Erhard Lee, AMG Fonds Substanzwerte Schweiz: «Bei den Value-Titeln kommt jetzt die Erntezeit»

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Der AMG-Fonds Substanzwerte Schweiz wurde 2004 mit dem Ziel aufgelegt, den Investoren gute Anlagen im Schweizer Aktienmarkt zu vernünftigen Konditionen zu ermöglichen. Er zielt darauf ab, vorsichtig und unternehmerisch in erprobte, solide Schweizer Firmen zu investieren und damit eine ansprechende Rendite zu erwirtschaften. Das Portfolio besteht sowohl aus Bluechips als auch aus Mid- und Smallcaps bis hin zu einem OTC-Wert wie Holdigaz.

Erhard Lee (58) ist Inhaber der AMG. Im Videointerview mit schweizeraktien.net wirft Lee einen Blick voraus auf die ausserordentliche GV der Messe Schweiz, die Ende Januar auf sein Betreiben hin abgehalten wird und wo er einschneidende Strategie-Veränderungen und Wechsel im Verwaltungsrat durchsetzen will. Und Lee erläutert, warum 2020 das Jahr für Substanzwerte wie Vaudoise oder Jungfraubahnen werden könnte. 

Als wir uns vor gut einem Jahr zum Interview trafen, betrug das Fondsvermögen 510 Mio. CHF, jetzt liegt es bei 360 Mio. Was bedeutet dieser Rückgang für den Fonds und den Fondsmanager?

Natürlich ist das keine einfache Situation, aber ein Grossteil unserer Kundschaft ist uns treu geblieben. Ein Teil des Rückgangs ist auf die Verluste an den Börsen im 4. Quartal 2018 zurückzuführen. Ein Teil auf Ausschüttungen unsererseits. Aber wir hatten auch Rücknahmen in Höhe von ca. 90 Mio. CHF. Wobei wir auch einen Teil wieder platzieren konnten. Jetzt sind wir eigentlich wieder näher dort, wo wir sein wollen, nämlich in einem Zielkorridor von 400 bis 450 Mio. CHF.

Wie holen Sie die zurückgenommen Anteile wieder rein?

Das ist Klinken putzen, Marketing. Aber das machen wir sowieso, weil wir ein- bis zweimal im Jahr bei unseren Kunden präsentieren, ihnen zeigen, was wir machen und einen Ausblick geben.

Ich habe den Kunden vor drei Jahren schon gesagt, was auf sie zukommt im Bereich Nebenwerte, weil die Large Caps viel zu billig waren. Das hat sich jetzt zum Teil korrigiert, aber ich halte Nestlé, Novartis, Roche und Co. immer noch für günstig. Eigentlich müssten diese Bluechips im jetzigen Zinsumfeld ein KGV von 50 haben, und selbst dann haben sie noch eine sehr komfortable Risikoprämie.

Ich glaube aber, in 2020 kommt die Wende. Die Investoren suchen sichere Häfen, und die finden sie in den Substanzwerten.

Wie hoch ist der Anteil an Substanz-Titeln in Ihrem Portfolio?

Die 15 grössten Positionen im Fonds Substanzwerte Schweiz. Quelle: amg.ch

Wir haben ca. 60% Substanzwerte-Anteile, 20% Wachstumstitel wie z.B. Bossard und Also und den Rest mit Spezialtiteln wie Cosmo, Cassiopea, Arbonia und MCH. Ich fühle mich sehr wohl mit dieser Aufteilung, wir haben hier ein sehr tiefes Risikoprofil.

In 2019 konnten Sie eine Performance von 10% erzielen, der SPI legte um fast 30% zu. Sie schreiben vom schweren Stand für Substanz-Werte, sind aber zuversichtlich, was dieses Jahr anbelangt. Warum werden Ihre Anlagen 2020 obenauf schwingen?

Der Investor sucht günstigere Alternativen zu den grossen sicheren Werten. Er will nicht im zyklischen Segment mit einer Bobst, einer Fischer oder Dätwyler exponiert sein. Er will sich sicher fühlen mit Titeln wie BKW, IVF Hartmann oder einer Vaudoise.

In Pharma- und Immobilienwerte sind Sie am stärksten investiert. Welche Sektoren sehen Sie 2020 positiv abschneiden?

Für uns wird der Pharmasektor einen wichtigen Beitrag leisten. Vifor zeigt ein schönes Wachstum mit einer Gewinnsteigerung von mindestens 20%. Cosmo und Cassiopea, die 13% unseres Portefeuilles ausmachen, haben beide Produkte, für die wir in diesem Jahr Zulassungsbescheide erwarten.

Lassen Sie uns zu einzelnen Titeln kommen. Ihre grösste Position ist die Waadt-Versicherung mit einem Portfolioanteil von ca. 15%. Nachdem der Kurs in den letzten Jahren eher seitlich verlief, ist die Aktie für ihre Verhältnisse 2019 mit einem Plus von 20% geradezu explodiert. Ist das nur Aufholbedarf oder gibt es fundamentale Gründe für diese Kursentwicklung?

Die Vaudoise hat in den letzten Jahren viel investiert, um die Deutschschweiz zu bearbeiten. Jetzt kommt auch hier die Erntezeit; im ersten Halbjahr 2019 verzeichnete sie 8% Prämienzuwachs allein in der Deutschschweiz. Auch für 2020 ist vom Management weiteres Wachstum prognostiziert.

Wo bekommt man noch jedes Jahr 10% Gewinnrendite, bei einem Wachstum von 3 bis 5% pro Jahr? Das ist doch sensationell. Dazu kommt das Jubiläumsjahr 2020; ich denke, das wird die Anleger überzeugen. Gerade diejenigen, die am liebsten eine eidgenössische Obligation zu 4% hätten, werden nicht Nein sagen zu einem Substanzwert, wo sie 10% haben.

