Seit Mitte März heisst es in Las Vegas: „Rien ne va plus“. Auf dem Strip, dem Las Vegas Boulevard, an dem normalerweise 120’000 Menschen pro Tag unterwegs sind, herrscht gähnende Leere. Alle Casinos geschlossen, die Roulette- und Black-Jack-Tische abgedeckt. Für Las Vegas gilt noch mehr als für New York: Es ist die Stadt, die niemals schläft. Deshalb haben die Eingangstüren zu den Casinos und Hotels keine Schlösser, sie waren bisher rund um die Uhr geöffnet. Jetzt sind die Eingangstüren mit Vorhängeschlössern gesichert.
Auch in der Schweiz sind seit Mitte März die 21 landbasierten Casinos geschlossen. Auch hier geht nichts mehr. Für einen Grossteil der Mitarbeitenden wurde Kurzarbeit beantragt. Auf den erfolgsverwöhnten Sektor kommt ein hartes Jahr zu.
Das verdeutlichen die Kursverluste der auf OTC-X der BEKB kotierten Casino-Titel seit dem Lockdown. Um die -20% steht für die Betreiber Stadtcasino Baden AG, die Congress Centre Kursaal Interlaken AG, die Kongress- und Kursaal Bern AG und die Kursaal Casino AG Luzern zu Buche. Der Index OTC-X Tourismus/Freizeit/Sonstiges, unter dem die Casinos gelistet sind, verlor seit Ende Februar dagegen um „nur“ ca. 15%.
Allerdings haben jetzt jene 5 Casinos zumindest einen gewissen Wettbewerbs-Vorteil, die nach Einführung des neuen Geldspielgesetzes Anfang 2019 ein Online-Casino-Angebot aufgebaut haben. Das sind Baden mit jackpots.ch, Davos mit casino777.ch, Luzern mit mycasino.ch, Interlaken mit starvegas.ch und Pfäffikon (SZ) mit online.swisscasinos.ch. Während Baden als „first mover“ bereits im Juli 2019 online ging, eröffnete Interlaken Mitte Februar 2020 als bisher letztes Casino sein Angebot für Online-Spieler.
Hohe Marketingaufwendungen
Interlakens CEO Oliver Grimm bedauert die späte Eröffnung: „Der bestmögliche Zeitpunkt wäre wie geplant im Dezember gewesen; leider haben die komplexen Anforderungen für die Betriebsbewilligung einen früheren Start nicht zugelassen.“ Dennoch ist er mit den bisherigen Ergebnissen zufrieden. Die Erträge lägen leicht über Budget. Aber richtig froh macht ihn dies angesichts der Schliessung des terrestrischen Betriebs nicht. „Dem totalen Umsatzausfall stehen leider die nahezu vollumfänglichen Fixkosten gegenüber. Wir versuchen, in allen Bereichen die Kosten auf ein Minimum zu reduzieren; viel Spielraum haben wir diesbezüglich jedoch nicht.“ Darüber hinaus sei der Markteintritt ins Online-Geschäft wegen der Marketingaufwendungen, die um ein vielfaches höher seien als im landbasierten Bereich, sehr kostenintensiv. Aus diesem Grund hätte Interlaken für die ersten beiden Jahre einen Verlust budgetiert, der durch einen besseren Geschäftsverlauf allenfalls etwas niedriger ausfalle als kalkuliert. „Von einer Kompensation durch online kann im ersten Betriebsjahr nicht ausgegangen werden“, so Grimm.
Steigende Nutzerzahlen
Wie Interlaken verzeichnen Baden, Davos (dessen Casino zur
Stadtcasino Baden AG gehört) und Luzern steigende Nutzerzahlen. „Wir haben unser Spielangebot permanent ausgebaut und verzeichnen mit jackpots.ch in Baden und casino777.ch in Davos in der Regel positive, monatliche Entwicklungen“, sagt Detlef Brose, CEO der Stadtcasino Baden AG. Die Zunahme in den ersten drei Monaten 2020 liege im Rahmen der Zuwächse 2019. Umsatzsteigerungen im März seien einerseits auf die Verstärkung der Marketingmassnahmen, die Angebotsausweitung mit Online-Live-Casinos mit Roulette und Baccarat, aber auch auf die Schliessung der terrestrischen Casinos zurückzuführen.
„Alle Kennzahlen von mycasino.ch sind erfreulich und liegen über den Erwartungen“, sagt auch Wolfgang Bliem, CEO der Kursaal-Casino AG Luzern, des nach eigenen Angaben grössten Online-Casino-Anbieters mit den meisten Spielen und Zahlungsverkehrsmethoden der Schweiz.
