Als die erste Macro Perspective unter dem Titel „Unbeabsichtigte Konsequenzen“ im Dezember 2014 erschien, war die Welt für viele Anleger noch in Ordnung. Trotz aller Krisen und Kriege schien doch der allgemeine Rahmen für Investments noch zu stimmen. Die freie und demokratische Welt hatte immer noch das Sagen – und die Grundlagen wie wichtige Bündnisse zu Freihandel, internationalem Recht und Verteidigung schienen intakt.
Vor allem aber hatten die Notenbanken in einer konzertierten Aktion weltweit die Zinsen gesenkt und durch Anleihekaufprogramme die Wertpapiermärkte beflügelt. Die Ukraine-Krise und die Folgen der von den USA von Europa geforderten Sanktionspolitik gegen Russland zeichnete sich in ihren Auswirkungen erst vage ab. Auch eine Wachstumsabschwächung in China auf 7% in 2014 und noch tiefer danach blieb zu diesem Zeitpunkt lediglich die Ansicht einer Minderheit.
Hegemonialbestrebungen der Supermächte
Dass die Energieversorgung Europas durch Russland über die diversen Pipelines auch fünf Jahre später noch ein Politikum sein würde, zeichnete sich nicht ab. Diese Themen, ebenso wie die demografische Entwicklung in Europa, die zu einer Japanifizierung – Bevölkerungsschwund und deflatorische Nachfrageschwäche – führt, waren Punkte, die in der ersten Macro Perspective thematisiert worden waren und in den Folgejahren zumeist weiterverfolgt wurden. Die meisten der Prognosen für 2015 sollten sich als zutreffend erweisen, darunter eine weiterhin schwache Ölpreisentwicklung, die Zunahme der Spannungen zwischen den USA und Russland, das Paktieren Russlands mit China, Türkei und weiteren Länder sowie die EU-Desintegration durch eine Polarisierungstendenz.
Befreiungsschlag der SNB
Die Ungleichgewichte sollten sich abgesehen von dem Ölpreisrutsch mit seinen weitreichenden Auswirkungen auf Desinflation in den Importländern und Inflation in den Produzentenländern am 15. Januar 2015 auch auf die Schweiz auswirken. Die SNB hatte das jahrelang gültige Preisband zum Euro letztendlich unter dem Druck der zufliessenden Kapitalströme aufgegeben. Der Franken schoss in die Höhe. Der Euro hatte im Vorjahr bereits um 14% gegen den USD verloren, der USD in den vier Vorjahren um 40% gegen einen repräsentativen Währungsbasket aufgewertet. Anfang 2015 waren EZB und SNB besorgt, dass die deflatorischen Kräfte die Überhand gewinnen könnten. In der Macro Perspective vom Februar 2015 – „Die Schweiz in der globalen Deflationsfalle“ – wurden viele der Faktoren ermittelt, die die Geschehnisse der folgenden Zeit prägen sollten. Die Bilanzsumme der SNB war bereits von 80 Mrd. CHF in 2011 auf 400 Mrd. CHF angestiegen – und sollte bis heute auf 850 Mrd. CHF weitersteigen. Folgen sind u.a. die negative Verzinsung von Staatsanleihen, die Höhenflüge bei Immobilienpreisen und die Hausse an den Aktienmärkten. Die SNB hatte zeitweise Euro-Emissionen grossenteils aufgekauft und ist zwischenzeitlich durch Aktienkäufe vor allem in den USA weltweit auf Rang acht der Asset Manager gerückt. Die Schattenseite bleibt, dass die Assets auch im Preis fallen können, die Verbindlichkeiten jedoch bestehen bleiben!
