Branchentalk Banken: Bankenwelt wird und muss sich ändern

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Wie überleben die Banken, wenn sich im klassischen Zinsengeschäft die Margen immer weiter verengen und bald überhaupt nichts mehr zu verdienen ist? Hilfe erhoffen sich die Branchenvertreter von der Technologie und einem Kulturwandel, so die Quintessenz des von schweizeraktien.net durchgeführten sechsten Branchentalks «Banken» in Zürich.

Eigentlich läuft der Karren immer noch gut, zeigt die Umfrage von Zern & Partner GmbH bei den Banken. Allerdings ist die Zuversicht der befragten Institute im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken. Und gleich über 90% der Institute erwarten eine nochmalige Verengung der Zinsmarge. Das Geschäft mit den Zinsen könnte also bald keines mehr sein. Das ist aber noch nicht das gesamte Ungemach. Zum Zinsproblem kommt noch die immer rascher wachsende Herausforderung durch die Digitalisierung, die teilweise völlig neue Geschäftsmodelle erforderlich macht. Vieles aus der alten Bankenwelt hat ausgedient. Was also tun, wo sind die neuen ertragsbringenden Geschäftsfelder?

Papier endgültig passé

Mit einem konsequenten Einsatz der Technologie versucht es die Berliner Smartphone Bank N26. Kein Papier, keine Filialen, eine Kontoeröffnung in acht Minuten, ohne eine Bank(-filiale) betreten zu müssen. Bankgeschäfte müssen zudem jederzeit und überall möglich sein. Mit diesen Grundsätzen hat N26 im Retailbanking bereits höchst beachtliche Erfolge erzielt, wie Georg Hauer, General Manager des Fintech-Unternehmens, in Zürich stolz präsentierte. Innert nur fünf Jahren ist die Kundenzahl auf 2,5 Millionen angestiegen, beschäftigt werden rund 1‘000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit 60 verschiedenen Nationalitäten. Tätig ist die Smartphone Bank bereits in 24 Ländern. Nach den Worten von Hauer will N26 nun auch in den USA und dann in der Schweiz Fuss fassen. «Wir wollen schlicht eine globale Bank werden», hat sich der N26-Chef zum Ziel gesetzt.

Ironie der Geschichte: Die Berliner Bank ist nur deshalb eine eigenständige Bank geworden, weil sie von allen Geldhäusern, die Hauer zuvor um eine Kooperation angefragt hatte, lauter Absagen erhielt. Gerade dies habe N26 aber den Weg zum Erfolg geebnet: «Aus einem Misserfolg einen Erfolg zu machen, eine Kultur des Scheiterns auzufbauen», das ist ein wichtiger Erfolgspfeiler für N26. Und wer auf das Smartphone setze, müsse sich sowieso immer an den Besten orientieren

Volle Orientierung auf den Kunden. Das sind im Fall der N26 hauptsächlich die sogenannten Millennials, die Generation, die im Zeitraum der frühen 1980er bis zu den späten 1990er Jahre geboren wurde. Das Durchschnittsalter der Kunden des Instituts beträgt denn auch nur gerade 32 Jahre. «Wir wollen eine Bank werden, die von den Kunden geliebt wird und über Empfehlungen wachsen können», lautet ein Credo von N26. Und Hauer lässt gleich ein weiteres folgen: «Unternehmertum ist kein Projekt, sondern eine Haltung. Zudem haben wir versucht, die so verschiedenen Kulturen der Bankenwelt und der Start-up-Szene zu verschmelzen».

Geld verdient das Jungunternehmen aktuell vor allem mit Interchange-Gebühren von Kreditkartenunternehmen und mit Premium-Produkten. Später sollen dann auch Konsumkredite einen wesentlichen Beitrag leisten.

Fintechs als Kooperationspartner

Zwei kleinere helvetische Institute sehen in der engen Kooperation mit agilen Fintechs den idealen Weg, um die Zukunft zu bewältigen Die WIR-Bank glaubt, die passende Partnerin im Fintechunternehmen VIAC gefunden zu haben, das sich auf 3.-Säule-Lösungen spezialisiert hat. «Lösungen, die dank tiefen Gebühren vor allem Mehrwert für den Kunden schaffen und nicht nur für die Bank», wie Daniel Peter, Initiant des Fintech-Unternehmens, betont. Eine Kontoeröffnung soll in 10 Minuten möglich sein, und dies bereits ab 1 Franken. Betreut werden mittlerweile schon Konten von 11‘600 3a-Sparern mit einem Gesamtvolumen von 165 Millionen. «Der Markt in der Schweiz beträgt in diesem Bereich rund 120 Milliarden. Wir haben also noch ein beachtliches Potenzial», freuen sich Peter und der ehemalige WIR-Bank-Chef Germann Wiggli, der vor ein paar Tagen in den Verwaltungsrat gewechselt hat.

