Lars Egger, CEO Espace Real Estate: «Wohnen und Arbeiten werden zunehmend verschmelzen»

Espace Real Estate rechnet auch nach Krisenende mit einer angespannten wirtschaftlichen Lage in bestimmten Branchen.

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Auch in Zeiten der Corona-Krise gibt es noch positive Nachrichten. Eine solche präsentierte die Immobiliengesellschaft Espace Real Estate vergangene Woche mit der Bekanntgabe mit neuen Rekorden beim Geschäftsergebnis 2019.

Kurzfristig stehen jedoch auch für Espace die Auswirkungen des schweizweiten Lockdowns und deren Bewältigung im Vordergrund. Wie Espace betroffenen gewerblichen Mietern hilft und wie sich der Schweizer Immobilienmarkt weiter entwickeln dürfte, erklären CEO Lars Egger und CFO Christian Froelicher im Interview mit schweizeraktien.net. Für sie ist klar, dass die Schwierigkeiten nach überstandener Pandemie noch nicht vorüber sind. «Die angespannte wirtschaftliche Lage von Gewerbemietern wird sich auch über das Krisenende hinausziehen», erwarten sie.

Lars Egger
Gemäss Lars Egger, CEO der Espace Real Estate AG, hilft die Immobiliengesellschaft stark von der Corona-Krise betroffenen gewerblichen Mietern mit zeitlich limitierten Mieterlassen. Bild: zvg

2019 konnte Espace das beste Ergebnis in der Firmengeschichte erzielen. Statt den Erfolg nun feiern zu können, bricht die Corona-Pandemie über uns herein. Wie ist Espace Real Estate davon betroffen, und welche Massnahmen wurden ergriffen?

Lars Egger: Vor allem von stark betroffenen gewerblichen Mietern wie Restaurants und Coiffeursalons haben wir bereits einige Anfragen für Hilfe erhalten. Momentan ist die Lage aber noch überschaubar, zumal die Mehrheit unserer Gewerbemieter nicht direkt vom Lockdown betroffen ist. Wir rechnen jedoch damit, dass mittelfristig noch weitere Anfragen kommen werden und sich die angespannte wirtschaftliche Lage von Gewerbemietern aus bestimmten Branchen auch über das Krisenende hinaus hinziehen wird.

Wie hilft Espace Real Estate seinen Mietern, welche wegen der Corona-Krise in Zahlungsschwierigkeiten geraten?

Wir haben ein Regelwerk entwickelt, nach dem Mieter anhand einheitlicher Kriterien je nach Betroffenheit in Kategorien eingeteilt werden können. Der stark betroffenen Gruppe gewähren wir einen zeitlich limitierten vollständigen oder teilweisen Mieterlass. Mit weniger stark betroffenen Mietern wird eine andere Lösung gesucht, wie beispielsweise die Stundung der Miete. Leider gibt es auch Trittbrettfahrer, welche nicht ausserordentlich stark von der Krise betroffen und robust aufgestellt sind, jedoch trotzdem versuchen, einen Vorteil für sich herauszuschlagen. Diese gilt es zu erkennen und dementsprechend zu handeln.

In welchem Umfang rechnen Sie für 2020 mit Mietausfällen?

Eine genaue Prognose ist aktuell schwierig, wir rechnen jedoch mit gewissen Ausfällen vor allem im gewerblichen Bereich. In unserem Portfolio haben wir aber die glückliche Situation, dass wir letztes Jahr viele Wohnbauten fertiggestellt haben, welche erst im Jahr 2020 ertragswirksam werden. Dies hilft uns, die Ausfälle teilweise zu kompensieren. Ohne Corona hätten wir eine Steigerung der Mieteinahmen verzeichnen können, zurzeit rechnen wir insgesamt mit einem leichten Rückgang oder bestenfalls einem Stand auf Vorjahresniveau.

Gerade bei institutionellen Anlegern stehen Immobilien mangels Alternativen hoch in der Gunst. Espace war in den letzten Jahren zurückhaltend mit Käufen. Wo sehen Sie Chancen für Espace?

Wir können vor allem bei herausfordernden Projekten punkten, wo wir unser breites Know-how einbringen können. So gewinnen wir das Vertrauen des Verkäufers und bringen diese Spezialprojekte zu einem guten Abschluss. In diesem Bereich sehen wir unsere Wachstumschancen und haben momentan auch einige solche Projekte im Visier. Liegenschaften, wo das Ziel nur darin besteht, den meistbietenden Käufer zu finden, sind für uns nicht interessant.

Im Geschäftsbericht 2019 schreiben Sie, dass bei Mietwohnungen ein Trend zur Individualisierung und mehr Singlehaushalten feststellbar ist. Mit welchen Auswirkungen rechnen Sie bezüglich der Wohnpräferenzen von Privatpersonen nach der Corona-Krise?

Das Wohnen bekommt unserer Ansicht nach eine neue Bedeutung. Bereits bestehende Themen wie Co-Working oder Co-Living in einer Siedlung werden einen neuen Stellenwert erhalten. Gemeinschaftsräume und verfügbare Arbeitsplätze innerhalb der Siedlung werden zunehmend aufkommen, genauso wird beispielsweise Urban Gardening neuen Schwung erhält. Mieter werden wieder vermehrt Wert auf Solidarität und Gemeinsamkeit legen. Dies heisst jedoch nicht, dass Leute gezwungen sind, am sozialen Leben in Wohngemeinschaften teilzunehmen. Personen, welche lieber für sich allein leben, können dies auch in einer solchen Siedlung nach wie vor tun. In der Stadt Biel entwicklen wir aktuell ein Projekt, welches genau diese Themen aufgreift.