Verwerfungen bei Devisen und Bonds
Die Verwerfungen an den Devisenmärkten warfen Anfang 2015 lange Schatten voraus. Die Verschuldung in USD der Emerging Markets hatte seit 2000 von 2 Bio. USD auf 9 Bio. USD explosionsartig zugenommen. Vor dem Hintergrund der aussergewöhnlichen Dollarstärke der Vorjahre waren damit die Weichen für die nachfolgenden Währungskrisen wie in Argentinien und der Türkei bereits gestellt. Zugleich fand ein Abwertungswettlauf statt, eine Art exportierte Deflation. Gold war in diesem Umfeld ein relativ sicheres Anlagemedium und wurde bei Preisen unter 1’200 USD je Feinunze in der Macro Perspective vom März 2015 hervorgehoben. Das Argument für Gold, kein Gegenparteirisiko, gilt heute mehr denn je. Alles Gold der Welt, etwa 190’000 Tonnen oder 6.1 Mrd. Feinunzen, repräsentiert nur 8.5 Bio. USD. Das ist lächerlich wenig im Verhältnis zu den annähernd 190 Bio. USD Welt-Gesamtverschuldung, wovon bestimmt weniger als die Hälfte je zurückgezahlt werden wird.
Die Neue Seidenstrasse
Zu der Neu-Ordnung der Welt trägt in entscheidendem Ausmass China bei. In der Macro Perspective „Neue Seidenstrasse“ vom April 2015 werden die Hintergründe für das gewaltige Infrastrukturprogramm unter Führung von China mit den Partnern in der Region, die in der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) vereinigt sind, und den BRICS beleuchtet. Die New Development Bank und die Asian Infrastructure Investment Bank finanzieren die Vorhaben, die fünf Jahre später auch viele Ergebnisse vorweisen können. Das Ganze folgt der im November 2013 vom Kommunistischen Parteitag in China beschlossenen Strategieänderung.
EZB startet massives QE-Programm
Im Juni 2015 beschäftigt sich die Macro Perspective mit dem Start der Anleihekaufprogramme durch die EZB im Volumen von 50 Mrd. Euro pro Monat und der davon ausgelösten Trendwende an den Finanzmärkten. Vielfach befeuert die EZB indirekt die Liquiditätshaussen in anderen Teilen der Welt, nicht zuletzt in den USA. Der Euro dreht bei 1.04 USD, Öl hat fürs Erste bei 46 USD das Tief gesehen.
Krise der Banken
Im Juli 2015 werden internationale Grossbanken, namentlich HSBC und Deutsche Bank, unter die Lupe genommen. Margenkontraktion, absehbare Strafzahlungen bei den zahlreichen Prozessen und die beginnende Offensive digitaler Konkurrenten sind Gegenstand der Betrachtung. Nach tiefem Sturz steht die Deutsche-Bank-Aktie immerhin noch bei 26 Euro. Kurs heute: 7 Euro. Das Bankenthema wurde nochmals im Juni 2018 aufgenommen.
Zerreissproben der EU
Es folgte eine Analyse der EU und der teilweisen Fehlkonstruktion, die infolge von Verletzung der Maastricht-Kriterien durch die Kernländer Frankreich und Deutschland und der Osterweiterung selbst die Weichen für die folgende Polarisierung stellte. Weiterer Kohäsionsverlust und Dysfunktionalität lautete die Prognose.
Im August hatte der globale Leitindex Dow-Jones ein Death Cross geformt. In der Macro Perspective wurde die Hegemonialpolitik der USA untersucht und wie sich die USA und Frankreich in Afrika und seinen vielfältigen Konflikten positionieren. Schon zu diesem Zeitpunkt war auch der türkische Präsident Erdogan und seine Rolle im Syrienkrieg ein Punkt.
Stranded Assets
Der Klimawandel war bis zu diesem Zeitpunkt vom Börsengeschehen weitgehend ausgeblendet geblieben. Doch Mark Carney, Chef der Bank of England, hörte nicht auf, über die „Stranded Assets“, d.h. fossile Energieträger, zu sprechen. Die Macro Perspective vom Oktober 2015 nimmt den „Klimawandel und die Asset Mis-Allocation“ ins Visier und formuliert darauf basierend 12 Prognosen für den Zeitraum 2016 bis 2020. Auch wenn sich nicht alle bewahrheitet haben, so ging doch die Mehrzahl in die richtige Richtung.
