Gerade noch konnte die Gotthard Raststätte AG ein höchst erfreuliches Geschäftsjahr 2019 vermelden: Der Umsatz erhöhte sich um 22,1% auf 28 Mio. CHF, das Jahresergebnis verdoppelte sich beinahe von 827’000 CHF in 2018 auf 1.5 Mio CHF 2019.
Verwaltungsratspräsidentin Barbara Merz Wipfli und CEO Daniel Kaufmann führen das gute Ergebnis darauf zurück, dass der Schweizer Tourismus in den letzten Jahren einen kräftigen Aufschwung, insbesondere durch eine starke Zunahme von Gästen aus dem asiatische Raum, verzeichnete.
Umsatzeinbrüche von über 90%
Gerade noch Feierstimmung in der Retrospektive, aber im Hier und Jetzt hat die brutale Realität der Corona-Pandemie das Unternehmen voll getroffen. Die Restaurants sind seit Mitte März geschlossen, die Umsätze in den Shops brachen im April um 95% und an den Tankstellen um 90% massiv ein, keine Asiaten und keine (vorwiegend ältere) Bustouristen weit und breit. Immerhin hat das Restaurant in Fahrtrichtung Süd seit Mitte Mai wieder geöffnet.
Die Gotthard Raststätte sei von den Auswirkungen der Pandemie aufgrund des Standorts an der Nord-Süd-Achse mit viel internationalem Freizeitverkehr besonders hart betroffen. Und es sei nicht davon auszugehen, dass sich die Ertragslage nach dem Ende des Lockdown rasch erholen werde, schreiben VRP und CEO im Vorwort zum Geschäftsbericht.
Daniel Kaufmann drückt gegenüber schweizeraktien.net die Hoffnung aus, dass die Raststätte in den Sommermonaten wieder auf 50% des Umsatzes kommen könnte, im Herbst bis zu 60%. „Aber das ist in der derzeitigen Situation Kaffeesatzleserei“, fügt der CEO hinzu.
Oberste Priorität ist die Sicherstellung der Liquidität
Oberste Priorität habe nun die Sicherstellung der Liquidität. Das Unternehmen verzichtet daher auf eine Dividendenausschüttung und bildet aus dem Jahresgewinn freiwillige Reserven in Höhe von 1.5 Mio. CHF. Eine spürbare Entlastung gibt es 2020 von der Investitionsseite: Nach dem in 2018 fertiggestellten Neubau der Raststätte Süd und der 2019 erfolgten Renovation der Toilettenanlagen in Fahrtrichtung Nord stünden derzeit keine dringenden Investitionen an, sagt Kaufmann. 1 Mio. CHF wurden im Winter 2020 für eine neue Toilettenanlage auf der Anlage in Fahrtrichtung Nord aufgebracht.
Fast 30% mehr Treibstoffabsatz in 2019
Vor allem der Neubau in Fahrtrichtung Süd hat sich 2019 bezahlt gemacht. Die Besucherzahlen stiegen hier um 10% gegenüber dem langjährigen Mittel, insgesamt besuchten über 1,75 Mio. Gäste die Raststätte in beiden Fahrtrichtungen. Dabei profitierte das Unternehmen auch von der Schliessung der Raststätte Stalvedro, die insbesondere in Fahrtrichtung Nord mehr Gäste brachte. So legte der Treibstoffabsatz in Fahrtrichtung Nord um über 40% zu, insgesamt wurden an den Tanksäulen 5,4 Mio. Liter Treibstoff (Vorjahr 4,2 Mio. Liter) getankt.
Das starke Umsatzwachstum führte zu Skaleneffekten und Effizienzgewinnen. So sanken die Mitarbeiterkosten anteilmässig gegenüber dem Vorjahr von 30,2% auf 26,8%, absolut stiegen sie von 7 Mio. auf 7.5 Mio CHF. Auf Grund der hohen Umsatzsteigerungen wuchsen auch der Warenaufwand auf 14.7 Mio CHF (Vorjahr 12 Mio.) und der übrige betriebliche Aufwand auf 2.3 Mio. CHF (Vorjahr 2 Mio. CHF). Unter dem Strich weist die Gotthard Raststätte ein betriebliches Ergebnis vor Finanzerfolg, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) von 3.6 Mio. CHF aus, im Vorjahr 2.1 Mio. CHF.
Fazit
Am 22. Mai 1980 wurde die Gotthard Raststätte mit dem Hauptgebäude auf der Süd-Nord-Achse und einem Satelliten auf der Nord-Süd-Achse in Betrieb genommen. Die Feiern zum 40-jährigen Jubiläum sind überschattet von der gegenwärtigen Krise und den damit verbundenen, teils drastischen Umsatzeinbussen.
Die Aktie des Unternehmens, die auf OTC-X der BEKB gehandelt wird, konnte sich nach einem Taucher unmittelbar nach dem Lockdown im März auf 149 CHF wieder deutlich erholen und wird zu einem Geldkurs von 191 CHF gesucht. Das ist aber immer noch deutlich unter dem 30-Tage-Hoch bei 227 CHF. Das KGV kam von 34,2 in 2018 auf 16 bezogen auf die letzte Kursstellung zurück.
Eigentlich gute Eckdaten für potenziell interessierte Anleger, wenn nicht die Ungewissheiten in 2020 wären. Daniel Kaufmann gibt sich kämpferisch: „Wir sind finanziell solide aufgestellt und blicken trotz der aktuellen Lage zuversichtlich in die Zukunft!“ Dabei hilft die gute Eigenkapitalquote in Höhe von 54,1% der Bilanzsumme (per 31.12.2019) und dass die Mitarbeitenden in Kurzarbeit und die Ertragsausfälle durch die Schliessung der Restaurants zu einem grossen Teil versichert sind. Und trotzdem ist absehbar, dass das laufende Geschäftsjahr den Aktionären wenig Freude bereiten wird.
Das breite Aktionariat von 1’400 Aktionären stütze den Kurs von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung, z.B. in Bezug auf die der GV vom 9. Juni 2020 beantragte Dividendenstreichung, sagt Daniel Kaufmann. Die mehrheitlich regional verankerten Anteilseigner hielten zu ihrer Raststätte, in guten wie in schlechten Zeiten. Und diese Zeiten liegen gerade sehr eng beieinander.
Die GV der Gotthard Raststätte wird am 9. Juni wegen der Covid-19-Verordnung des Bundesrats unter Ausschluss der Aktionärinnen und Aktionäre stattfinden. Ein Stimmrechtsvertreter wurde benannt.