Sie verfügen über einen relativ hohen Leerstand, konnten diesen aber im letzten Jahr weiter reduzieren. Mit welcher Entwicklung rechnen Sie angesichts der aktuellen Krise in den kommenden zwei bis drei Jahren?

Im kommerziellen Bereich wird die Situation dieses Jahr sicher herausfordernd sein. Langfristig können wir uns aber vorstellen, dass gewisse gewerbliche Aktivitäten sogar zunehmen werden, um verpasste Umsätze reinzuholen oder Lagerbestände zu schaffen und die Abhängigkeit zu reduzieren.

Der Fokus lag in den letzten Jahren vor allem auf der Sanierung von Bestandsliegenschaften. Werden Sie diesen Kurs fortsetzen?

Wir fokussieren uns auf die Sanierung und wo sinnvoll Verdichtung von Bestandsliegenschaften, die Neubebauung von bestehenden Landreserven und die Akquisition neuer Liegenschaften. Neubebauungen und Akquisitionen werden sehr sorgfältig ausgewählt und nur nach genauer Planung ausgeführt.

Christian Froelicher
Laut Christian Froelicher, CFO der Espace Real Estate AG, sind die mittelgrossen und grossen Aktionäre noch an Bord. Das Vertrauen in den Wert des Unternehmens sei wegen der Corona-Krise nicht verloren gegangen. Bild: zvg

Wie wird sich die Entwicklungstätigkeit von Espace in den kommenden Jahren gestalten, und über welche Landreserven verfügen Sie noch?

Christian Froelicher: Momentan sind mehrere Projekte in Planung für die Sanierung von Bestandsliegenschaften. Weiter prüfen wir nach wie vor mögliche Akquisitionen in diversesten Bereichen und primär dort, wo wir unser Know-how einbringen können. Dies sind vor allem Akquisitionen in Nischenbereichen, da in klassischen Ausschreibungen die Preise häufig sehr hoch sind und wir keinen Mehrwert einbringen können. Zudem entwickeln wir Projekte für Neubauten auf unseren bestehenden Landreserven in Biel und einem Areal beim Bahnhof Burgdorf.

Nachhaltigkeit ist für Espace in der Vergangenheit immer sehr wichtig gewesen. U.a. haben Sie beim Neubau Volaare 6 Objekte mit Photovoltaikanlagen ausgestattet. Wie wird sich die Krise auf das Thema Nachhaltiges Bauen auswirken?

Wir werden uns weiterhin in Richtung der nachhaltigen Energie bewegen. Momentan prüfen wir auch die Installation von Photovoltaikanlagen bei weiteren geeigneten Liegenschaften. Der Gebrauch von fossilen Energieträgern dürfte unserer Ansicht nach auch wegen der Corona-Krise eher zurückgehen, da die Abhängigkeit vom Ausland kritischer betrachtet werden wird.

Welche Auswirkungen wird die Corona-Krise generell auf die Schweizer Bau- und Immobilienwirtschaft haben?

Lars Egger: Bauinvestitionen werden vorläufig nur zurückhaltend getätigt werden. Wir haben aktuell viele Projekte in Planung, welche wir auch mit Nachdruck vorantreiben. Jedoch beobachten wir die Situation laufend, bevor wir Bauinvestitionen auslösen. Im gewerblichen Bereich können wir uns einen Preisrückgang aufgrund von Mietzinsrückgängen und Leerständen vorstellen. Bei Wohnbauten hingegen könnte die allgemeine Nachfrage sogar noch zunehmen, da Wohnen plötzlich „mehr als Wohnen“ sein wird und Wohnen und Arbeiten zunehmend verschmelzen werden.

Nach einem starken Kursverlust im Februar hat sich die Aktie der Espace Real Estate AG stabilisiert und in den letzen Tagen bereits wieder an Wert gewonnen. Chart: moneynet.ch

Der Aktienkurs hat in den letzten Wochen kräftig verloren. Die Titel werden wieder mit einem Abschlag auf den Buchwert gehandelt. Ist diese Vorsicht gerechtfertigt?

Christian Froelicher: Unser Aktienkurs ist ziemlich gleich wie der Gesamtmarkt gefallen. Dies zeigt, dass der Kursrückgang vor allem von Schockverkäufen und Gewinnmitnahmen von Investoren ausgelöst wurde. Auch hat sich der Kurs in den letzten Tagen bereits wieder etwas erholt. Wir denken deshalb nicht, dass Anleger unserem Wert nicht mehr trauen, sondern dass wir denselben Einbruch erlitten haben wie beinahe der gesamte Markt. Die verkauften Volumen halten sich in Grenzen, unsere mittelgrossen und grossen Aktionäre sind allesamt an Bord.

In den letzten Jahren konnte Espace die Dividenden stets aus Kapitaleinlagereserven zahlen, so dass sie für den Privataktionär steuerfrei waren. Wie sieht Ihre Ausschüttungspolitik aus, und wie lange können Sie noch steuerfreie Ausschüttungen tätigen?

Wir wollen unseren Anlegern Stetigkeit bieten und haben deshalb die Dividende dieses Jahr auch vor dem Hintergrund der Corona-Krise konstant gehalten. Stetigkeit und Verlässlichkeit sind sozusagen in der DNA unseres Unternehmens, und wir wollen unsere Dividende bewusst nicht jeder neuen Marktentwicklung anpassen. Die steuerlichen Vorteile für unsere Anleger wollen wir möglichst lange ausnützen. Bei gleichbleibender Ausschüttung können wir dies mit den bestehenden Reserven etwa die nächsten acht bis zehn Jahre so handhaben.

Vielen Dank für das Interview.

Die ausserbörslich auf der Handelsplattform OTC-X gehandelten Aktien der Espace Real Estate AG notierten zuletzt bei 154 CHF.

Mitarbeit: Björn Zern

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