Vor nunmehr sechs Jahren hat die Bank Linth ihr Projekt «Bank der Zukunft» gestartet. Mittlerweile wurden 17 von 19 Standorten der regional tätigen Bank umgebaut. Die Kundenberatung ist wieder in den Vordergrund gerückt. Oder wie CEO David Sarasin es an einem Mediengespräch zum Halbjahresabschluss ausdrückte: «Die Interaktion ist wichtiger als die Transaktion».
Auch in der Gemeinde Meilen startet die zur LLB-Gruppe gehörende Bank nun mit einem solchen Konzept. Ab dem 9. September sollen bestehende Kunden aus der Region hier beraten, aber auch neue Kunden gewonnen werden. Wie bereits in den anderen erneuerten Standorten gibt es keine Schalter mehr, auch einen Bankomaten sucht der Kunde vergeblich. Wenn ein Kunde Bargeld beziehen wolle, könne er dies bei vier anderen Banken tun, die sich in direkter Nachbarschaft des neuen Standorts in Meilen befinden, so David Sarasin. Er macht damit deutlich, dass sich seine Bank nicht mehr durch Transaktionen wie Bargeldbezug oder den Zahlungsverkehr profilieren wird, sondern ausschliesslich durch die Kundenberatung. Auch fixe Öffnungszeiten wird es in Meilen nicht geben, so wie dies bereits in den Beratungsstandorten Winterthur und Frauenfeld der Fall ist. «Unsere Mitarbeiter sollen doch keine Infrastruktur hüten, sondern sich um die Kunden kümmern», erläutert der Bankchef. Kundengespräche finden daher nach Terminvereinbarung in der Geschäftsstelle auch am Abend statt oder gleich beim Kunden zuhause. Die Arbeitsweise sei vergleichbar mit Versicherungsagenturen, so Sarasin. Er betont, dass die Bank Linth in diesen Punkten Vorreiter sei, auch wenn viele andere Banken mit dem Umbau ihrer Filialen begonnen und ihre Schalter abgeschafft hätten.
Hypogeschäft wächst nur sehr langsam
Doch zahlt sich dieser Ansatz bereits aus? Ein Blick in den Halbjahresabschluss 2019 der Bank Linth zeigt dies jedenfalls noch nicht. So konnten die Hypothekarvolumen in diesem Zeitraum lediglich um 0.9% erhöht werden, was unter dem Marktwachstum liegt. Nachdem bereits in den letzten zwei Jahren mit Winterthur und Frauenfeld zwei neue Beratungsstandorte in neuen Geschäftsgebieten eröffnet wurden, hätte das Wachstum durchaus höher ausfallen können. Finanzchef Urs Isenrich begründet dies mit dem sehr starken Wettbewerb am Markt, der dazu geführt habe, dass die Bank Linth auch Kunden verloren habe. Wie bei den meisten Banken argumentiert die Geschäftsleitung der Bank Linth auch damit, dass für sie der Geschäftserfolg wichtiger sei als das Volumenwachstum. Die Erfolgsrechnung zeigt jedenfalls, dass das regionale Institut hier gut unterwegs ist. Denn trotz des anhaltenden Margendrucks stieg der Brutto-Erfolg aus dem Zinsengeschäft um 1,6% auf 34 Mio. CHF an; der Netto-Erfolg fiel mit einem Plus von 6,5% auf fast 36 Mio. CHF sogar noch besser aus. Profitieren konnte die Bank dabei allerdings von der Auflösung einer Risikoposition in Höhe von 2 Mio. CHF, die nicht mehr benötigt wurde.
Mehr Kundengelder fliessen zur Bank Linth
Auch wenn es bei den Ausleihungen im ersten Semester etwas harzte, so konnte die Bank Linth auf der Passivseite der Bilanz und im Anlagegeschäft stabil wachsen. Die Kundengelder stiegen um 2,6% auf knapp 5 Mrd. CHF an, die verwalteten Kundenvermögen nahmen gegenüber Ende 2018 um 7,0% auf 7.4 Mrd. CHF zu. Private-Banking-Chef Luc Schuurmanns freut sich, dass in diesem Zeitraum 142 Mio. CHF neue Anlagegelder der Kunden (Net New Money) zu der regional tätigen Bank flossen. Er begründet diesen Erfolg mit dem guten Börsenumfeld in den ersten sechs Monaten, aber auch mit den neuen Produkten wie «Bank Linth Invest». Im Gegensatz zu anderen Finanzdienstleistern, die vor allem auf passive und technologiegetriebene Anlagelösungen setzen, will die Bank Linth mit ihren hybriden Anlagelösungen punkten. Diese setzen auf eine Kombination aus Technologie und persönlicher Beratung. Schuurmanns nennt das ganze neu «Paarship-Banking». «Wir möchten mit unseren Kunden auf Augenhöhe und partnerschaftlich zusammenarbeiten», so der Private Banker. Soll heissen: Der Kunde erhält nur so viel Beratung, wie er möchte. Sofern er eine passive Lösung ohne Beratung bevorzugt, wird darauf ebenfalls Rücksicht genommen. Dass sich die gute Resonanz auf den neuen Private-Banking-Ansatz noch nicht in steigenden Kommissionseinnahmen zeigt – diese sind im 1. Semester um 0,5% auf etwas weniger als 9.9 Mio. CHF zurück gegangen -, liegt an dem Performance-Fee-Modell, nachdem sich die Bank Linth von einem Teil ihrer Vermögensverwaltungskunden bezahlen lässt. Da erst am Jahresende abgerechnet wird, fehlen diese Einnahmen per Ende Juni in der Erfolgsrechnung.
