Anleger könnten denken: Vielleicht waren die Zahlen bei Valiant realiter sogar noch besser.
Musterdepot SPI “schweizeraktien.net” | |||||||
Valoren | Unternehmen | Kaufkurs | Kurs aktuell | Ziel | Stück | in CHF | +/- |
1478650 | Valiant Holding | 82,55 | 112,6 | 135 | 135 | 15.201,00 | 36,4% |
1811647 | Hochdorf | 179 | 134,6 | 239,5 | 80 | 10.768,00 | -24,8% |
3038073 | Leonteq | 62,5 | 41,22 | 98,5 | 275 | 11.335,50 | -34,0% |
2553602 | Feintool* | 106,1 | 72 | 140 | 125 | 9.000,00 | -32,1% |
367144 | Rieter | 161,5 | 148,4 | 250 | 62 | 9.200,80 | -8,1% |
2620586 | Ypsomed | 128,1 | 128,7 | 175 | 100 | 12.870,00 | 0,5% |
1226836 | Mobilezone | 12,5 | 10,84 | 16,5 | 1250 | 13.550,00 | -13,3% |
1075492 | Schweiter | 826,5 | 992 | 1350 | 10 | 9.920,00 | 20,0% |
3038073 | Huber + Suhner | 67,65 | 78,3 | 85 | 200 | 15.660,00 | 15,7% |
2842210 | Bellevue Group | 24 | 21 | 29,5 | 650 | 13.650,00 | -12,5% |
31186490 | VAT Group | 130,2 | 104,8 | 168,5 | 120 | 12.576,00 | -19,5% |
Cash | 603,64 | ||||||
Performance gesamt | 134.334,94 | 34,3% | |||||
SPI | 8975,7 | 11051,9 | 23,1% | ||||
Start: 9.1.15, Start fiktiv mit 100’000 CHF; Stand: 6.3.19 | |||||||
*) Der Autor berät Anlage-produkte. Diese Aktie ist Bestandteil eines solchen Anlageprodukts |