Sustainable Investment: Chancen und Risiken durch Umbrüche in der Verpackungsindustrie

Konsumenten und Gesetzgeber verlangen Lösungen von Handel und Produktion

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Lange ignoriert, ist der Verpackungsmüll auf der öffentlichen Agenda zuletzt plötzlich ganz nach oben gerückt. Die Konsumenten protestieren, die Gesetzgeber wollen recyclingfähige Lösungen. Unverpackt-Läden sind ein neuer Trend. Die Verschmutzungsprobleme sind akut und mobilisieren die Bürger rund um den Globus. Wie reagieren Handel und Industrie? Was sagt die Börse als Antizipationsmechanismus?

19 Mrd. USD beträgt allein der Jahresumsatz der „bottled water“-Industrie – und fast alles kommt in Plastikflaschen auf den durstigen Weltmarkt. Plastikflaschen allein stellen schon einen hohen Prozentsatz des Plastikmülls, der in Ozeanen treibt, illegal verbrannt wird oder in illegalen Deponien verrottet – für die nächsten 500 Jahre! Aus Plastik wird Micro-Plastik – und das ist längst in die Nahrungskette vorgedrungen, ist im Trinkwasser und in der Atemluft.

Plastikverpackung wird zum Politikum

Während Wissenschaftler und Ärzte die Alarmglocke zunehmend stärker läuten und auch die Gesetzgeber das ganze Ausmass der Problematik erkennen und nun zu bekämpfen suchen, plant die petrochemische Industrie weitere Produktionssteigerungen – als Kompensation für die absehbare Abschwächung der Ölnachfrage. Nur eine Seite kann sich durchsetzen. Geht man der Vernunft folgend davon aus, dass die Gesundheit und der Wille der Bevölkerung mehr Gewicht haben als die Interessen der Petrochemie, dürfte der weitere Trend klar vorgezeichnet sein.

Nestlé, Danone & Co. suchen Lösungen

Dies hat auch Implikationen für die Verpackungsindustrie. Klare Gewinner der Anti-Plastik Kurskorrektur sind Aluminium und Glas als Verpackungsmaterial. Viele grosse Hersteller von Getränken stellen teil- und schrittweise von Plastikflaschen auf Alu-Dosen um, vor allem im Bereich Wasser, aber auch bei Bier und sogar Wein. Nestlé beispielsweise vermarktet San Pellegrino flavored Water und Perrier Juice seit diesem Jahr in Dosen. Danone, weltweit Nr. 2 im Wassergeschäft, und Coca-Cola haben ebenfalls angefangen, vereinzelt Markenwasser in Dosen abzufüllen. Dass es ein Trend ist, zeigt sich darin, dass mehrere Start-ups wie die britische CanO Water ganz auf Dosen setzen.

Pros and Cons

Die Öko-Bilanz ist vielschichtig. In der Herstellung ist Aluminium besonders energieintensiv. Doch können Dosen wieder und wieder mit geringem Aufwand recycelt werden. Weiterhin sind Dosen raumsparend im Transport und senken so den damit verbundenen Ausstoss von Treibhausgasen. Dennoch ist der sogenannte Carbon Footprint insgesamt etwa doppelt so hoch wie bei Plastikflaschen. Alu-Dosen werden global zu fast 70% recycelt, und ähnlich hoch liegt auch der Anteil von Recyclingmaterial bei neuen Dosen. PET-Flaschen werden nur zu etwa 55% gesammelt, wovon jedoch bisher 80% auf Deponien enden. Der wesentliche Unterschied ist die Verschmutzung und Vergiftung nach der meist einmaligen Nutzung, die bei Aluminium weitgehend entfällt.

Dosenhersteller Ball im Höhenflug

Aluminium ist daher bestenfalls eine weniger schlechte Lösung, aber eben doch besser als PET. Zu erwarten ist, dass Alu-Dosen ein relatives Comeback als Getränkeverpackung erleben werden. Das zeigt sich auch bei der Aktie von Ball, dem in den USA börsenkotierten Hersteller von Dosen für die Getränkeindustrie. Die Umsätze stiegen während der letzten Jahre um rund 15% durchschnittlich. Die Aktie verdoppelte sich seit Sommer 2018 auf über 80 USD und liegt derzeit bei 66 USD. Allerdings ist der Aluminiummarkt nicht gerade superelastisch. Eine nachhaltig stärkere Nachfrage aus der Getränkeindustrie würde schnell zu Preissteigerungen führen.

Kursverlauf der Ball-Aktie im letzten Jahr in USD.

Comeback von Glas

Bei Glas als Verpackungsmaterial liegen die zahlreichen Vorteile klar vor Augen. Obwohl energieintensiv in der Herstellung, sind Glasbehälter wieder und wieder verwendbar. Am Ende des Lebenszyklus kann es zu 100% wiederverwendet werden. Bis weit in die 1960er Jahre hinein war Glas das vorherrschende und oft einzige Verpackungsmaterial für Wasser, Milch, Joghurt, Fruchtsäfte, Wein und Bier. Bis heute ist Glas ein Qualitätsmerkmal der so verpackten Produkte geblieben. Höherpreisige Artikel sind stets in Glas verpackt, ebenso Babynahrung. Und was jetzt als Recycling-Massnahme heiss diskutiert wird, war schon vor der erfolgreichen Lobbyarbeit der petrochemischen Industrie vor einem halben Jahrhundert etablierter Standard – ein geschlossener Pfand- und Wiederverwertungskreislauf!

