Der Apothekenschreck DocMorris will stationären Apotheken nach der Einführung elektronischer Rezepte noch mehr Geschäft abjagen. Während Patienten heute erst 1,3% aller verschreibungspflichtigen Medikamente in Versandapotheken bestellen, könnte der Anteil mit E-Rezepten schnell auf 10% steigen, sagte der Chef der Schweizer DocMorris-Mutter Zur Rose, Walter Oberhänsli, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. „Dann ist die Versandapotheke nur noch einen Klick entfernt“, so Oberhänsli.
Der Jurist, der Apothekern mit niedrigen Preisen und Automaten für Medikamente den Kampf angesagt hat, will Dampf machen: „Wir werden uns dafür einsetzen, dass das E-Rezept schnell und flächendeckend umgesetzt wird, weil dann die Chance wächst, dass der Kunde bei uns kauft statt in einer stationären Apotheke.“ DocMorris mit Sitz in den Niederlanden ist die grösste Versandapotheke Europas und hat nach Angaben von Oberhänsli bei verschreibungspflichtigen Medikamenten in Deutschland einen Marktanteil von rund 40%.
Oberhänsli rechnet damit, dass das notwendige Gesetz noch vor der Sommerpause verabschiedet wird. Im Idealfall, so Oberhänsli, könnten dann nach einem Jahr alle Ärzte elektronisch Rezepte ausstellen und alle Apotheken diese Rezepte einlesen.
Marktvolumen rezeptpflichtiger Medikamente: 29 Mrd. Euro
Rezeptpflichtige Medikamente sind ein lukrativer Markt. Der Umsatz wächst unter anderem wegen der alternden Bevölkerung. 2017 betrug er in Deutschland nach Angaben der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände gut 29 Mrd. Euro, 5% mehr als 2016.
DocMorris dringt darauf, dass das E-Rezept nicht auf dem Chip in der Gesundheitskarte gespeichert wird, sondern mobil zur Verfügung steht, damit es mit einem Klick an die Versandapotheke gehen kann. Bislang muss noch das Papierrezept per Post eingeschickt werden. Bis zur Lieferung dauert es dadurch ein paar Tage.
Die Patienten sparen, weil Versandhändler nur die Hälfte der Rezeptgebühr in Höhe von maximal 10 Euro verlangen. Dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) das ändern will, ärgert Oberhänsli. „Wenn Apotheker darauf bestehen, dass alle gleich lange Spiesse haben, könnte man ja allen solche Boni gestatten, statt sie zu verbieten“, meinte er. Er rechnet auch ohne Preisvorteil damit, dass Kunden den Komfort einer Online-Bestellung schätzen.
In der Schweiz und in Schweden, wo es elektronische Rezepte gibt, liege der Anteil des Online-Handels bei 10%. „Es spricht nichts dagegen, dass es in Deutschland auch in die Richtung geht“, sagte Oberhänsli. In Schweden sei der Anteil in vier Jahren erreicht worden. Zur Rose hat eine Technologie für E-Rezepte entwickelt, die gerade mit der Techniker-Krankenkasse ausprobiert wird. Ob sich dieser Standard durchsetze oder ein anderer, sei aber egal. „Ich möchte ja gar nicht auf meinem Grabstein stehen haben: Er hat Deutschland mit dem elektronischen Rezept beglückt“, sagt Oberhänsli.
Am Medikamentenautomaten wird festgehalten
Der Schweizer hält an seiner Idee von Medikamentenautomaten trotz einer vorläufigen Niederlage vor Gericht fest. Die Automaten werfen Arznei aus, nachdem der Kunde über einen Bildschirm einen Apotheker konsultiert hat. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hatte Anfang April das Verbot eines solchen DocMorris-Automaten in Hüffenhardt in Baden-Württemberg bestätigt. Oberhänsli erwägt Berufung. „Ich bin mir sicher, dass die Automaten kommen werden. Ich weiss nur nicht, wann. Sie erfüllen einen Bedarf in strukturschwachen Gegenden.“
Nach der jüngsten Übernahme der drittgrössten E-Commerce-Apotheke medpex Anfang des Jahres sind nach Oberhänslis Angaben keine weitere Zukäufe geplant. „Wir wollen unseren Marktanteil im Versandgeschäft von über 30% verteidigen.“ Dazu gehören auch Pflegemittel ohne Rezept. „Bei verschreibungspflichtigen Medikamenten sind es schon rund 40%. Da wird die Luft schon dünn, um das noch auszubauen.“
Mit Plattformmodell offen für andere Apotheken
Apotheker sind zwar nicht gut auf DocMorris zu sprechen, aber Oberhänsli will sie mit einem neuen Projekt ins Boot holen. Er will den Gesundheitsmarkt mit einer Plattform nach dem Vorbild von Amazon aufrollen. „Wir haben in Spanien die Firma Promofarma gekauft, die einen Marktplatz ähnlich wie Amazon betreibt, und sie arbeitet schon mit 700 Apothekern zusammen. Das ist ein Modell, das uns auch für Deutschland vorschwebt.“ In Spanien stünden die Apotheker Schlange, um mitzumachen, sie hätten jährliche Umsatzzuwächse von 20%.
Kunden könnten auf der Plattform nach Pflegemitteln suchen. Ein Algorithmus zeige ihnen, bei welcher Apotheke sie zu welchem Preis kaufen können. Die Auslieferung übernimmt die Plattform. Zur Rose verdiene an jedem Kauf mit. In Deutschland könne das Projekt 2020 starten, sagte Oberhänsli.
Die Aktien der Zur Rose Group AG sind an der SIX Swiss Exchange kotiert. Zuletzt wurden Preise von 90.10 CHF für eine Aktie gezahlt.
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