Grün, jung, Frau sollte man in unserer heutigen Gesellschaft sein – postuliert der Leiter des Immobilienberatungsunternehmens IAZI. Donato Scognamiglio, Mann, 50 und – nach eigenem Bekenntnis – kein Grüner spitzt gern zu, wenn er deutlich machen will, auf was sich die Entscheidungsträger und Akteure auf dem hiesigen Immobilienmarkt in den nächsten Jahren einzustellen haben. Allerdings macht dies Scognamiglio auch stets mit einem Augenzwinkern, denn klar ist, dass man für nichts so wenig kann wie für sein Alter und Geschlecht.
Referenzzinssatz wird 2020 weiter sinken
Das IAZI rechnet mit einer weiteren Senkung des Referenzzinssates im 2. Quartal 2020. Das ergebe Mietsenkungspotenzial. „Die jüngsten Preisentwicklungen im Wohneigentum deuten darauf hin, dass wir im nächsten Jahr einen ausgeprägten Mietermarkt erleben werden“, so Scognamiglio. Hingegen würden die Mieten teurer, falls die höheren CO2-Abgaben aus dem revidierten CO2-Gesetz überwälzt würden.
Höhere Mieten und Wertverlust bei Eigenheimen durch Erhöhung der CO2-Abgabe
Der Schweizer Gebäudepark stehe an zweiter Stelle der Treibhausgasemittenten, das heisst nach dem Verkehr und noch vor der Industrie, und trägt mit etwa einem Viertel zum gesamten CO2-Ausstoss bei.
Nach den jüngsten Wahlsiegen der grünen Parteien im National- und Ständerat („grün sollte man sein“) rechnet das IAZI damit, dass die bevorstehende Revision des CO2-Gesetzes nun zügig beraten wird. Das revidierte Gesetz verpflichtet die Schweiz, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um 50% gegenüber 1990 zu senken. Beim Bau von Mehrfamilienhäusern ab 2006 hätten sich bereits umweltfreundlichere Lösungen für die Beheizung durch Wärmepumpen, Holz oder Fernwärme klar durchgesetzt, schreibt das IAZI. Damit konnten im Bereich Gebäude zwischen 1990 und 2017 26% Einsparungen von CO2-Emissionen erzielt werden.
Mit einer Erhöhung der CO2-Abgabe von derzeit 96 CHF pro Tonne auf bis zu 210 CHF pro Tonne würden für die Hauseigentümer und Mieter Mehrkosten von etwa 1.4 Mrd. CHF pro Jahr entstehen. Für Eigenheimbesitzer bedeute dies einen Wertverlust von bis zu 3% je nach Kanton, für Mieter Mietpreiserhöhungen von 1,3% z.B. in Basel und Genf sowie bis zu 4,4% im Kanton Tessin, so das IAZI.
Nachfrage nach Einfamilienhäusern wird sinken
Auch wenn die Preise für Renditeliegenschaften weiter steigen, 2019 um 5%, so ist die Preisentwicklung beim Wohneigentum im gleichen Zeitraum mit 1% deutlich moderater. Die Angebotsmieten gingen gar in 60% der Schweizer Bezirke im letzten Jahr zurück, durchschnittlich um 0,8%.
Der Leerstand lag mit 75’000 Einheiten 2019 so hoch wie noch nie, wobei mehrheitlich Mietwohnungen in Altbauten davon betroffen sind.
Anhand der Bevölkerungspyramide („jung sollte man sein“ oder eben doch nicht?) prophezeit Scognamiglio einen Rückgang der Preisentwicklung für Wohneigentum. In Japan stieg der Anteil der Rentner an der Gesamtbevölkerung zwischen 2000 und 2019 von 17% auf 29%, in der gleichen Zeitspanne gingen die Preise für Wohneigentum um 33% zurück.
Analogien sieht Scognamiglio in der Schweiz von heute bis 2050. Der Anteil der Rentner in der Schweiz beträgt 2019 19%, 2050 werden es 28% sein. Damit sinke die Nachfrage nach Einfamilienhäusern, denn es würden verstärkt Wohnungen in den Städten und Agglomerationen mit sozialer Anbindung gesucht. Allerdings muss Scognamiglio einräumen, dass dies spekulativ ist, denn Japan ist mit seiner isolierten Lage in einer ganz anderen Situation als das mitten in Europa liegende Einwanderungsland Schweiz.
Volk entscheidet über Wohnraumförderung
Voraussichtlich am 9. Februar 2020 wird in der Schweiz über die eidgenössische Volksinitiative „Mehr bezahlbare Wohnungen“ des Schweizer Mieterinnen- und Mieterverbands abgestimmt. Mindestens 10% der neu gebauten Wohnungen sollen demnach im Eigentum von Trägern und Organisationen des gemeinnützigen Wohnungsbaus sein. Heute beträgt dieser Anteil ca. 4%. Da die Schweiz mit 60% einen im internationalen Vergleich überdurchschnittlichen Mieteranteil hat, gehen die Experten um Simon Hurst vom IAZI davon aus, dass die Initiative von Volk und Ständen angenommen wird. Was das für den Schweizer Markt bedeuten würde, erläutert Hurst: „Der Einfluss der Initiative auf den Immobilienmarkt hängt im Fall einer Annahme stark von der Umsetzung ab. Die geforderte landesweite Quote von 10% preisgünstigem Wohnraum wäre jedoch nur unter erheblicher Marktverzerrung zu erreichen.“