Bucher-Tochter Emhart Glass mit 40% Weltmarktanteil

Die Schweizer sind die emsigsten Recycler in Europa. Laut einer von Emhart Glass in 11 europäischen Ländern durchgeführten Studie recyclieren 93% der Schweizer das von ihnen verwendete Glas. Es folgen Italien mit 91% und Deutschland mit 89%, Frankreich kommt nur auf 74%. Emhart Glass ist eine Tochter der börsenkotierten Bucher Industries und stellt Maschinen und Anlagen zur Produktion und Inspektion von Glasbehältern her. Was nicht jeder weiss: Deren Weltmarktanteil liegt bei ca. 40%. Damit zeigt der Geschäftsgang bei dem dominierenden Hersteller von Investitionsgütern in der Glasflaschenproduktion sehr gut die Konjunktur der ganzen Branche an. 2018 stieg der Umsatz von Emhart Glass um 17,1% auf 446.5 Mio. CHF, der Auftragsbestand nahm sogar um 33,1% zu. Das EBIT kletterte gar um 78,6% auf 45 Mio. CHF, eine EBIT-Marge von 10,1%! Im ersten Halbjahr 2019 beschleunigte sich der Nachfrageboom. Der Auftragseingang nahm um 24,7% zu, der Umsatz um 18,9%. Im Ausblick werden weitere Nachfragesteigerungen erwartet.

Kennzahlen Bucher Emhart Glass. Quelle: bucherindustries.com

Investitionsoffensive und Rekordhoch bei Vidrala

Das deckt sich mit den Investitionsplanungen bei den grossen Produzenten von Glasbehältern. So meldete der spanische Flaschenhersteller Vidrala Mitte des Jahres 500 Mio. Euro an Investitionen über die kommenden fünf Jahre. Durch zahlreiche Akquisitionen hält Vidrala mittlerweile einen Marktanteil in Europa von 15%. Im laufenden Jahr wird erstmals die 1-Mrd.-Euro-Hürde beim Jahresumsatz genommen. Die Nettogewinnmarge ist mit nahe 13% ausserordentlich hoch. Die Aktie hat kürzlich ein neues historisches Hoch erreicht. Die Industrie war in den letzten Jahrzehnten während des ungebremsten Siegeszugs von Plastik in einer Schrumpfungs- und Konsolidierungsphase, aus der nun die Überlebenden als Gewinner hervorgehen. Die Markteintrittsbarrieren sind hoch, da die Glasherstellung energie- und kapitalintensiv ist und darüber hinaus auch eine spezielle Expertise benötigt.

Kursverlauf der Vidrala-Aktie im zurückliegenden Jahr in EUR.

Vetropack auf neuem Kurshoch

Ein ähnlich positives Bild zeigt die Schweizer Vetropack. Der Aktienkurs hat das historische Hoch aus 2008 dieses Jahr erstmals überstiegen und mit 3’095 CHF eine neue Höchstmarke gesetzt. Die Aktienkursentwicklung findet Bestätigung in der hervorragenden Geschäftsentwicklung. Nach einem erfreulichen Jahr 2018 setzte sich die Wachstumsdynamik ungebrochen fort. Im ersten Halbjahr 2019 stieg der Umsatz währungsbereinigt um 5,8% auf 361.2 Mio. CHF, das EBIT nahm überproportional um 19,2% auf 48.4 Mio. CHF zu. Der Konzerngewinn lag um 27,3% höher bei 38.2 Mio. CHF. Auch der Ausblick bleibt positiv, weswegen die Kapazitäten erweitert werden. Vetropack ist nachhaltig ausgerichtet und veröffentlicht regelmässig einen ausführlichen Nachhaltigkeitsbericht. In der Glasproduktion wird zu 60% Altglas verwendet, beim spanischen Konkurrenten Vidrala sind es erst 51%.

Kurs der an der SIX gehandelten Vetropack-Aktie seit Anfang 2005. Quelle: six-group.com

Eine weitere interessante Aktie im Universum der Schweizer Verpackungsspezialisten ist SIG Combibloc seit dem Börsengang 2018. Die Lösung für die Verpackungsproblematik besteht hier in 100% recyclingfähigen Materialien, die aus Recyclingmaterialien gefertigt sind. Mehr zu SIG Combibloc findet sich hier.

Im Bereich der Verpackungen von Nahrungsmitteln wird rege nach Alternativen geforscht. Nestlé hat ein eigenes Institut gegründet. Die Konsumenten wollen biologisch abbaubare und umweltverträgliche Verpackungsmaterialien – ohne endokrine Disruptoren! Und auch weniger Verpackung! Hersteller wie der Börsendebütant Aluflexpack sind gefordert. Weniger Änderung, zumindest kurzfristig, dürfte es im Bereich der oft aufwendigen Pharmaverpackungen geben, da hier die Einhaltung von Hygienevorschriften in der Humanmedizin im Vordergrund steht.

Fazit

Die Akzeptanz der Konsumenten für Plastikverpackungen nimmt rapide ab. Zumindest Vermeidung lautet das Motto. Wegen der gesundheitlichen Gefahren und der Verschmutzung der Umwelt sind Alternativen gefragt. Während Aluminium eigene Probleme mit sich bringt, ist es doch Plastik überlegen und wird deshalb weiterhin eine relative Wiederentdeckung erleben. Die bessere Lösung ist jedoch Glas. Die begrenzte Anzahl an wettbewerbsfähigen Produzenten steht einer wohl langfristig stark wachsenden Nachfrage gegenüber, was einerseits hohe Investitionen in neue Fertigungsanlagen der Bucher-Tochter Emhart Glass begründet und andererseits nachhaltige Wachstumsraten bei hohen Gewinnmargen für die profitablen Flaschenproduzenten wie Vetropack und Vidrala. Deren geschätztes KGV 2020 dürfte trotz der Kurssteigerungen jeweils um die 15 liegen – nicht zu viel. Auch SIG-Combibloc erscheint angesichts der forschen Wachstumsraten attraktiv.

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