Ihr Engagement bei der Jungfraubahn haben Sie im vergangenen Jahr stark ausgebaut. Die Aktie gehört jetzt auch zu Ihren zehn grössten Investments und hat sich mit über 20% Kursgewinnen in 2019 ordentlich entwickelt. Sehen Sie hier noch weiteres Kurspotenzial nach oben?

Das ist eine wirkliche Substanzperle. Kein Franken Schulden, und nun bauen sie für 300 Mio. CHF die neue Bahn. Das Ziel ist es, dass die Gesellschaften in unserem Portefeuille 10% Rendite abwerfen. Jetzt gibt es aber einige Unternehmen, und dazu gehört auch die Jungfraubahn, bei denen in naher Zukunft die Erntezeit kommt. Bei der Jungfraubahn wird das Ende 2020, wenn die neue Bahn fertig ist, und dann vor allem 2021 der Fall sein.

Auch bei anderen Investments erwarten Sie 2020 eine Erntezeit. Bei welchen?

IVF Hartmann schliesst in diesem Jahr die Bauarbeiten ihres neuen Hochregallagers ab. Das neue Bestellsystem Hartmann Easy, die digitale Lösung für medizinisches Verbrauchsmaterial, läuft viel besser als erwartet. Das wird sich bei unserer drittgrössten Position 2020 auszahlen.

Erntezeit erwarte ich aber auch bei Cosmo und Cassiopea, nach eher schwierigen letzten Jahren. Beide haben Produkte, für die wir in diesem Jahr bis zu drei Zulassungsbescheide erwarten. Drei Zulassungen gab es bereits in den letzten 18 Monaten, jetzt sollten da die Umsätze kommen, wahrscheinlich sieht man sie schon im Ausweis fürs Jahr 2019.

Bei einer solch reichen Ernte sollten Sie den SPI Extra ja locker schlagen können.

Den SPI Extra schon, ja. Der gesamte SPI outperformed ja nicht wegen der Gewinnsteigerungen der Unternehmen, sondern wegen der P/E-Expansion. Das haben wir in unserem Sektor der kleinen Titel nicht.

Unser Ziel ist es, 10% pro Jahr für den Fonds zu erwirtschaften. Das haben wir über die letzten 15 Jahre geschafft, und zwar nach allen Kosten und Gewinnausschüttungen. Nur das Jahr 2018 war ein deutlicher Ausreisser nach unten, aber das holen wir in den kommenden Jahren wieder rein, indem wir ein bisschen mehr als plus 10% machen. Da bin ich guten Mutes für die kommenden drei, vier Jahre.

Warum haben Sie die Position Swatch stark reduziert? Sie bleiben doch Ihren „Steckenpferden“ treu, wie Sie im Jahresbericht 2019 schreiben.

Wir mussten wegen der Rücknahmen etwas abbauen. Swatch haben wir deshalb bewusst auf die von uns gewünschte Zielgrösse hinuntergefahren, davor war die Position deutlich grösser. Wir haben eigentlich alle Titel angepasst; nur Cosmo haben wir nicht verkauft. Vifor, Bossard, selbst die Vaudoise haben wir reduziert.

Lassen Sie uns zum Schluss noch zu der Position kommen, die Sie zurzeit am meisten absorbieren dürfte. Ende Januar kommt es auf Ihr Betreiben hin zur a.o. GV bei der Messe Schweiz. Welches sind Ihre Traktanden für die GV der MCH?

Für mich ist es wichtig, dass die Strategie diskutiert wird. Ich bin der Überzeugung, dass der Strategieentscheid, der gefällt wurde, nicht fundiert ist und deshalb die Gesellschaft nicht in die Zukunft führen wird. Die Gesellschaft muss aber mit einer Vision ausgerüstet sein, die zukunftsfähig ist.

Damit wir dort hinkommen, braucht es aber natürlich auch neue Leute im Verwaltungsrat. Wir haben deshalb die Abschaffung der Kantonsdelegierten im VR beantragt. Es gibt heute sechs Delegierte und fünf frei gewählte Verwaltungsräte; mit dem VR-Präsidenten sitzen sogar 7 Politiker im Verwaltungsrat. Und das ist natürlich Blödsinn.

Wie sehen genau die Strategieunterschiede zwischen dem jetzigen VR und Ihnen aus?

Wir wollen das Messegeschäft in die Zukunft führen, die Politik will die Immobilien bewahren. Also könnte es so aussehen, dass die Politik die Immobilien für ihre Anteile übernimmt, die freien Aktionäre mit ihren Anteilen das operative Messegeschäft.

Werden Sie damit durchkommen?

Ich werde an der GV sicher eine Abfuhr erhalten, aber das ist die Bedingung dafür, dass wir danach die notwendige Sonderprüfung beantragen können, damit wir die Missstände dann den richtigen Leuten um den Hals hängen können.

Sind Sie ein aktivistischer Investor?

Nein, das bin ich sicher nicht. Ich interveniere dort, wo es notwendig ist. Ein aktivistischer Investor interveniert, auch wenn es nicht notwendig ist, um eine Wertvermehrung zu erreichen. Wir sorgen dafür, dass sich unsere Investments solide und gut entwickeln. Wir wollen im Gegensatz zu einem aktivistischen Investor unsere Positionen nicht zu einem höheren Preis verkaufen, sondern diese Position in den nächsten 10 Jahren halten und zusehen, wie sie sich schön entwickelt.

Von welcher Performance Ihres Fonds gehen Sie in 2020 aus?

Von 10 bis 20%.

Herr Lee, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

 

 

 

 

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