Klimawandel erreicht Börse
Der beschleunigte Klimawandel und die weitreichenden Auswirkungen, sei es die Gletscherschmelze und der Anstieg des Meeresspiegel, die unkontrollierten Brände auf sechs Kontinenten oder die Verschmutzung von Ozeanen, Luft und Landmasse sind seit 2015 zunehmend in die Wahrnehmung von Bürgern, Politikern und auch Investoren gedrungen. Der entscheidende Trigger war aber die von Greta gestartete Fridays-for-Future-Bewegung, die inzwischen rund um den Erdball aktiv ist. Die Politiker kommen wegen ihrer Inaktivität in den dringlichsten Fragen zunehmend unter Druck! Grund genug, sich mit dem Phänomen Greta und dem zugrundeliegenden Generationenkonflikt gründlich in der Macro Perspective im März 2019 auseinanderzusetzen.
Abrupter und disruptiver Politikwechsel
Dass das Thema auch in voller Breite bei den institutionellen Anlegern angekommen ist, zeigt die Macro Perspective vom September 2019. „Inevitable Policy Response“ nennen 2’600 Investoren, meist grosse Kapitalsammelstellen, was ihrer Ansicht nach zu einer „abrupten und disruptiven“ Änderung der Politik bis 2025 führen wird.
Panama Papers
Das Jahr 2016 brachte weitere Entwicklungen mit sich, die seitdem die Welt beschäftigen. Im April waren die „Panama Papers“ mit all ihren Implikationen das Thema. Während der Premier von Island und viele weitere Politiker nur ihre Rolle verloren, wurde deshalb der ehemalige pakistanische Premier Musharraf zum Tode verurteilt. Dass der USD, Gold und Kunstwerke als Konsequenz weiter an Beliebtheit gewinnen würden, war eine Schlussfolgerung.
Brexit-Vote, Türkeiputsch und Trump-Wahl
Dann kam es Schlag auf Schlag. Im Juli 2016 wurde der Fall-Out des Brexit-Referendums evaluiert. Dass es so kommen würde, hatte die Macro Perspective im Januar 2016 gegen alle Umfragen und Expertenmeinungen vorhergesagt. Im August 2016 war der seltsame Putschversuch in der Türkei und die Reaktion Erdogans Gegenstand der Betrachtungen. Insbesondere die Implikationen für die NATO. Im November schliesslich titelte die Macro Perspective „TrumPutin“ nach der Wahl zum US-Präsidenten. Viele der nachfolgenden Entgleisungen wie Frauen- und Fremdenfeindlichkeit waren schon zu diesem Zeitpunkt offensichtlich. Trump sollte die Macro Perspective fortan häufig beschäftigen.
Peak Car
Bereits im Juni 2016 hatte die Frage „Peak Car?“ gelautet. Die deutschen Automobilunternehmen wiesen hohe Schulden und eine geringe Marktkapitalisierung auf. Seitdem sind die Kurse weiter gesunken und die Schulden weiter gestiegen. Daimler weist per Ende 2018 nun 217 Mrd. Euro Verbindlichkeiten auf, Ende 2015 waren es noch 164 Mrd. Euro. Der Aktienkurs liegt um gut 20% tiefer. Market Cap: 54 Mrd. Euro. Tesla hatte im Juni 2016 einen Börsenwert von 32 Mrd. USD, heute sind es allen Unkenrufen und Rückschlägen zum Trotz immerhin 68 Mrd. USD.
Im Teil II diese Bilanz folgt im Januar ein Blick auf die bestimmenden Themen der Jahre 2017 bis 2019.