Womit verdienen Banken künftig ihr Geld?
Insgesamt legte der Ertrag um 5,1% auf 50.2 Mio. CHF zu. Dank eines um 1,4% geringeren Geschäftsaufwands fielen der Geschäftserfolg (+ 2,3% auf 18.5 Mio. CHF) und auch der Halbjahresgewinn (+ 6,3% auf 12.9 Mio. CHF) besser als im Vorjahreszeitraum aus.
Obwohl die Bank der Zukunft am rechten Zürichseeufer und in der Ostschweiz langsam Formen annimmt, so bleiben viele Fragezeichen, ob der eingeschlagene Weg auch zum Erfolg führt. Für David Sarasin ist es wichtig, in den neuen Regionen Präsenz zu zeigen und Kunden für das Beratungsangebot der Bank Linth zu gewinnen. Dabei ist er sich auch bewusst, dass seine Bank in einigen Jahren nicht mehr alle Produkte selbst anbieten muss. Ähnlich wie beim Bancomaten in Meilen zieht er in Betracht, den Kunden Angebote anderer Player am Markt vorzuschlagen. «Wenn wir eine günstige Hypothek nicht selber anbieten können, so sollten wir dem Kunden eine Alternative aufzeigen, damit er sich rundum gut beraten fühlt». Die grosse Herausforderung für David Sarasin und auch alle anderen Retailbanken wird dabei die Fragen nach den Ertragsquellen sein. Vielleicht bleibt ihnen dann nichts anderes übrig, als Beratungsgebühren vom Kunden zu verlangen. Ähnlich wie es die wenigen verbliebenen Reisebüros getan haben. Am Ende könnte den Standort Meilen, in dem sich vorher übrigens ein Reisebüro befunden hat, die Vergangenheit wieder einholen.
Fazit
Auch wenn die Bank Linth eines der ersten Bankinstitute ist, das sich mit neuen Vertriebsformen beschäftigt hat, so ziehen mittlerweile viele andere Regional- und Kantonalbanken nach. Es entstehen neue Begegnungszentren, die mit der klassischen Bankfiliale nichts mehr zu tun haben. Der Kunde rückt wieder mehr in den Fokus. Und neue Technologien halten in den Banken Einzug. Doch viele dieser Fintech-Partnerschaften sind heute nur Marketing, ebenso wie die Beratungspunkte oder Begegnungszentren. Die Bank Linth räumt daher auch ein, dass die Investitionen in ihren neuen Standort in Meilen als Marketingausgaben zu betrachten sind. Auf die Kernfrage «Woher kommen in Zukunft die Erträge?» hat die Bank Linth – wie andere Retailbanken auch – noch keine Antwort gefunden. Die Situation erinnert ein wenig an die Medienindustrie, die bis heute auch noch nicht genau weiss, wie sie in ihrem Kerngeschäft Informationsvermittlung in Zukunft Geld verdienen kann. Medienhäuser wie Axel Springer oder auch Tamedia haben eine Antwort gefunden, indem sie in medienfremde Branchen und Marktplätze investiert haben. Vielleicht liegt auch hier die Zukunft der Geldhäuser: in Angeboten und Dienstleistungen, welche der Kunde im Zusammenhang mit den klassischen Bankdienstleistungen schon heute nutzt, wie beispielsweise Treuhandleistungen oder Rechtsberatungen.
Die Bank Linth hat den grossen Vorteil, dass sie neben Hauptaktionär LLB (74,2%) rund 10’500 Kleinaktionäre hat, die auch Kunden der Bank sind. Sie sorgen als Mitbesitzer des Finanzinstitutes auch künftig für Erträge und werden nicht so schnell die Bankbeziehung wechseln. Die Aktien der Bank Linth sind an der SIX Swiss Exchange kotiert. Zuletzt wurden 478 CHF für eine Aktie gezahlt. Sofern der Gewinn das Vorjahresergebnis wieder erreicht, liegt das KGV ungefähr bei 16. Die Dividendenrendite beträgt dann, eine gleichbleibende Ausschüttung von 9 CHF je Aktie vorausgesetzt, 1.9%. Andere Bankaktien rentieren deutlich besser. Für Anleger mit einem Bezug zu der Bank ist die Rendite im aktuellen Tiefzinsumfeld dennoch attraktiv.