Einen ähnlichen Weg ist die kleine Regionalbank BSU Uster gegangen. Sie hat das Asset Management an die digitale Plattform Descartes Finance ausgelagert, die dieses Geschäft mittels Robo-Advisor betreibt, die Geldanlage also in einer automatisierten Form vornimmt. «Asset Management in a Box», umschreibt Adriano Lucatelli, Geschäftsführer von Descartes Finance, die Aktivitäten in einer Kurzformel. Produkt dieser Zusammenarbeit ist investclick.ch, ein hocheffizientes Portfolio-Management bereits ab 20’000 Franken. Im Hypothekargeschäft ist bereits zuvor die Plattform hypoclick.ch lanciert worden. «Beide Lösungen erlauben es der BSU, über die Region hinaus tätig zu sein und schweizweit zu agieren», sagt Peter Germann, Leiter der Bank BSU.

Eher konventionell ist das Vorgehen der Zürcher Privatbank Lienhardt & Partner. Sie setzt auf die im Bankenbereich eher seltene Kombination Private Banking, Vorsorge und Immobilien und schöpft die zahlreichen Synergien, die sich aus diesen drei Bereichen ergeben, mit eiserner Konsequenz aus. «Im Vorsorgebereich wollen wir zum Beispiel eine einzige Plattform für 3a-, 3b-, Freizügigkeits- und in naher Zukunft auch für 1e-Produkte bauen», erläutert Geschäftsleitungsmitglied Markus Graf. Dabei werden alle Geschäftsprozesse digitalisiert, und Kontoeröffnungen sollen online möglich werden.

Millennials brauchen andere Ansprache

Unabhängig vom Einsatz ausgeklügelter Technologien ist nach Branchenvertretern auch ein grundlegender kultureller Wandel nötig, um dem Bankengeschäft eine erspriessliche Zukunft zu ermöglichen. «Millennials haben Vorstellungen, die sich von ihren Eltern grundlegend unterscheiden», unterstreicht Miriam Staub-Bisang, Leiterin des Vermögensverwalters BlackRock Schweiz. Diese Bevölkerungsgruppe stellt mittlerweile 35% aller Erwerbstätigen und wird in den nächsten Jahre die fast unvorstellbare Summe von 24 Billionen Dollar von ihren Eltern erben. Als Arbeitnehmer wollen sich die Millennials nach den Worten von Staub-Bisang mit ihrem Unternehmen identifizieren können; Wertschätzung ist ihnen wichtig, sie wollen häufig gelobt werden und sprechen sich für flache Hierarchien aus. Als Konsument sind ihnen Naturnähe und Bio wichtig. Zu beachten sei zudem, dass die Millennials grundsätzlich knapp bei Kasse seien. «Es ist die erste Generation überhaupt, die weniger verdient als ihre Eltern», sagt die Black-Rock-Chefin. Die Preise spielten deshalb eine wichtige Rolle.

Als Investoren möchten die Millennials einen positiven Beitrag zur Lösung der Umweltprobleme leisten, sie möchten alle Produkte via Smartphone erwerben können. Wichtig seien ihnen sodann Preisvergleiche und tiefe Gebühren.

Rote Karte für Bremser

Die Regionalbanken sehen die Zukunftsproblematik ähnlich. Der kulturelle Wandel in den Instituten könne nur gelingen, wenn die Mitarbeitende tatsächlich als wichtigstes Kapital angesehen werden, so das Resultat einer Umfrage. Nur 9% aller Institute sind der Ansicht, es reiche durchaus, so weiterzumachen wie bisher.

Bei der Schwyzer Kantonalbank hat man mit einer alten Bankentradition bereits tabula rasa gemacht. «Krawatten sind abgeschafft worden, und in der ganzen Bank ist man nun per du», freut sich Bankenchef Peter Hilfiker. In einer Umfrage habe die Bank zudem festgestellt, dass nicht die oberste Führungsebene oder die normalen Mitarbeiter die Wandlungsfähigkeit des Unternehmens behindern, sondern das mittlere Kader. «Und da darf man gegenüber Bremsern keine Gnade walten lassen und muss spätestens nach dem zweiten Fall die rote Karte zücken.»

 

Bildergalerie des Branchentalks Banken im Metropol Zürich

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