Die Schweizer Regionalbanken bewegen sich aktuell in einem sehr schwierigen Marktumfeld. Negativzinsen für die von den Banken zur Erfüllung der regulatorischen Anforderungen zu haltenden liquiden Mittel belasten ebenso wie der anhaltende Druck auf die Zinsmargen. Ein Ende dieser Situation zeichnet sich auch weiterhin nicht ab. Weitere dunkle Wolken ziehen in Form der Konjunkturabschwächung auf. Auch wenn noch keine Auswirkungen auf das für die Regionalbanken wichtige Hypothekargeschäft zu beobachten sind, besteht hier ein latentes zusätzliches Risiko. Traditionsgemäss sind die Institute vor allem im Zinsdifferenzgeschäft tätig, während die übrigen Geschäftsfelder nur eine unwesentliche Rolle spielen.
Alpha Rheintal Bank als Sonderfall
Wir haben die Abschlüsse ausgewählter Regionalbanken für das erste Semester 2019 unter die Lupe genommen. Hierbei zu beachten ist, dass der Vergleich der Kennzahlen der Alpha Rheintal Bank (ARB) mit den jeweiligen Vorjahreswerten eine nur sehr beschränkte Aussagekraft aufweist. Die ARB hat im Verlauf des Jahres 2018 die Volksbank übernommen, was zu zahlreichen Sondereinflüssen führte. Mit einer Bilanzsumme von 2.4 Mrd. CHF gehört die ARB indessen zu den grossen Regionalbanken, weswegen wir dieses Haus mit in den Vergleich aufnehmen. Auch könnte die von der ARB durchgeführte Übernahme der Volksbank, über die wir unsere Leser in der Vergangenheit zeitnah unterrichteten, Signalwirkung für die gesamte Branche haben. So ist es möglich, dass die in den letzten Jahren nach dem Ende der Akquisitionsstrategie der Valiant Bank als beendet angesehene Konsolidierungstendenz bei den Regionalbanken wieder aufkeimt.
Per saldo verbuchte die ARB im ersten Semester 2019 ein Minus der Bilanzsumme von 1,2% bei einem Anstieg der Hypotheken um 2,9%. Stark überproportional legte der Zinserfolg auf der Stufe des Bruttowerts, d.h. des Erfolgs des Zinsdifferenzgeschäfts exklusive Wertkorrekturen, mit einem Plus von 8,8% zu.
Nachfrage nach Hypotheken hält an
Trotz oder gerade wegen der anhaltend tiefen Zinsen bleibt die Nachfrage nach Hypotheken auch weiterhin hoch. Dies zeigen die Zahlen der Entwicklung des Hypothekarvolumens der Regionalbanken auf. So lag das durchschnittliche Plus im ersten Halbjahr 2019 bei 2%. Das tiefste Wachstum verzeichnete die Hypothekarbank Lenzburg (Hypi) mit lediglich 0,6%. Dennoch fiel der Anstieg der Hypotheken mit 23.9 Mio. CHF in Franken beachtlich aus. Demgegenüber steht die Ersparniskasse Affoltern i.E. (EKA) mit einem Volumenzuwachs von lediglich 2.2 Mio. CHF. Auch bei der EKA fiel das prozentuale Plus mit 1,1% eher tief aus. Die Hypi mit einer Bilanzsumme von über 5.2 Mrd. CHF ist die grösste Regionalbank unseres Vergleichs, die EKA die kleinste.
Kennzahlen ausgewählter Regionalbanken
Wie ein Blick auf die ebenfalls eher kleinere Regionalbank Spar- und Leihkasse Riggisberg mit einer Bilanzsumme von 546.7 Mio. CHF und einem Plus der Hypotheken von 1,8% zeigt, ist die Grösse nicht das entscheidende Kriterium für die Höhe des Anstiegs. Tendenziell kann zwar festgehalten werden, dass die grösseren Häuser, zu denen auch die Regiobank Solothurn (RBSO) mit einer Bilanzsumme von über 2.8 Mrd. CHF zählt, ein eher tieferes Wachstum aufweisen. Massgeblich für den Anstieg der Volumina sind die Entwicklungen in den Geschäftsgebieten der jeweiligen Häuser gepaart mit dem Wettbewerb zwischen den verschiedenen Kreditgebern. So bleibt im Geschäftsgebiet der Hypi die Nachfrage nach Hypotheken infolge der regen Bautätigkeit hoch. Gleichzeitig ist aber der Wettbewerb zwischen den verschiedenen in der Region tätigen Banken sehr gross und wird oftmals zulasten der Konditionen oder des Risikos möglicher Zahlungsausfälle geführt. Die Hypi verzichtet daher bewusst auf stärkeres Wachstum und hält an den strengen Vergabekriterien fest.