Konkrete Daten über die Steigerungen der Nutzerzahlen nennt aber keines der von schweizeraktien.net angefragten Casinos. Aus Konkurrenzgründen wolle man diese nicht bekannt geben, heisst es beispielsweise aus Baden.
Steigende Suchtgefahr?
In den Medien findet das Thema Suchtverhalten in Corona-Zeiten grossen Widerhall. Immer auch im Fokus: die Anbieter von Online-Casinos, gerade wegen der steigenden Nutzerzahlen. Die Antwort der Betreiber fällt naturgemäss deutlich aus: Alle konzessionierten Schweizer Online-Casinos hätten ein speziell auf den Bereich online ausgerichtetes Sozialkonzept, das vor der Inbetriebnahme von der eidg. Spielbanken Kommission (ESBK) geprüft und abgenommen wurde. Dies beinhalte Präventivmassnahmen und nötige Interventionen zur Verhinderung von sozialschädlichen Auswirkungen des Spielens, so Oliver Grimm. Dabei werde die Einhaltung der Konzepte laufend von behördlicher Seite überwacht.
Wolfgang Bliem verweist darüber hinaus auf die Tatsache, dass wegen der Schliessung der 21 Schweizer Casinos das Angebot, um Geld zu spielen, deutlich zurückgegangen sei.
Und das Grand Casino Baden kommt zum Schluss: „Mit unserem Sozialkonzept, online wie landbasiert, wurde ein wichtiges Ziel des neuen Geldspielgesetzes erreicht. Zum einen wird legales, in der Schweiz versteuertes und sozialverträgliches Glücksspiel angeboten, und zum anderen wird dem unkontrollierten, illegalen ausländischen Online-Casino-Angebot ohne stringente Sozialschutzmassnahem Einhalt geboten.“
Wie weiter?
Casinos gehören gemäss Covid-19-Verordnung nicht in die Kategorie Restaurants, sondern in die Kategorie Freizeitbetriebe wie Museen, Zoos etc. Deshalb sollten sie bei der schrittweisen Öffnung und der Aufhebung der Massnahmen frühzeitig berücksichtigt werden, fordert Wolfgang Bliem. Bei den Casinos könnten aufgrund der Eintrittsidentifikation und einer Gästelimitierung die Hygiene- und Abstandsregeln sicher gewährleistet werden.
Den zurzeit fehlenden BSE (Brutto Spielertrag) in der Zeit nach der Corona-Krise soweit als möglich aufzuholen – diese Zielsetzung formuliert Detlef Brose. Das hänge aber davon ab, wann und unter welchen Bedingungen die Casinos wiedereröffnet werden könnten. „In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, inwiefern die Krise zukünftige Auswirkungen auf das Konsumverhalten der Bevölkerung haben wird.“
Fazit
In den nächsten Wochen werden die Casino-Betreiber ihre Geschäftsberichte 2019 veröffentlichen. Dann wird ersichtlich, wieviel in den technischen Aufbau für die Online-Plattformen investiert wurde und in welchem Umfang die Marketingausgaben angeschwollen sind. Davon ist abhängig, wann es die Casinos schaffen, schwarze Zahlen im Bereich online zu schreiben. Klar ist, dass das Geschäftsmodell „Schweizer Online-Casino“ noch zu frisch auf dem Markt ist, als dass dies bereits 2020 der Fall sein könnte.
Die Einnahmen aus dem Online-Geschäft werden die Verluste aus der Corona-bedingten Schliessung der terrestrischen Casinos nicht kompensieren können. Jetzt hängt der Erfolg oder der Misserfolg des Geschäftsjahrs 2020 davon ab, wann eine (teilweise) Wiederöffnung kommt. Mit dieser könnten dann auch Aktionäre wieder auf steigende Kurse hoffen, ist doch das auf den beiden Pfeilern online und terrestrisch ruhende Modell bis zum Ausbruch der Pandemie bereits auf Gegenliebe bei den Anlegern gestossen.
Allerdings bleibt die Frage, ob nach Wiedereröffnung die Gäste, zumal die ausländischen, wieder kommen werden. Casinos nahe der Landesgrenze, z.B. im Tessin oder in Basel, werden zum grossen Teil von ausländischen Gästen frequentiert. In den Casinos mit einem hohen Touristenanteil werden diese Gäste wohl noch für längere Zeit fehlen.
In Baden ist man optimistisch: „Die Stadtcasino Baden Gruppe hat genügend Substanz, um die Krise ohne langfristige betriebswirtschaftliche Auswirkungen zu meistern“, schreibt Detlef Brose. Das Unternehmen habe trotz der zu erwartenden gesamtwirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise eine sehr gute Zukunftsperspektive.
Und dies, obwohl es auf absehbare Zeit wohl kaum an einem Roulette-Tisch heissen wird: „Faites vos jeux, s’il vous plaît!“