Die Ergebnisse der nationalen Wahlen vom 20. Oktober zeigen auch in der Schweiz, dass das Thema Nachhaltigkeit für immer grössere Teile der Bevölkerung wichtig geworden ist. In den Medien wird die Wahl gerne als «Klimawahl» und «Frauenwahl» bezeichnet. Doch gerade der Hinweis auf die Klimathematik und den vielfach bemühten «Greta-Effekt» greift etwas zu kurz. Denn die Wahl ist auch ein Zeichen, dass gerade die jüngeren Schweizerinnen und Schweizer nicht mehr auf den eingetretenen Pfaden der älteren Generation entlangtrampeln wollen, sondern neue Wege gehen möchten. Wege, die auch der jungen Generation eine lebenswerte Zukunft sichert. Für viele Politiker, die es sich in Bern gemütlich eingerichtet hatten, kommt dies überraschend. Doch ein Blick in die Finanzwelt, die in der Regel grosse Trends und Umbrüche frühzeitig antizipiert, zeigt, dass dies gar nicht so überraschend ist.
Nachhaltige Finanzanlagen legen seit Jahren kräftig zu
Denn dass «Nachhaltigkeit» beim Investieren längst nicht mehr von einer grünen Minderheit als wichtig erachtet wird, zeigen verschiedene nationale und internationale Untersuchungen. Allein 2018 haben die nachhaltigen Finanzanlagen in der Schweiz laut FNG (Forum Nachhaltige Geldanlagen) um 72% auf über 230 Mrd. Euro zugenommen. 18,3% der Anlagegelder sind demnach nach strikten ESG-Kriterien ((Environment=Umwelt, Social=Soziales, Governance) investiert. Darüber haben wir auch schon in unserer Serie Schweizer Sustainability Leaders berichtet. Es handelt sich beim Thema Nachhaltigkeit und Verantwortung im Investment auch immer weniger um einen rein idealistischen Ansatz, sondern mehr und mehr um die Erfüllung von Anlage-Kriterien, die nun sowohl von Hauptaktionären als auch gesetzlich gefordert werden. So macht es der EU-Aktionsplan von 2018 Unternehmen im Bereich der nachhaltigen Kapitalanlagen zur Pflicht, ESG-relevante Informationen für Anleger abrufbereit zur Verfügung zu stellen. In der Schweiz sind die grossen Unternehmen nun vom Gesetzgeber in die Pflicht genommen worden, die Ungleichheit in der Bezahlung von Männern und Frauen zu prüfen und zu ändern. Die Kluft zum Nachteil der Frauen beträgt rund 20%, darauf hatten im Juni 2019 schweizweite „Frauenstreiks“ hingewiesen.
Institutionelle und private Investoren fordern mehr Transparenz
Da immer mehr institutionelle und private Investoren Transparenz bezüglich der relevanten ESG-Informationen von den Unternehmen fordern, sind diese zunehmend bereit, darüber in ihren Nachhaltigkeitsberichten zu rapportieren. Allerdings gibt es noch grosse Unterschiede in der Tiefe und Breite der den Investoren zur Verfügung gestellten Informationen. Dabei hat sich das Berichtswesen von vielen der wichtigen Unternehmen gerade in den letzten Jahren substanziell verbessert. Der Grund ist einfach: Wer relativ gute ESG-Noten bekommt, hat die besten Chancen, sich attraktiv für die nachhaltigen Anlagegelder darzustellen und Kapital zu mobilisieren. Das verringert die Eigenkapitalkosten, erleichtert die Kapitalaufnahme und verbessert die Wachstumsperspektiven.
Zwei «Sustainability Leader» wurde seit 2017 übernommen
Bereits im Jahr 2017 hat Zern & Partner im Auftrag der BEKB eine erste Studie veröffentlicht, die sich mit Nachhaltigem Investieren beschäftigte und ihren Fokus auf die OTC-X gehandelten Gesellschaften richtete. Seit der Publikation dieser ersten Sustainability-Studie haben sowohl die Probleme des Planeten als auch die Initiativen zu seiner Rettung beschleunigt zugenommen. Auch wenn die Aktien-Performance der damals als «Sustainabilty Leaders» bezeichneten Unternehmen nicht in allen Fällen überzeugt (siehe Tabelle), so ist auffällig, dass zwei von den neun «Sustainability Leaders» auf OTC-X aus der Vorgängerstudie 2017, Thurella und Biella, jeweils mit einer Prämie übernommen worden sind. Insbesondere bei Thurella war der Einstieg von Orior in den Bio-Getränkemarkt mit der Marke Biotta ein ausschlaggebendes Kaufargument.
«Sustainability Leaders» auf OTC-X
Auch für die jüngst publizierte Studie hat Zern & Partner wieder neun «Sustainability Leaders» aus dem 280 Firmen umfassenden Universum ausgewählt. Angesichts der geringen Transparenz in diesem Markt und einer teilweise sehr dürftigen Berichterstattung zu ESG-Themen ist die Auswahl sehr aufwendig und erhebt auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vorbild in puncto ESG-Berichterstattung ist die Naturkosmetik-Firma Weleda. Bei allen anderen Firmen finden sich die Informationen zu Nachhaltigkeitsthemen zwischen den Zeilen. Erfreulich ist jedoch, dass die acht portraitierten Firmen Bad Schinznach AG, Brunni-Bahnen, Espace Real Estate, Griesser, Patiswiss, Thermalbad Zurzach, Raurica Wald, Sunstar und Weleda ihre Geschäftstätigkeit aus eigenem Antrieb heraus nachhaltiger gestaltet haben.
Anreize liegen in der Effizienz
Die Anreize liegen aber meistens in der Effizienz: so zahlen sich die energetische Sanierung und der Einsatz von Solar-Eigenverbrauchsgemeinschaften für die Aktionäre der Espace Real Estate AG mittelfristig durch eine höhere Rendite aus. Auch bei den zwei Thermalbädern Bad Schinznach AG und Thermalbad Zurzach konnte u.a. durch innovative Konzepte in der Wärmeversorgung der Energieverbrauch erheblich gesenkt werden. Auf Heizöl wird ganz verzichtet. Die Brunni Bahnen in Engelberg sind heute die erste und einzige Bergbahn in der Schweiz, die klimaneutral arbeitet. Und bei der Hotelgruppe Sunstar ist Nachhaltigkeit schon seit Jahren in den Unternehmenszielen fest verankert, was sich u.a. durch Klimaneutralität, den Verbrauch regionaler Produkte und eine transparente Governance zeigt.
Ziel der Studie ist es, nicht nur den Anlegern aufzuzeigen, welche Nachhaltige Investmentmöglichkeiten es auf dem OTC-X-Tableau gibt. Sie soll auch weitere Unternehmen motivieren, ihre Geschäftstätigkeit zu analysieren und die Prozesse an Nachhaltige Zielsetzungen anzupassen. Gerade für Familienbetriebe mit einer langen Tradition dürfte dies ein Muss sein, wenn sie auch langfristig weiter erfolgreich wirtschaften wollen.
Hier können Sie die gesamte Studie herunterladen.