Zinserfolg per saldo positiv
Auf den ersten Blick entwickelt sich der infolge der nicht berücksichtigten Wertkorrekturen deutlich aussagekräftigere Bruttozinserfolg mit einem durchschnittlichen Anstieg von 2,1% sogar marginal besser als das Volumen der Hypotheken. Ein näherer Blick auf die einzelnen Institute offenbart indessen deutliche Unterschiede der Entwicklung. An erster Stelle steht hier die Clientis Bank Oberaargau mit einem Plus von 4,7%, das einem deutlich tieferen Anstieg des Volumens der Hypotheken von 1,7% gegenübersteht. Erneut auf der Gewinnerseite findet sich die SB Saanen Bank, die weiterhin vom Ablaufen ungünstiger Althypothekarverträge profitiert, mit einem Plus von 3,5%. Auch die sehr kleine EKA kann sich hier mit +4% unter die erfolgreichen Häuser einreihen. Das Plus der RBSO von beachtlichen 3,1% bei einem Wachstum der Hypotheken von 2,1% zeigt auf, dass die Grösse einer Bank auch beim Zinserfolg nicht der entscheidende Faktor für dessen Entwicklung ist. Beim Zinsengeschäft finden sich allerdings auch Regionalbanken, die deutlich stärker unter der aktuellen Zinssituation leiden. Hierzu gehört die Bank SLM mit einem deutlichen Rückgang um 2,5% trotz eines Anstiegs der Hypotheken um 0,7%. Ebenfalls unter den Verlieren zu finden ist die Clientis EB Entlebucher Bank (EB) mit einer Abnahme des Zinserfolgs um 2,2%. Dies steht im klaren Gegensatz zum überproportionalen Plus der Hypotheken von 3,6%. Aber auch die Hypi musste sich dem Zinsmargendruck beugen und so einen um 1,2% tieferen Zinserfolg ausweisen.
Gesamteinkünfte legen zu
Die Regionalbanken konnten im ersten Semester mit Ausnahme der EB, die ein Minus von 3,6% verbuchte, allesamt einen Anstieg der Einkünfte verbuchen. An die Spitze setzen konnte sich hier die Saanen Bank mit +9,7%. Dieser hohe Anstieg ist allerdings durch Einmal- respektive Sondereffekte im Umfang von 0.4 Mio. CHF in der Form von Wertschriftenverkäufen und einer Sonderdividende der Entris Holding sowie positiven Veränderungen von Wertberichtigungen von 0.2 Mio. CHF beeinflusst worden. Bereinigt um diese Einflüsse beträgt das Plus allerdings nach wie vor ansehnliche 3,5%, was dem Anstieg des Zinserfolgs entspricht. Auch die Spar- und Leihkasse Riggisberg verbuchte einen starken Anstieg der Einnahmen um 9,6%, der allerdings auch durch Beteiligungserträge und tiefere negative Veränderungen von Wertberichtigungen geprägt war. Ähnlich präsentiert sich die Situation bei der Bernerlandbank (BLB) mit +5,4%.
Ein genauerer Blick in die Entwicklung der Einnahmen offenbart, dass die Regionalbanken im ersten Semester kaum von der starken positiven Entwicklung der Finanzmärkte, mit der Ausnahme einzelner Verkäufe von Wertschriften, profitieren konnten. Besonders auffällig ist dies bei der Acrevis Bank, die traditionsgemäss einen hohen Ertragsanteil aus dem Kommissionsgeschäft erzielt. Die Acrevis musste einen deutlichen Rückgang des Erfolgs aus dem Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft sowie aus dem Handelsgeschäft von je über 5% verbuchen, was zu einem bescheidenen Einnahmenplus von 1% führte. Ein Sonderfall stellt die RBSO dar, die infolge des Verkaufs der Beteiligung an der Sepiida Solutions AG deutlich tiefere Beteiligungserträge ausweist.
Geschäftserfolg steigt weiter an
Die wichtigste Kennzahl für die Ermittlung des Gewinns von Regionalbanken ist der Geschäftserfolg. Im Durchschnitt legten die von uns untersuchten Banken hier ein beachtliches Wachstum von 6,6% vor. Doch dieser positive Blick wird durch die erheblichen Rückgänge von 32,7% bei der Clientis Bank Oberuzwil (CBO) und bei der CEB mit einem Minus von 14,6% getrübt. Bei der EB geht ein Teil des Gewinnrückgangs auf das Konto von Aufwendungen anlässlich des 25-jährigen Jubiläums und des neuen Markenauftritts der Clientisbanken, die massgeblich für den Anstieg der Geschäftsaufwendungen um 5% sind. Eine wichtige Rolle spielt aber auch der grosse Zinsmargendruck, der die EB stark belastet. Auch bei der CBO schlugen sich die um 9% höheren Geschäftsaufwendungen negativ auf das Ergebnis nieder. Der Hauptgrund für das Gewinnminus sind allerdings die massiv erhöhten Wertberichtigungen, die zulasten der Erfolgsrechnung verbucht wurden.
Eine genau konträre Entwicklung mit erheblich tieferen Wertberichtigungen und tieferen Geschäftsaufwendungen liessen den Geschäftserfolg der BLB um über 80% anschwellen. Ein ebenfalls sehr ansehnliches Plus des Geschäftserfolgs von 15,6% konnte die SLM verbuchen. Möglich wurde dies trotz des tieferen Zinserfolgs dank höheren Einnahmen aus dem Kommissionsgeschäft und Beteiligungserträgen auf der einen und tieferen Geschäftsaufwendungen auf der anderen Seite. Ein sehr erfreuliches Ergebnis erzielte auch die EKA, die ausschliesslich aus dem ordentlichen Bankgeschäft ohne Sondereinflüsse eine Steigerung des Geschäftserfolgs um über 8% verzeichnete.
Fazit
Die Regionalbanken befinden sich aktuell in einem schwierigen Fahrwasser. Ein detaillierter Blick in die Kennzahlen offenbart eine heterogene Entwicklung der einzelnen Häuser. Als Achillessehne der gesamten Finanzbranche präsentiert sich wenig überraschend die anhaltende Tiefzinsphase, die zu einer deutlichen Erosion der Zinsmarge führt. Von den goldenen Zeiten mit einer Zinsmarge von 1,5% können sowohl die Finanzhäuser als auch deren Aktionäre nur noch träumen. Allerdings ist es einigen Banken dennoch gelungen, den Erfolg aus dem Zinsgeschäft überproportional gegenüber dem Plus der Hypotheken zu steigern, was auf einen Anstieg der Zinsmarge hindeutet. Indessen ist diese Aussage mit Vorsicht zu geniessen, da neben dem Hypothekargeschäft auch weitere Faktoren wie etwa unbesicherte Kredite, die insbesondere an Firmen vergeben werden, den Zinserfolg beeinflussen.
Auf der Einnahmenseite versuchen die Banken, durch den Ausbau des zinsindifferenten Geschäfts oder auch des digitalen Angebots mit Serviceleistungen für Kunden, wie dies die Hypi seit mehreren Jahren erfolgreich durchführt, Mehrerträge zu generieren. Auf der Kostenseite schlagen sich die höheren regulatorischen Anforderungen, Negativzinsen für zu haltende liquide Mittel und auch Aufwendungen in neue Angebote negativ nieder.
Zumindest mittel- bis langfristig könnten allfällige Wertberichtigungen auf Kredite zu einer Belastung für die Regionalbanken werden. Dies gilt insbesondere für den Fall einer Akzentuierung der sich aktuell abzeichnenden Abschwächung der Konjunktur. Es ist zwar davon auszugehen, dass das Gros der privaten Schuldner der Banken ihren Verpflichtungen nicht zuletzt dank der tiefen Zinsen auch im Falle einer Arbeitslosigkeit weiterhin nachkommen wird. Differenzierter stellt sich die Lage bei den Geschäftskrediten dar, die möglicherweise nicht mehr vollständig bedient werden können. Dank der gut dotierten Rückstellungen dürften die Banken zwar allfällige Wertberichtigungen oder gar Abschreibungen von Forderungen ohne substanzielle Probleme überstehen. Dennoch geht dies auf jeden Fall zulasten der Substanz.
Die Entwicklung der Zahlen zeigt auf, dass sich die Banken per saldo weiterhin gut entwickeln, während einzelne Häuser mit einer deutlichen Abschwächung der Zahlen kämpfen. Für die Anleger bedeutet dies, ein sehr wachsames Auge auf die Aktien «ihrer» Bank zu haben. Institute mit im Verhältnis zu den Ausleihungen tiefen Reserven sollten ebenso wie solche mit einer anhaltenden Erosion des Zinserfolgs von vorsichtig agierenden Anlegern gemieden werden. Risikobereite Investoren können diese Papiere hingegen mit einem deutlichen Abschlag zum Buchwert in ihr Portfolio aufnehmen. Grössere Engagements in Regionalbanken-Aktien sind im aktuellen Umfeld nicht zu empfehlen. Als Depotbeimischung eignen sich jedoch die Titel der erfolgreich agierenden Häuser insbesondere wegen der zahlreichen Vergünstigungen für ihre Aktionäre in der Form von speziellen Konti, höheren Zinsen oder Veranstaltungsbesuchen.